Portrait:Ausflug in die Welt der Satzzeichen

Lesezeit: 3 Min.

Kreativer Tausendsassa: Der Geschichtenerzähler und Künstler Björn Nonhoff aus Grafing schickt in seinem Buch einen neugierigen Punkt auf Reisen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Grafinger Geschichtenerzähler Björn Nonhoff stellt sein zweites Buch "Punkt" vor, eine feine Fabel

Von Victor Sattler, Grafing

"Mit einer ganz weißen Seite Papier vor mir fühle ich mich, als säße mir jemand im Nacken", sagt der Grafinger Autor Björn Nonhoff. Deshalb hat er seine ersten Kurzgeschichten lieber mit Edding auf Leinwände gekritzelt, noch über die aufgetragene Acryl-Farbe, die ihm in dem Moment nicht mehr gefiel. Für "Punkt", eine seiner ältesten Geschichten, die Nonhoff nun als Büchlein herausbringt, mussten aber keine Acryl-Schinken durch die Mangel gedreht werden: Die Moosacher Designerin Luci Ott illustrierte stattdessen die 52 Seiten des Textes über einen sehnsüchtigen Punkt, der nicht mehr nur am Ende von Sätzen, sondern mitten im Leben stehen will.

Gleichzeitig kehrt der Geschichtenerzähler Nonhoff damit zu seinen Wurzeln, den Fabeln, zurück, die den Zuhörern Zugang zu den "Emotionen des Lebens" verschaffen sollen, mit einer "Mischung aus Unterhaltung und Weisheit". Ein Auto verliebt sich zum Beispiel in eine Ampel oder ein Stern sich in die Erde - das sind die kuriosen Plot-Expositionen nach Schema F, die Nonhoff verwendet, um den Zuhörern etwas Nachdenkliches zu liefern, das ihnen nicht zu nahe tritt. "Ich hatte erst Sorge, ich verstecke mich nur hinter den Fabeln", sagt er, "aber andererseits wird man ja in der realen Welt schon genug mit realistischen Dramen konfrontiert."

"Punkt" ist Nonhoffs zweites Buch. Angefangen als Comedian auf Hochzeiten, hat er sich über verschiedene Kleinkunstbühnen bis in den Kampfring der Poetry Slams hochgearbeitet, von denen er ein paar für sich entscheiden konnte, immer mit der Stimme und dem Saxofon im Gepäck. Dann wurde alles noch eine Schippe verrückter: Auf einer Comedy-Show in China sollte Nonhoff plötzlich 1500 Zuhörern auf Englisch erzählen, vom Stern, und wie dieser sich in die Erde verliebt. Tontechniker und Kostümbildner wuselten um ihn herum. Obwohl ihm das Engagement hörbar schmeichelte, fühle er sich mit einem ganz einfach gestrickten Bühnenset wohler, sagt Nonhoff - und wollte sich entsprechend wieder mehr auf die Texte selbst konzentrieren.

In diesem Sinne widmet sich "Punkt" also der Ebene der Zeichen, nimmt die schwarze Tinte als kleinste Einheit ins Visier, wirbelt durch das Alphabet, durch Worte und Satzfragmente. Das sei kein Buch - sondern ein Erlebnis, schreibt eine begeisterte Leserin. Es entlasse einen in eine "lang ersehnte Freiheit: in den Raum zwischen den Buchstaben, in die Sphäre, in der Struktur nichts zählt und Wörter nicht mehr beschreiben können, was ist".

Zunächst schaut Nonhoff sich die Welt der Satzzeichen an: Der personifizierte "Punkt" zieht aus, um die Freiheit zu finden - schließlich muss es doch mehr geben, als zwischen Sätzen zu stehen - und findet sich bald als Angestellter eines arroganten Ausrufezeichens wieder. Das hält das Pünktchen nicht lange aus. Doch für den entspannten "Teilpunktjob" im Doppelpack gibt es nur ein halbes Gehalt. Am Ende wagt Nonhoffs Punkt voller Neugier den Schritt hinaus aus dem Buch, hinein ins einfach Sein, in eine "runde Welt".

In entgegengesetzter Leserichtung (es sind zwei Büchlein in einem) befasst der Autor sich außerdem mit dem Alphabet, dem er zu jeder seiner Lettern eine eigene Alliteration schenkt, die noch Sinn machen soll. So zum Beispiel klingt das: "Brigittes Busen bibbert bedrohlich, bemerkt Bernd." " Oder lieber bairisch: "Zenzi zahnerte Zuabn, ziag zuba, Zeit zum Zech zahlen". Ein Kabarettist hat Björn Nonhoff einst in die Liebe zu den Buchstaben eingeweiht, hatte ihm in seinem Haus ein schönes Geheimnis gezeigt, mit den Worten: "Schau, wie symmetrisch doch der Buchstabe E ist!"

Als studierter Informatiker und Digitalisierungs-Coach weiß Nonhoff freilich, dass er bei Textergüssen wie "Brigittes Busen" bald bedrohliche Nebenbuhler bekommt: Künstliche Intelligenz (KI) kann automatisiert alle Regeln befolgen, nach denen auch Autorinnen und Autoren eine spannende oder humorige Geschichte schustern; ein System, das - nach herrschender Meinung "gute" - Geschichten schreiben könnte, ohne diese selbst verstehen zu müssen. "Es ist bedenklich, was man mit KI schon machen kann", seufzt Nonhoff, "das ist zwar alles durchaus realistisch, aber beim Menschen kommt ja auch sein Geist und Herz mit ihm auf die Lesebühne geschritten, und der Teil fehlte einer künstlichen Geschichte doch."

Björn Nonhoff hingegen folgt keinem Algorithmus, sein Rezept lautet eher, dass er sich als kreativer Tausendsassa einfach austobt: Der Grafinger schafft neben seinen Geschichten noch Bildende Kunst, ist daher auch im Kunstverein Ebersberg engagiert. Außerdem hat er in einer Band gespielt und getextet. Mit seinem Bürojob in einem Dax-Konzern sei es weitestgehend vereinbar, sagt Nonhoff, dass er gleich auf der Startseite seines Internetauftritts lyrisch beschreibt, wie er einen Apfel begehrt, dem er ins Fleisch beißt und küssend den fruchtbaren Kern enthüllt. "Vernasche dich einfach gern", schreibt er zum Schluss. Der moderne Mann kann beides sein - und mit seinen Geschichten wird Nonhoff sogar für die Betriebsfeiern engagiert. Nur ganz selten sage ihm mal ein Kollege genervt in der Büroküche: "Bitte nicht mehr vom Tod reden, Björn. Wir wissen, dass er kommt, okay?"

Das Buch "Punkt" ist beim Verlag "Books on Demand" sowie auf Björn Nonhoffs Website www.zeitreich.de für zehn Euro erhältlich.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: