Poing:Unvergessen

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Poings Bürgermeister Albert Hingerl (vierter von rechts) und Leslie Schwartz (re.) gedenken am Mahnmal in Poing den Opfern des Häftlingstransports. (Foto: Christian Endt)

Poinger erinnern an die Opfer des Todeszuges

Von Sebastian Hartinger, Poing

Am 27. April 1945 hielt der Mühldorfer Todeszug mit 3600 in Viehwaggons gepferchten, überwiegend jüdischen Häftlingen wegen technischer Probleme am Poinger Bahnhof. Die Gefangenen konnten zunächst fliehen, wurden aber später wieder gewaltsam von den SS-Aufsehern zurückgetrieben. Mindestens 50 von ihnen verloren dabei ihr Leben.

Seit sechs Jahren erinnert in der Nähe des Bahnhofs ein Mahnmal an die tragischen Ereignisse vor 71 Jahren. Auch an diesem Mittwoch, dem Jahrestag des Todeszuges, kamen wieder etwa 80 Gäste, um der Opfer zu gedenken. "Nie wieder! Diese Botschaft ist für uns wichtig. Das all das Erlebte nicht umsonst gewesen ist", sagte Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) in seiner Rede am Ort des Gedenkens. In der heutigen Zeit müsse deshalb Toleranz gelebt und Diskriminierung entgegen getreten werden. "Entscheidend ist die Menschlichkeit". Mit diesem Zitat, das von dem Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel stammt, schloss er ab.

"Wie konnte das geschehen, was müssen das für Menschen gewesen sein", fragte der evangelische Pfarrer Michael Simonsen. "Ich habe bis heute keine Antwort darauf bekommen." Hass und Unmenschlichkeit würden in jeder Generation wiederkommen. "Kain und Abel stehen in jeder Generation wieder auf." Vor den Opfern, und denen, die im richtigen Moment das richtige getan hätten, sollte man sich verneigen, sagte der Pfarrer.

Doch nicht nur die Vergangenheit stand im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung. Diakon Hans Dimke warnte vor einem Rechtsruck in der Politik. "Gedankengut, das vergessen schien, kommt wieder auf", sagte Dimke und erinnerte an das Jahr der Barmherzigkeit, das Papst Franziskus ausgerufen hat. Bei den Geschehnissen vor 71 Jahren habe es sich um ein umbarmherziges Ereignis gehandelt, das nicht vergessen werden dürfe. Gerne hätten die Anwesenden auch Worte des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer gehört, doch der 96-Jährige hatte seine Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Leslie Schwartz, der als Jugendlicher ebenfalls die Gräuel der NS-Diktatur erlitten hatte, berichtete dagegen von seinen Erlebnissen. Der damals 15-Jährige war bei der Flucht aus dem Zug von einer Kugel am Hals getroffen worden. "Leslie, du bist mittlerweile unser Freund", begrüßte ihn Hingerl freundlich. "Du hättest auch gute Gründe gehabt, es nicht zu sein."

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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