Porträt:Junge Autorin mit großen Träumen

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Merle Kellermann aus Kirchseeon liest und schreibt lieber, als dauernd unterwegs zu sein. Derzeit wartet sie auf Antwort von mehreren Verlagen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die 16-jährige Merle Kellermann aus Kirchseeon hat ein Buch geschrieben. Jetzt muss sie noch einen Verlag finden

Von Anna Horst, Kirchseeon

"Stolz wie Bolle" ist Stefanie Heger auf ihre Tochter Merle Kellermann, und das zurecht: Mit 15 Jahren hat sie in diesem Frühjahr ein eigenes Buch geschrieben. "Mein Leben steht Kopf" heißt es und handelt von René und Matteo, zwei Jugendlichen, die schon ihr ganzes Leben beste Freunde sind - "bis sie merken, dass sie aufeinander stehen", erklärt Merle Kellermann. Solche Storys gebe es aber schon oft, das sei ihr zu langweilig gewesen. Deshalb müssen ihre Hauptpersonen auch noch nach der Mutter von René suchen, die irgendwo in München verschwunden ist.

Die Nachwuchsautorin aus Kirchseeon wirkt fast ein bisschen verlegen, als sie von ihrem ersten Buch erzählt. Eigentlich hatte sie immer nur für sich selbst geschrieben und ihre Werke so gut wie niemandem gezeigt. Und auch "Mein Leben steht Kopf" stellt in diesem Hinblick keine Ausnahme dar, noch nicht einmal ihre Mutter hat bis dato das gesamte Buch gelesen. Diese Ehre wurde nur zwei Personen zuteil: der Kirchseeoner Bibliothekarin Ilona Nußbaum-Siegelin, die Merle schon seit Jahren kennt, und ihrer ehemaligen Lehrerin an der Mittelschule, Johanna Keiler. Letztere war nach der Lektüre so begeistert, dass sie Merle vorschlug, das Buch doch zu veröffentlichen. Das hat sich die Nachwuchsautorin nicht zweimal sagen lassen und das Manuskript nun an mehrere Verlage geschickt.

Eine richtige Autorin hält aber natürlich auch Lesungen aus ihrem Werk. Deshalb hat Merle kürzlich in der Kirchseeoner Bücherei einige Auszüge aus ihrem Roman vor ausgewähltem Publikum zum Besten gegeben. Außer Merles Familie und ihren Freunden waren auch Keiler und Nußbaum-Siegelin unter den Zuhörern. Trotz des kleinen Kreises war die Aufregung groß: "Einmal hab ich beim Umblättern die falsche Seite erwischt und dann vor lauter Nervosität angefangen, durchs ganze Buch zu blättern", erzählt Merle. Etwas missmutig verzieht sie das Gesicht, lächelt aber gleich wieder, als sie von den Reaktionen ihres Publikums erzählt. "Am Ende kam eigentlich nur positives Feedback, das war schon ein tolles Gefühl", sagt sie.

"Niemand hat Merle so richtig zugetraut, dass sie so was mal schafft", sagt Stefanie Heger. Als könne sie das Ganze selbst noch nicht so richtig glauben, schüttelt die Mutter immer mal wieder den Kopf, während die Tochter erklärt, wie "Mein Leben steht Kopf" entstanden ist. In diesem Jahr habe sie ihren Quali an der Kirchseeoner Mittelschule gemacht, erzählt die inzwischen 16-Jährige, ihren Jugendroman habe sie in den Pfingstferien vor den Prüfungen geschrieben. "Zum Runterkommen, und um einfach mal was zu machen, was mir Spaß macht", sagt sie. Unter Menschen müsse sie nämlich nicht ständig gehen, sie habe auch gern mal etwas Zeit für sich selbst. "Merle ist keine typische Jugendliche", ergänzt die Mutter. Sie sei oft lieber zu Hause als dauernd unterwegs. Wenn sie nicht gerade schreibt, ist ihre Lieblingsbeschäftigung das Lesen - was sich ja schon fast von selbst versteht. "Wenn Merle ein gutes Buch entdeckt hat, sieht man sie manchmal stundenlang nicht mehr und muss sie daran erinnern, mal was zu essen und irgendwann schlafen zu gehen", sagt Heger mit neckischem Unterton. Total übertrieben sei das, versichert Merle hingegen - und grinst verlegen.

Mit dem Schreiben angefangen hat Merle schon in der Grundschule. "Das waren immer Kurzgeschichten, die waren nur ungefähr 20 Seiten lang", erzählt sie. "Nur ist gut!" Ihre Mutter lacht und schüttelt mal wieder den Kopf. Dreimal so lang wie ihre Kurzgeschichten ist hingegen Merles Jugendroman: Für die 60 Seiten habe sie eine Woche gebraucht, vielleicht ein oder zwei Tage länger. Wie sie das denn in solch einer kurzen Zeit geschafft habe? "Och, es waren ja Ferien, da konnte ich mich ganz gut aufs Schreiben konzentrieren." Von ihrer Mutter erntet diese Aussage wieder nur eine ungläubige Kopfbewegung.

Dass am Ende ein ganzes Buch dabei herauskommen würde, hat auch Merle selbst nicht geahnt. "Ich habe einfach drauf los geschrieben, und irgendwie ist es immer länger geworden", erzählt sie lachend. Die Ideen für ihre Geschichte stammen teils aus ihr selbst, teils waren sie von anderen Büchern und dem Fernsehen inspiriert. "Mir fällt beim Schreiben eigentlich immer etwas Neues ein, was ich noch zur Geschichte dazu tun will", erklärt Merle. Alle ihre Einfälle logisch zusammenzufügen, das sei die größte Schwierigkeit beim Schreiben gewesen. "Ich musste zum Beispiel das ganze dritte Kapitel wieder löschen, weil mir die Idee mit der Detektivgeschichte erst gekommen ist, als ich eigentlich schon weiter war." Aus vielen kleinen Einzelteilen ist auf diese Weise nach und nach ihre eigene Geschichte entstanden.

Nun träumt Merle davon, das Buch eines Tages zu veröffentlichen: "Aufs Cover würde ich die Bavaria tun, weil es ja in München spielt, und im Hintergrund dann die Hauptpersonen." Doch dazu muss sie erst einmal einen Verlag von ihrem Buch überzeugen. Von einem hat sie bereits eine Absage bekommen, die Geschichte passe nicht ins Programm, hieß es. Obwohl noch keine weitere Antwort bei der Nachwuchsautorin eingegangen ist, hat sie die Hoffnung noch lange nicht aufgegeben: "Manchmal muss man bis zu einem halben Jahr warten, bis man eine Antwort von einem Verlag bekommt." Momentan macht sie eine Ausbildung zur Kinderpflegerin - und überlegt nebenbei sogar schon, einen zweiten Band zu schreiben. Oder etwas ganz Neues. Genug Ideen hätte sie auf jeden Fall.

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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