Poinger Bauernhochzeit:Bis dass der Aschermittwoch sie scheide

Auf der Bauernhochzeit geht alles schief: Erst muss dem Standesbeamten der Zahn gezogen werden, dann fällt die Braut in Ohnmacht. Bürgermeister Albert Hingerl spielt einen dekadenten Landrat.

Von Sophie Burfeind, Poing

Endlich ist er da, der große Moment. Amrei Bergfex, die Braut, und Pumukl Ruambauer, der Bräutigam, geben sich das Ja-Wort. "Jaaaaa!", schreit die blond gelockte Amrei mit schriller Stimme ins Mikrofon, "joa", sagt der Pumukl zögerlich. "Küssen, küssen", rufen sogleich die blond gelockten und blond gezopften Frauen (in Wirklichkeit verkleidete Männer) in den ersten Reihen vor dem Podium. Eine(r) schreit: "Ich will ein Kind von dir!" Dann läuten die Kirchenglocken.

Poinger Bauernhochzeit: Die arme Braut kann kein Blut sehen. Als dem Standesbeamten ein Zahn gezogen werden muss, fällt sie sofort in Ohnmacht. Erst ein Schuss Schnaps ins Gesicht kann Amrei Bergfex wiederbeleben.

Die arme Braut kann kein Blut sehen. Als dem Standesbeamten ein Zahn gezogen werden muss, fällt sie sofort in Ohnmacht. Erst ein Schuss Schnaps ins Gesicht kann Amrei Bergfex wiederbeleben.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Ginge es bei allen Hochzeiten so chaotisch wie bei der auf dem königlich bayerischen Standesamt auf der Liebhart-Terrasse, würden die Juweliere wohl ziemlich schnell auf ihren Trauringen sitzen bleiben. Doch es ist Fasching. Und da ist es klar, dass so eine traditionelle Bauernhochzeit unter freiem Himmel wie in Poing etwas ausgelassener und derber ausfällt als im normalen Leben.

Alles fängt sogar einigermaßen romantisch an. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und wolkenlos, das Brautpaar hat einen ungetrübten Blick auf den Kirchturm. Um 13.13 Uhr beginnt die Trauung. Amrei Bergfex (Dominik Linke) im weißen Kleid mit Pelz, blonden Ringellocken und roten Wangen wird von ihrem Vater Kajetan, ein Kloahäusler aus Hungerberg, auf die Mitte des Podests geführt. In der Hand hält sie einen großen Brautstrauß. Ihr Zukünftiger, Pumukl Ruambauer, der Sohn vom Austragsbauern Veit Ruambauer aus Wampenried, ist schon da, bereit zum Heiraten. Er knabbert noch an einem Stück Rauchfleisch, um sich zu stärken.

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(Foto: Christian Endt)

Doch dann geht alles schief: Vergeblich wartet die Hochzeitsgesellschaft auf den Standesbeamten - der hat Zahnschmerzen und mag nicht kommen. Um sein schmerzverzerrte Gesicht hat er ein rot-weiß gepunktetes Tuch gebunden. Unter großem Jammern und Stöhnen lässt er sich dann aber doch von ein paar resoluten Gästen nach vorne zerren. Ohne großes Wenn und Aber rupfen sie ihm einen monströsen Zahn aus dem Mund. Da fällt die junge Braut in Ohnmacht.

Das heißt eigentlich, sie plumpst - denn sonderlich grazil ist sie nicht. Die besorgten Verwandten und Bekannten versammeln sich um die liegende Braut, heben ihre Beine hoch und versuchen, sie zu beleben. "Die bring' ma scho durch!", ruft einer der Anwesenden und gießt ihr Schnaps ins Gesicht. Prompt ist die Braut erwacht. "Wo bin i denn?", kreischt sie und richtet sich auf. Nun ist alles wieder gut und der Bräutigam kann sie "freiwillig gezwungenermaßen", wie der Standesbeamte sagt, ehelichen. Er muss ohnehin nur bis zum Ende der Faschingszeit durchhalten. Das ist ja nicht mehr lang. "Ich bin ja gespannt, was aus dem Wamperl rauskommt nach der Hochzeitsnacht", witzelt der Hochzeitslader Erdäpfelkraut (Hubert Mittermeier).

Poinger Bauernhochzeit: Erst wird der Standesbeamte auf die Bühne gezerrt, dann wird im der schmerzende Zahn herausgerissen.

Erst wird der Standesbeamte auf die Bühne gezerrt, dann wird im der schmerzende Zahn herausgerissen.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Schon vorher hatte der Moderator die etwa 400 Zuschauer, die gekommen waren, in Hochzeitsstimmung gebracht. Die Feierlichkeiten begannen schon um neun Uhr morgens in der Brennerei in Angelbrechting, von dort ging es anschließend ging es weiter zum Lang-Hof. Vom Podium aus unterhielt der Hochzeitslader die Faschingsgäste mit Witzen von Jungfrauen oder Bibelverkäufern.

Zwischendrin spielte die Poinger Blaskapelle. Seit 80 Jahren werden in Poing Bauernhochzeiten gefeiert. Sie finden alle fünf Jahre statt. Auch der Schirmherr der Veranstaltung, Bürgermeister Albert Hingerl (SPD), spielte diesmal mit - er gab sich als Zigarre rauchender und Geldscheine verbrennender dekadenter Landrat von Magersattling. Bauern- oder Bettelhochzeiten sind ein bayerischer Faschingsbrauch: Er geht darauf zurück, dass Dienstboten und andere einfache Leute, die sich keinen Besuch der teuren Faschingsbälle leisten konnten, gemeinsam eine solche Hochzeit veranstalteten. Dazu werden typischerweise zwei möglichst kurios aussehende Männer - der Bräutigam in der Regel klein und schmächtig, die Braut groß und männlich - ausgewählt, die für die restliche Dauer der Faschingszeit verheiratet werden. Bei den Feierlichkeiten soll es so verrückt und närrisch wie möglich zugehen.

Nach der Trauung zieht das Brautpaar mit einem Hochzeitszug durch den Ort. In Poing feierte die Faschingsgesellschaft sowie Braut und Bräutigam anschließend in der Schulturnhalle. Bis dass der Aschermittwoch sie wieder scheide.

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(Foto: Christian Endt)
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