Süddeutsche Zeitung

Rap mit Dialekt:"Ausgrenzen geht überhaupt nicht klar"

Franz Liebl rappt als "Monaco F" auf Bairisch und wehrt sich dagegen, dass der Dialekt politisch instrumentalisiert wird. Am Samstag tritt er beim "Kuahgartn" am Stoa auf.

Porträt von Johanna Feckl

Bairisch ist ausgrenzend. Mal ehrlich: Wenn ein Einheimischer aus einem Kaff, das aus zwei kleinen Bauernhöfen besteht, so richtig loslegt - da versteht doch selbst ein in Bayern aufgewachsener Mensch kein Wort! Man nickt und lächelt, "ja ja, genau" - alles nur Fassade.

Insgeheim bangt man, aus den Wortfetzen zumindest so viel heraushören zu können, dass die "Ja- ja"- und "Genau"-Phrasen an den passenden Stellen platziert sind. Ein unangenehmes Gefühl. Der Ur-Bayer schließt den modernen Bayern aus. "Nein", widerspricht Monaco F und trinkt einen Schluck von seinem großen Cappuccino.

Monaco F heißt eigentlich Franz Liebl und ist Musiker. Genauer gesagt, rappt er. Und zwar in bairischer Mundart. Vor mehr als 15 Jahren wurde er zusammen mit Gräm und DJ Spliff als Rap-Trio Doppel D bekannt. Doppel D pausiert seit einigen Jahren.

In der Zwischenzeit hat Monaco F zwei Solo-EPs und ein Album veröffentlicht. Aktuell feilt er an einem neuen. Er arbeitet aber auch als Kolumnist - gibt für den Radiosender Puls den Grantler - sowie als Texter und Mitspieler in der Sendung des Kabarettisten Hannes Ringlstetter im Bayerischen Fernsehen. Was sich aber durch all die Projekte des 39-Jährigen aus Babensham, einem 3000-Seelen-Dorf bei Wasserburg, zieht, ist die bairische Sprache. Er sagt:

Bairisch ist mit Sicherheit ein Kulturgut - klar, es ist keine Schriftsprache. Aber es wäre schade, wenn das gesprochene Bairisch einfach so ausstirbt. Das Problem ist, dass diese Heimattümeleien im Moment politisch sehr instrumentalisiert werden. Sobald es ausgrenzend wird, wenn damit dieses "wir sind besser als ihr" ausgedrückt werden soll, dann geht das für mich überhaupt nicht mehr klar.

Sprachphilosophisch sei das Gespräch, sagt Monaco F. Warum auch nicht? Er hat schließlich Philosophie studiert. Und Politikwissenschaften und Geschichte. Für sein Studium ist er 1999 von seiner Heimatstadt Regen im Bayerischen Wald nach München gezogen. Man könnte sagen, dass das den Zeitpunkt markiert, von dem an sich Monaco F zum ersten Mal bewusst mit Sprache beschäftigte. Gezwungenermaßen.

Denn seinen bairischen Dialekt haben die Kommilitonen in der Großstadt einfach nicht verstanden. Sehr oft zumindest nicht. Daran erinnert sich der 39-Jährige. Irgendwann sei ihm das zu blöd geworden und er habe versucht, Standarddeutsch zu sprechen. Bis ihm seine Kumpels nahegelegt hätten, das wieder bleiben zu lassen. Das sei einfach nicht er. Also sprach der Babenshamer wieder so wie immer: bairisch. Seine Freunde gewöhnten sich daran und lernten irgendwann, den Dialekt zu verstehen.

Für Monaco F ist also nicht die Form der Sprache, also der Dialekt, ein ausgrenzendes Element, sondern möglicherweise der Inhalt - nach dem Motto "Mia san mia". Trotzdem ist das Bairische dem Musiker wichtig. Nicht um der reinen Tradition willen, weil alles bleiben soll, wie es ist.

Der 39-Jährige hält eine solche Einstellung für engstirnig. In seinem Song "Der von Doppel D" rappt er beispielsweise: "I hob niamols über Heimat gredt, sondern immer über Identität!" Und die sieht nun einmal bei jedem anders aus.

Solange der Chucks-tragende Lederhosentyp dem traditionellen Trachtler nicht verbietet, seine hardcore, super durchgestylte Tracht anzuziehen, und der Trachtler dem anderen seine Chucks nicht verbietet - dann ist doch alles in Ordnung! Das funktioniert auch als Metapher für Bairisch und Hip Hop: Ich finde es spannend, wenn sich etwas weiterbewegt. Ich möchte Grenzen überschreiten: Was ist denn, wenn man den Klang einer Zither mit einem Hip-Hop-Beat unterlegt? Diese Mischungen, die eigentlich undenkbar sind, das ist doch interessant! Da entsteht wirklich etwas Neues - etwas Ungehörtes!

Monaco F bestellt sich seinen zweiten großen Cappuccino. Als Treffpunkt hat er das Wasserburger Café Central vorgeschlagen, morgens ist hier kaum etwas los. Typischerweise trifft man sich im Central abends zum Biertrinken. Vormittags hier zu sein, das ist neu.

