Süddeutsche Zeitung

Unverpackt-Laden in Poing:Poing soll Unverpackt-Laden bekommen

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Die zukünftigen Kunden können sich von Beginn an mit Meinungen und Wünschen beteiligen - dank einer Onlineaktion.

Von Serafina Rumm, Poing

Die etwas ältere Generation kennt ihn vielleicht noch: den Tante-Emma-Laden. Kaufen konnte man dort eigentlich alles für den täglichen Bedarf: Gemüse, Kartoffeln, Mehl, Zucker, Nudeln, Milch. Alles lose, oder wie man heute sagt: unverpackt. Gemüse und Kartoffeln kamen ins Netz. Mehl, Zucker, Nudeln in feste Papiertüten oder in Dosen, Milch in die Kanne. Dann kam die Generation Plastik, und die großen Discounter haben die kleinen Läden nebenan verdrängt.

Doch seit einigen Jahren ist eine Gegenbewegung zu beobachten: Sie kommen wieder, die Läden, in denen alles unverpackt ist. Denn der verantwortungsvolle Konsument achtet auf seine Umwelt und auf die Vermeidung von Müll. "Zero waste" lautet das Motto der Stunde. Vor gut einem Jahr hat der erste Unverpackt-Laden im Landkreis Ebersberg in Zorneding eröffnet, nun soll es auch in Poing einen geben. Sieben Frauen und Männer aus Poing, Markt Schwaben, Anzing und Walpertskirchen im Landkreis Erding haben dazu die Initiative "Poing Unverpackt" ins Leben gerufen.

Um das Projekt zu verwirklichen, soll - wie auch in Zorneding - eine Genossenschaft gegründet werden: "Da packen alle gemeinsam an und jeder kann seine Fähigkeiten und Talente miteinbringen", erklärt Maria Lindner. Die gekauften Anteile können außerdem als Startkapital für den Laden mit angrenzendem Café genutzt werden. "Die Idee dazu ist uns beim Plastikfrei-Stammtisch gekommen", erzählt Lindner, die den Stammtisch ins Leben gerufen hat und jetzt auch Mitinitiatorin des neusten Poinger Nachhaltigkeitsprojekts ist.

Das Team hinter dem Einfall beschreibt sich selber als "bunter Haufen" aus "Normalos", "Nerds" und "Ökos", doch ihnen allen liegt eines am Herzen: der Wunsch nach weniger Plastikmüll. "Wofür wir uns einsetzen, ist die Vermeidung von Einwegverpackungen im Alltag, denn weggeworfenes Plastik verschwindet nicht einfach." Nur selten recycelt, existiert es noch lange Zeit als Mikroplastik weiter: In den Meeren tötet es Tiere, es verschmutzt die Umwelt, dringt bis ins Grundwasser vor. "Wir wollen einen wertvollen Beitrag für Poing und Umgebung leisten - fair für alle!", so das erklärte Ziel der Initiative.

Für das Projekt mit dazu geholt hat sich die Gruppe Annika Krätschmer, die schon Erfahrung aus ihrer Arbeit im Unverpackt-Laden in Zorneding miteinbringen kann und sich nun selbständig machen möchte. Ein anderer aus der Gruppe wollte "schon immer mal ein Café eröffnen", wie es Lindner beschreibt, und kann sich nun so seinen Traum erfüllen.

Um das Interesse am Laden und die Bedürfnisse der Poinger besser abschätzen zu können und auch weil Corona-bedingt noch kein Infoabend möglich war, kann man auf der Internetseite des neuen Unverpackt-Ladens noch bis zum 3. Mai an einer Umfrage teilnehmen. "Es haben schon über 700 Menschen mitgemacht", erzählt Lindner. Einige Leute hätten sich außerdem schon gemeldet, die selbst Teil des Projekts sein möchten. "Wir hoffen noch auf zahlreiche Rückmeldungen", so Lindner, denn: "Für die Genossenschaft wäre es natürlich noch hilfreich Leute mit Jura- oder BWL-Kenntnissen zu haben."

Die Meinungen und die Wünsche der zukünftigen Kundinnen und Kunden sollen von Anfang an miteinbezogen werden. Denn die Umfrage, die in zwei Bereiche unterteilt ist, befragt Interessierte nicht nur zu ihrem Einkaufsverhalten, sondern auch darüber, welche Produkte sie gerne im Laden haben würden. Egal ob Regionalität, Saisonalität, Bioqualität oder fairer Handel - alles soll im Sortiment berücksichtig werden. Und eines sollen die Produkte natürlich sein: unverpackt.

"Wir wollen, dass das Einkaufen und Konsumieren von Lebensmitteln ohne Plastikverpackung in unseren Alltag einkehrt und zur Normalität wird", so kann man es auf der Internetseite der Initiative nachlesen. Wie das plastikfreie Einkaufen funktioniert, wird außerdem in wenigen einfachen Schritten beschrieben: Zuerst das Gewicht der mitgebrachten Gläser, Boxen, Flaschen, Taschen und was es alles sonst noch so gibt abwiegen und notieren, dann Wunsch-Produkte abfüllen und anschließend an der Kasse bezahlen.

Irgendwann soll das Sortiment dann auch über die Grundnahrungsmittel hinaus gehen. "Denn viele sehen es nicht ein, extra zum Abfüllen der Nudeln noch mal in den Unverpackt-Laden zu fahren", erklärt Lindner. "Und bezahlbar soll es natürlich auch sein. Das sind alles Wünsche und Vorstellungen, die wir haben. Alles wird sich aber im Laufe der Zeit entwickeln."

Zum Verweilen soll außerdem das sich dem Laden anschließende Café einladen: Bei einem Stück selbstgemachten Kuchen und einer Tasse heißem Kaffee sollen auch Veganer auf ihre Kosten kommen. Wo genau der Laden und das Café sein werden, steht noch nicht fest: "Aber wir wollen natürlich in Poing eröffnen", so Lindner, "Weil Poing meine Heimatgemeinde ist und die Idee in Poing entstanden ist."

Zu den Plänen für die Zukunft gehören auch noch Workshops zum Thema Nachhaltigkeit, Kooperationen mit Schulen und die Nutzung des Ladens als Treffpunkt für den Plastikfrei-Stammtisch: "Die Ideen sind nur so gesprudelt", erklärt Lindner. Für die Poinger Initiative "Unverpackt" heißt es nun aber erst einmal: Eines nach dem anderen. Der erste Schritt zum Unverpackt-Laden mit Café ist nämlich die Gründung der Genossenschaft, wie Lindner sagt. Wer möchte, kann Genossenschaftsanteile zwischen 150 und 200 Euro erwerben und so zum erforderlichen Startkapital des Projekts beitragen. Das Team freut sich aber über alle, die Ideen einbringen möchte und eine Mail an info@poing-unverpackt.de schreiben.

Die Umfrage und nähere Infos sind unter www.poing-unverpackt.de zu finden.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2021
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