Poinger Volksfest:Prügeleien, Verletzungen, sexuelle Nötigung

Am ersten Wochenende ist die Polizei im Dauereinsatz und berichtet von wilden Szenen. Die erste Einschätzung von Bürgermeister Albert Hingerl: "Bis dato gab es so etwas bei uns nicht."

Von Korbinian Eisenberger, Poing

In der Nacht von Samstag auf Sonntag war die Polizei auf dem Volksfest in Poing im Dauereinsatz. Ihr Bericht liest sich wie das Protokoll einer ganzen Woche, es geht aber nur um eine einzige Nacht. Ein Sprecher der Polizei Poing erklärt am Sonntag auf Nachfrage: "Für einen Abend war es heftig."

Es begann mit einem verbalen Streit zwischen einem 16-Jährigen und zwei Kontrahenten, 21 und 22 Jahre alt, in dessen Verlauf die beiden den jungen Mann zu Boden rissen und mit den Füßen gegen den Kopf traten. Alle Beteiligten waren leicht angetrunken. Der 16-Jährige wurde leicht verletzt.

Während der Aufnahme dieses Körperverletzungsdelikts bekamen die Beamten mit, wie ein 22-jähriger Mann am Festzeltausgang eine junge Frau sexuell belästigte, indem er ihr von hinten unters Dirndl zwischen die Beine griff. Die Polizei Poing teilt auf Nachfrage mit, dass hier nun wegen sexueller Nötigung ermittelt werde. Unterdessen hatten sich zwei Lager gebildet, zwischen denen es nun zum Streit mit mehreren verbalen Beleidigungen kam. Da sich insbesondere der betrunkene 22-Jährige nicht beruhigen ließ, nahm die Polizei ihn in Gewahrsam, um weitere Eskalationen zu verhindern. Hierbei widersetzte sich der junge Mann den Polizisten, so dass ein Beamter leicht verletzt wurde.

Das Poinger Volksfest galt stets als friedlich, anders als das unweit gelegene Grafinger Volksfest, das bis vor zwei Jahren berühmt-berüchtigt für Schlägerein und Saufexzesse war. Nun also Poing?

Eine Nachfrage bei der Polizei Poing am Sonntag ergibt, dass man dort selbst überrascht war ob der vielen Vorfälle vom Samstagabend. "Wir haben uns auch gefragt, was das los war", teilt der diensthabende Beamte Matthias Hammerrath mit, der selbst nicht vor Ort war, aber die Berichte seiner Kollegen aus erster Hand kennt. Seine kurze Recherche in den Polizeidaten ergibt: Vergangenes Jahr nahm die Polizei Poing während der gesamten zehn Volksfesttage insgesamt gerade mal fünf Körperverletzungen auf. Dieses Jahr reichte dafür bereits der Samstagabend.

Ein Zufall? Es sieht eher nicht so aus. Denn bereits am Freitag kam es auf dem Volksfest zu ähnlichen Vorfällen. Die Polizei meldet eine Schlägerei zwischen einem 19- und einem 20-Jährigen - in einem Kreis von Schaulustigen. Drei uniformierte Streifenbesatzungen trennten die beiden Personen, gegen sie wird nun ein Strafverfahren wegen Körperverletzung eingeleitet. Zudem wurde ein 18-Jähriger unvermittelt durch mehrere Personen von hinten angegriffen und gewürgt. Als der Geschädigte daraufhin zu Boden ging, schlugen und traten die Täter noch mehrmals auf ihn ein. Glücklicherweise erlitt das Opfer nur leichte Verletzungen im Kopf- und Halsbereich. In diesem Fall ermittelt die Polizei Poing nun wegen gefährlicher Körperverletzung.

Am Samstag ging es in diesem Stil weiter. Zwei Volksfestbesucher, 21 und 22 Jahre alt, wurden auf dem Nachhauseweg von zwei jungen Männern im Alter von 22 und 25 Jahren angepöbelt und ohne Grund ins Gesicht geschlagen. Die Männer konnten vom Security-Dienst getrennt und bis zum Eintreffen der Polizei beruhigt werden. Alle Beteiligten waren stark alkoholisiert, so der Polizeibericht. Die beiden Angegriffenen erlitten leichte Gesichtsverletzungen. Abschließend meldet die Polizei noch, dass ein stark betrunkener 25 Jahre alter Mann von einem Security-Mitarbeiter ins Gesicht geschlagen worden sein soll. Verletzungen wurden nicht festgestellt, der Fall wird aber strafrechtlich verfolgt.

Das erste Volksfestwochenende wirft die Frage auf, warum es in Poing offenbar auf einmal ähnlich zugeht, wie zu schlimmsten Grafinger Zeiten. Polizist Matthias Hammerrath warnt am Telefon vor vorschnellen Schlüssen. "Wir müssen uns das Ganze genauer ansehen", sagt er.

Am Freitag hatte Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) das Volksfest vor seinem Abtritt kommendes Jahr noch zum letzten Mal mit dem Anzapfen eröffnet. Am Sonntagmittag meldet er sich zu den Vorfällen auf Anfrage per Email zu Wort. Seine bisherige Wahrnehmung decke sich mit dem Polizeibericht: "Bis dato gab es so etwas bei uns noch nicht", schreibt Hingerl, der seit knapp 20 Jahren Bürgermeister in Poing ist. Er werde "aufgrund der Geschehnisse gleich morgen mit der Polizei Kontakt aufnehmen und die Sache besprechen, um eventuell im Vorfeld einwirken zu können".

In Grafing bekamen sie das Volksfest vor zwei Jahren durch ein neues Sicherheitskonzept in den Griff. Entwickelt wurde es von der Stadt und der Polizei gemeinsam. Seither gelten deutlich strengere Regeln, etwa beim Einlass von Minderjährigen. Die Beteiligten in Poing waren alle über 18.

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