Genau wie die Synthese von Bairisch und Rap es einmal war. Mittlerweile arbeitet Monaco F an seiner zweiten LP. Die erste Single daraus, "Des Grüne", erschien vor knapp einem Jahr - das ist der Song, in dem es harte Beats und gemütliche Zittermelodien gibt.

Bei seiner jüngsten Platte konnte der 39-Jährige den angesetzten Veröffentlichungstermin nicht einhalten. Er habe sich so viele verschiedene Projekte auf einmal aufgehalst, dass es gesundheitlich langsam schwierig geworden sei, erinnert sich der Musiker. Deshalb macht er es dieses Mal anders: Erst wenn das Album fertig ist, dann ist es fertig.

Aus der Not heraus wurde Monaco F zum Tausendsasssa

Diversität ist etwas, das sich bei Monaco F wie ein roter Faden durch alles, was er macht, hindurchzieht. Nicht nur hat er unterschiedliche Jobs, als Musiker, Autor, Moderator, Darsteller oder Kolumnist. Auch innerhalb der Musik ist er einer, der seine Finger immer überall mit drinnen hat: Er schreibt Texte und komponiert Melodien, mischt den Ton, nimmt Gesang und Instrumente auf, rappt natürlich und schneidet mittlerweile sogar seine Videos selbst.

Eigentlich ist diese Arbeitsweise aus der Not heraus entstanden: Durch seine vielen Jobs fand Monaco F oft nur zwischendurch Zeit für die Musik. Hier mal ein paar Stunden, dann dort mal wieder ein bisschen. Das ist schwierig, wenn es noch andere Beteiligte gibt.

Eine solche Art des Arbeitens ist aber auch genau das, was der 39-Jährige unter Freiheit versteht: Er kann alles genau so machen, wie er es möchte. Noch nie sei er gezwungen gewesen, etwas zu tun, das er nicht wollte. Das ist ihm viel wert.

Leute, die immer alles selber machen wollen, neigen zu einem übertriebenen Perfektionismus. Den habe ich schon auch ein wenig. Aber der ist es nicht nur, sondern ich muss es eben einfach so machen. Auf dem Level, auf dem wir arbeiten, läuft vieles über guten Willen, Freundschaften oder wenn einfach mal jemand Bock und Zeit hat. Wenn das aber mal nicht der Fall ist, und es trotzdem jetzt gemacht werden muss, dann muss man sich das eben selber aneignen. So gesehen bin ich ein krasser DIY-Typ.

Das Programm

Schon zum neunten Mal findet am Samstag, 1. September, das Kuahgartn-Open-Air-Festival statt, zum sechsten Mal am Stoa bei Wasserburg, und zum ersten Mal mit der Möglichkeit, dort auch zu campen. Neben den Boarisch-Rap-Größen von Bavarian Squad sind in diesem Jahr Die Sterne aus Hamburg Headliner, die um 20.50 Uhr auftreten. Die Indiepop-Jungs von Carnival Youth aus Lettland werden um 18.55 Uhr auf der Bühne aufschlagen. Um 22.05 Uhr gibt es den österreichischen Export Buntspecht zu hören, eine Mischung aus Gypsy Swing, Bossa Nova und Folk. Eröffnen wird das Festival Jordan Prince um 13 Uhr, gefolgt von Cock Dylan, Nicolas Sturm, Vait, Black River Delta, Blond und dem Lunsentrio. Rainer von Vielen ist um 00.25 Uhr der letzte Act. Tickets unter www.kuahgartnopenair.de.FEJO

Seit einiger Zeit ist Monaco F mit einem weiteren Projekt beschäftigt, mit Bavarian Squad. Für diesen "bayerischen Kader" haben sich einige der Größen des Mundart-Raps zusammengetan, eine Boarisch-Rap-Boyband sozusagen: Die Regensburger Mundart-Rapper Liquid und Maniac, im echten Leben als Harold Merl und Achim Schneemann bekannt, haben für ihr 2016 erschienenes Album "Slang Funk Slam Dunk" eine Art "Allstar-Track" aufgenommen. Zusammen mit BBou, Roger Rekless, Gräm, den DJs Spliff, Rufflow, Sticky, Al Rock und eben Monaco F spielten sie den Song "Bavarian Squad" ein - die Geburtsstunde des Projekts.

Die Musiker kennen sich schon seit vielen Jahren. Das ist nicht verwunderlich, so groß und weit verstreut ist die Szene schließlich nicht. Sie harmonieren gut miteinander - es passe einfach, sagt Monaco F. Die überlappenden Elemente sind das Bairische und der Rap. Und trotzdem habe jeder seine eigene Art und mache sein eigenes Ding.

Im November vergangenen Jahres spielte die Bavarian-Squad-Formation ein Konzert in München. Ausverkauft. Schnell kam eine Zusatzshow dazu. Es war ein "Best Of" der Lieder jedes einzelnen Künstlers - es gab schließlich nur einen gemeinsamen Song.

Monaco F hat diese zwei Abende als großartig in Erinnerung. Offensichtlich nicht nur er, denn es folgten Anfragen für weitere Konzerte. Und siehe da: Am Samstag steht der Bavarian Squad zum sechsten Mal auf einer Bühne, als einer der Headliner des Open-Air-Festivals Kuahgartn am Stoa bei Edling. Im November stehen zwei weitere Shows an.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2018/clli
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