Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:Zu Boden befördert und zweimal gegen den Kopf getreten

Auf dem Poinger Volksfest kommt es 2019 zu mehreren Straftaten an nur einem Abend. In Ebersberg wurde nun ein weiterer Fall verhandelt.

Aus dem Gericht von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Es war ein Volksfestabend, an dem sich die Straftaten nur so häuften. Angefangen hatte alles mit einem jungen Mann, der einer 17-Jährigen unter das Dirndl zwischen die Beine griff und eine Schlägerei auslöste. Der Täter ist mittlerweile verurteilt. Am Mittwoch wurde vor dem Amtsgericht Ebersberg nun ein weiterer Vorfall verhandelt, der sich offenbar kurz nach dem Handgemenge zutrug. Leidtragender war hier Anfang Juli 2019 ein damals 15-Jähriger aus dem Landkreis Erding, der von einem Mann gewaltsam nach unten gerissen wurde und am Boden liegend zwei Tritte gegen den Kopf erlitt. Der mutmaßliche Täter stand nun vor dem Ebersberger Amtsgericht.

Gefährliche Körperverletzung lautete die Anklage der Staatsanwaltschaft in diesem Schöffenprozess. Die Beweislage aber gestaltete sich schwierig, da der wichtigste Zeuge - das Opfer - auch vor Gericht nicht sicher sagen konnte, ob es sich bei dem Täter tatsächlich um den nun angeklagten Hauptverdächtigen gehandelt habe. Eine Besprechung der Beteiligten hinter verschlossenen Türen brachte hier die entscheidende Wende. Richter und Staatsanwalt stellten dem Angeklagten nach der Unterbrechung eine Bewährungsstrafe in Aussicht, worauf der 23-Jährige ein Geständnis ablegte. Richter Markus Nikol hielt Wort und verurteilte den Mann aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten.

Der Geschädigte erklärte auf dem Zeugenstuhl, dass er zusammen mit der 17-Jährigen und einem weiteren Freund auf dem Volksfest unterwegs gewesen sei. Nachdem Vorfall mit dem Griff unter das Dirndl seien die Beteiligten von Securitys getrennt worden, anschließend landete er auf dem Boden und wurde getreten. Nur von wem? Im Sitzungssaal wurde es bei dieser Frage durchaus emotional.

Während der Zeugenaussage des mittlerweile 17-jährigen Opfers äußerte sich dessen Vater lautstark von der Zuschauerbank. Deutlich hörbar störte sich der Mann daran, dass Richter und Staatsanwalt seinen Sohn auf dem Zeugenstuhl Detailfragen zum dem Vorfall stellten. Langfristige körperliche Schäden, auch das wurde bei seiner Aussage deutlich, blieben ihm offenbar erspart. Die Schmerzen durch die Kopftritte habe er noch "drei vier Tage danach" gespürt, krankgeschrieben war er aber nicht.

Entlastung durch den Bewährungshelfer.

Der Angeklagte erklärte, dass er die Tat unter dem Einfluss von einigen Mass Bier verübt habe, ein Test hatte einen Promillewert von 0,6 ergeben. Erschwerend kam für ihn hinzu, dass er mehrfach einschlägig vorbestraft ist, erst im Februar war er nach siebeneinhalb Monaten Untersuchungshaft aus dem Gefängnis Stadelheim entlassen worden. Hinzu kommen Einträge wegen Drogenhandels und zwei weitere Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung. Entlastet wurde der 23-Jährige durch seinen Bewährungshelfer.

Im Prozess räumte der Angeklagte ein, dass er unter Alkoholeinfluss zu Aggressionen neige. Sein Bewährungshelfer, mit dem er seit März zusammenarbeitet, ließ aber wissen, dass er dieses Problem mittlerweile in den Griff bekommen habe. Er sei auf einem guten Weg, Ende des Jahres erfolgreich eine Suchttherapie abzuschließen. "Ich glaube, dass die U-Haft einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat", so der Bewährungshelfer. Nicht zuletzt durch Emotions-Trainings und dank seine Ausbildung zum Gebäude- und Energietechniker habe er einen Reifeprozess durchgemacht. Die Sozialprognose für den 23-Jährigen fiel entsprechend positiv aus.

Der Staatsanwalt erklärte noch vor der Urteilsverkündung, wie hoch das Geständnis dem Angeklagten anzurechnen sei. "Bei der dünnen Beweislage ist es nicht einfach, reinen Tisch machen". Umso mehr sei es die richtige Entscheidung, so der Staatsanwalt. Seine Prognose: "Wenn sie nicht gestanden hätten, wären sie eingewandert."

Lange wortkarg, erklärte sich der Angeklagte am Ende selbst noch ausführlich. "Ich weiß nicht, was mich an dem Tag geritten hat." Er habe jedoch die Konsequenzen gezogen und verzichte seit mittlerweile einem Jahr auf Alkohol. Anfangs habe er es vermisst. Dann aber sei er zur Erkenntnis gekommen: "Es tut mir selber gut."

Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Als Auflage muss der Verurteilte seinem Opfer ein Schmerzensgeld von 1000 Euro zahlen.

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SZ vom 04.12.2020/koei
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