Porträt:Walküren gezähmt

Porträt: Mittlerweile hat Renate Stoiber den Trubel der Oper gegen die Beschaulichkeit eines kleinen Antiquitätenladens eingetauscht. Generalproben allerdings gehen in München selten ohne sie über die Bühne.

Mittlerweile hat Renate Stoiber den Trubel der Oper gegen die Beschaulichkeit eines kleinen Antiquitätenladens eingetauscht. Generalproben allerdings gehen in München selten ohne sie über die Bühne.

(Foto: Catherina Hess)

Die Kostümbildnerin Renate Stoiber hat lange in Bayreuth gearbeitet. Nun stattet sie die Figuren der "Bayerischen Rauhnacht" aus.

Von Alexandra Leuthner

Der Weg zu dem winzigen Antiquitätenladen, in dem Renate Stoiber jetzt arbeitet, zwei mal die Woche, führt sie an den großen Fenstern der Gaststätte Fraunhofer vorbei. Sie geben den Blick frei auf die schweren Holztische im Innern, die dort gefühlt seit Jahrhunderten stehen. "Da haben wir den Georg Elser gedreht." Die Kostümbildnerin erwähnt es beiläufig, im Vorbeigehen, als würde sie sagen, "hier habe ich auch schon mal gegessen". Chef-Kostümbildnerin bei der Filmproduktion mit dem genialen Klaus-Maria Brandauer war damals Barbara Baum. "Ich hab nur mitgeholfen", erzählt Stoiber. Ihr Hauptjob war ja auch ein anderer.

33 Jahre lang gehörte die Münchnerin zum Team der Bayreuther Opernfestspiele, sie übernahm dort später verantwortlich die Damenabteilung. Walküren und Rheintöchter betraten fortan nicht mehr die Bühne, ohne dass die zart gebaute Frau mit den heute raspelkurzen blonden Haaren Hand angelegt hätte. Ihren Ruf als ebenso fantasievolle wie akribische Arbeiterin und ihre langjährige Erfahrung - nicht zuletzt im Umgang mit den manchmal etwas voluminöseren Sängern und Sängerinnen - nahm sie von Bayreuth mit. Was der eine Grund ist, dass Regisseur Matthias von Stegmann Renate Stoiber gefragt hat, ob sie nicht bei der Wiedererweckung der "Bayrischen Rauhnacht" mithelfen wolle. Stegmann und Stoiber kennen sich aus Bayreuth, die Kostümbildnerin hat den Regisseur auch zum National Theater Tokio begleitet. Der andere Grund für Stoibers Engagement bei der Rauhnacht sind ihre immer noch guten Kontakte zu der einen oder anderen Adresse, die in München mit Theater zu tun hat. "Ich bin bei jeder Generalprobe dabei, bin zwischen den Opernhäusern von Salzburg bis Wien unterwegs. Wenn ich in der Oper bin, treffe ich immer jemanden von früher."

Und so läuft nun die junge Synchronsprecherin Maresa "Mesi" Sedlmeir, die bei der Rauhnacht den Troll spielen soll, in der Pause zwischen zwei Vorlesungen in Stoibers Wohnung nahe der Isar ein, um ihren Kopfputz anzuprobieren. "Irgendwas zwischen Troll und Elfe" habe sie sich ausgedacht, sagt Stoiber, mehr will sie nicht verraten. Auch nicht, wo sie die Grundstoffe für die Ausstattung letztendlich herbekommt. Ihren eigenen Theaterfundus hat sie inzwischen aufgelöst, "aber ein bisserl was finde ich noch in meinem Kleiderschrank."

Das Improvisieren, aber auch das Arbeiten mit ungewöhnlichen Materialien hatte Stoiber von Anfang an begleitet, schon als die Absolventin der Modeschule vor 40 Jahren angefangen hat mit Gerhard Löw zu arbeiten. Der Kontakt zum Erfinder der Grattler-Oper ergab sich - Stoiber ist in Solln aufgewachsen, wo auch Löws "Iberl-Bühne" stand. Später ging sie mit Löw zum "Theater am Hof" in Leutstetten und schließlich raus nach Holzkirchen. Zwischen den Bayreuther Inszenierungen, wenn sie vom Festspielhügel wieder in ihre Wohnung in München gezogen war, arbeitete die Kostümbildnerin unter anderem auf Modemessen, für verschiedene Inszenierungen, wie die einer Oswald von Wolkenstein-Oper durch Percy Adlon in Nürnberg, machte Werbefilme für Aussteller beim Autosalon in Genf. Nach Bayreuth begann sie, ihr Wissen an Jugendliche weiter zu geben. Sie leitete Lern- und Hilfsprojekte unter anderem für das Goethe-Institut, den Kulturförderverein Kunst-BauStelle oder das Theater "Die Stelzer". In der Türkei hat sie für die Kulturinitiative K-I-D-Z mit jungen Leuten zwischen zwölf und 25 Jahren Bühnenbilder und Kostüme erstellt, für das Landsberger Kulturfest die Stelzer mit fantastischen Kleidern aus Tüll - und Trittschalldämmungen - ausgestattet. "Ich arbeite gern mit extremen Materialien", erzählt sie. Aus blauen Gummi-Gartenhandschuhen wurden Schulterpolster, aus einer Schlachterschürze schon mal ein metallener Brustpanzer. Nicht, dass sich die Kostümbildnerin nicht freut, wenn sie mal eine schimmernde Bahn Seidenstoff in die Hand nehmen und abstecken darf. Der ein oder andere wird sich an die kupferglänzende Robe der "Mama Bavaria" beim jüngsten Starkbieranstich auf dem Nockherberg erinnern. Ein halbes Jahr vor dem letzten Auftritt Luise Kinsehers als Fastenpredigerin habe sie schon dagesessen und überlegt, wie sie die Kabarettistin in Szene setzen sollte, die sie mit der Robe beauftragt hatte. "Es sollte ja etwas mit der Bavaria zu tun haben, die früher golden war, natürlich auch geschichtlich und auch ein bisschen modern sein." Und gut aussehen sollte es auch noch. "Ich habe noch nie jemand auf die Bühne geschickt, der sich nicht wohl gefühlt hat." Den Antiquitätenladen in der Fraunhofer Straße, ein winziges Paralleluniversum voller Geschichten und Geschichte mit einem faszinierenden Sammelsurium an alten Dingen, liebt Stoiber inzwischen fast so sehr wie den Kostümfundus in Bayreuth. Die Suche nach einem Giftfläschchen als Requisit für eine Inszenierung von "Tristan und Isolde" hatte sie vor Jahren hierher geführt. Nach ihrem Ausscheiden aus Bayreuth vor sieben Jahren erklärte sie sich spontan bereit, zeitweise die Vertretung im Laden zu übernehmen und tauschte den Trubel des Opernhauses gegen die Beschaulichkeit antiker Gläser, Puppen und Bilderrahmen ein. Ein bisschen vermisse sie die vielen Menschen in der Oper, sagt sie - was auch ein Grund war, in Ebersberg spontan zuzusagen. "Dass da aber nun 600 Leute kommen sollen, das hat mich doch ein bisschen überrascht." Aber wer Walküren und Halbgötter in die Schlacht geschickt hat, der wird vermutlich für den Alten Speicher ein paar Hexen, Holzmandln oder Trolle zaubern, die das Ebersberger Publikum ordentlich das Fürchten lehren.

"Die bayerische Rauhnacht" im Alten Speicher Ebersberg ist bereits ausverkauft. Weitere Vorstellungen: am Sonntag, 9. Dezember, um 18 Uhr im KuKo Rosenheim, Tickets unter (08031) 365 93 65, sowie am Dienstag und Mittwoch, 1./2. Januar, um 20 Uhr, im Bürgersaal Ergolding, Tickets beim Landshuter Männerladen unter (0871) 294 75.

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