Geflüchtete im Landkreis:Wieder zurück in der Heimat

Geflüchtete im Landkreis: Alle unter einem Dach: Zwei Klosterschwestern und acht ihrer Schülerinnen sind vom Poinger Osteuropahilfe-Verein aus dem Krieg in der Ukraine evakuiert worden und lebten für einige Monate als Pflegefamilie in einem Haus in Poing.

Alle unter einem Dach: Zwei Klosterschwestern und acht ihrer Schülerinnen sind vom Poinger Osteuropahilfe-Verein aus dem Krieg in der Ukraine evakuiert worden und lebten für einige Monate als Pflegefamilie in einem Haus in Poing.

(Foto: Christian Endt)

Zu Beginn des Ukraine-Kriegs flüchteten zwei Klosterschwestern, sieben Kinder und eine junge Frau durch die Osteuropahilfe nach Poing. Wie geht es den Mädchen und jungen Frauen heute? Ehrenamtlerin Martina Hohl erzählt.

Von Charlotte Haft, Poing

Sieben Mädchen, eine junge Frau, zwei Klosterschwestern und ein weißer kleiner Hund. Sie alle gehörten im vergangenen Jahr zu der Wohngemeinschaft, die sich wegen des Ukraine-Kriegs notgedrungen in einem leerstehenden Haus in Poing niedergelassen hat. Mittlerweile sind die Mädchen und jungen Frauen wieder zurück in der Ukraine - und es gehe ihnen gut, sagt Martina Hohl. Die 62-Jährige war es, die die die Truppe in Poing hauptsächlich betreute, alles ehrenamtlich. Der Kontakt zwischen ihr und den Mädchen sowie den Klosterschwestern hält bis heute.

"Die Mädchen sind letztes Jahr schon gegen Ende der Sommerferien zurückgegangen", erzählt Martina Hohl. Die Jugendlichen, die im März 2022 durch den Osteuropahilfe-Verein nach Poing kamen, seien hier für ein paar Monate in die Schule gegangen und hätten während der Ferien noch beim Sommerlager der Poinger Pfadfinder in der Nähe von Lübeck teilnehmen dürfen, danach holten sie die ukrainischen Klosterschwestern des Ordens Servants of the Lord and the Virgin of Matará, dem sie angehörig sind, mit einem Kleinbus ab. "Sechs der sieben Kinder leben jetzt wieder in einer Wohngemeinschaft im Kloster in Ivano Frankivsk im Südwesten der Ukraine zusammen", erzählt Hohl.

Die Ukrainerinnen flüchteten damals zu Beginn des Kriegs aus der Stadt Ivano Frankivsk im Westen der Ukraine, da der naheliegende Flugplatz dort bombardiert worden war. Margerita war zu dem Zeitpunkt erst neun Jahre alt, als sie nach Deutschland kamen und damit die Jüngste im Bunde. Ihre Mutter lebte zu Beginn des Kriegs im russisch besetzten Osten der Ukraine, mittlerweile konnte sie aber wie viele andere ukrainische Binnenflüchtlinge in den Westen gelangen, sodass Margerita nun wieder bei ihrer Mutter wohnt. Die Hündin Zafika ist nach wie vor fester Bestandteil der WG, sie gehört der 17-jährigen Oksana und war bei der Flucht nach Deutschland auch dabei.

Geflüchtete im Landkreis: Die 17-jährige Oksana hat im vergangenen Jahr ihren Hund aus der Ukraine mit nach Poing genommen. Zurück in der Ukraine sind die zwei heute immer noch unzertrennlich.

Die 17-jährige Oksana hat im vergangenen Jahr ihren Hund aus der Ukraine mit nach Poing genommen. Zurück in der Ukraine sind die zwei heute immer noch unzertrennlich.

(Foto: Christian Endt)

Seit Oktober vergangenen Jahres besuchen die Mädchen auch in der Ukraine wieder die Schule. Die Kinder würden natürlich Unterschiede in ihrem täglichen Leben im Vergleich zu den Zeiten vor dem Krieg merken, erzählt Hohl. Allerdings seien sie nicht so traumatisiert wie die Menschen, die in direkten Kriegsgebieten wohnen. So könnten viele Produkte nicht mehr erworben werden, es käme vermehrt zu Stromausfällen und es gebe viele neue Menschen in der Stadt und somit neue Gesichter in der Schule. Allesamt Binnenflüchtlinge, die aus dem russisch besetzten Osten des Landes fliehen mussten. Insgesamt wirkten die Mädchen aber glücklich, so Hohl weiter.

Im Sommer haben vier der Mädchen Martina Hohl für einige Tage besucht

Nur eine der Ukrainerinnen, die mit nach Poing gekommen war, ist nicht zurückgegangen. Sie war zwar keine Ordensschwester, arbeitete aber im Kloster - und flüchtete deshalb mit den anderen nach Poing. Die 23-jährige Vita lebt auch heute noch im Landkreis Ebersberg, sie sei nach Deutschland gekommen um zu bleiben. Denn Familie, so sagt sie selbst, habe sie in der Ukraine keine mehr. Martina Hohl erklärt, sie unterstütze die junge Frau wo sie nur kann. Wenn Briefe von den Behörden kommen, beim Jobcenter und bei der Wohnungssuche. "Vita ist für mich wie ein viertes Kind", erzählt Hohl schmunzelnd. Aktuell sei die junge Ukrainerin auf der Suche nach einer Lehrstelle im Bereich Raumausstattung. Sie hat erfolgreich das B1-Sprachzertifikat in Deutsch abgelegt, nun besucht sie den Sprachkurs B2.

Auch mit den Kindern des Ordens stehe Martina Hohl nach wie vor in Kontakt. So hätten vier der Mädchen sie im Juni dieses Jahres besucht und bei ihr zu Hause für mehrere Tage gewohnt. Es sei das erste Mal gewesen, dass die 16-Jährige, die zwei 17-Jährigen und die 18-Jährige ohne Begleitung der Klosterschwestern verreisen durften. Sie hätten eine wunderbare Zeit in Deutschland mit der Familie von Martina Hohl verbracht. Dann seien sie weitergereist. "Über Instagram sehe ich jetzt immer, was die Mädchen so treiben und sie können mich natürlich auch verfolgen, das ist schon super", erzählt die 62-Jährige.

Geflüchtete im Landkreis: Martina Hohl und die Klosterschwestern Maria Linbori und Maria Vseblaha im vergangenen Jahr: Die Klosterschwestern lebten zusammen mit sieben Mädchen und einer jungen Frau in einer Wohngemeinschaft, Hohl unterstützte die WG ehrenamtlich.

Martina Hohl und die Klosterschwestern Maria Linbori und Maria Vseblaha im vergangenen Jahr: Die Klosterschwestern lebten zusammen mit sieben Mädchen und einer jungen Frau in einer Wohngemeinschaft, Hohl unterstützte die WG ehrenamtlich.

(Foto: Christian Endt)

"Die meisten Kinder und Jugendlichen, die dem Orden dort angehören, kommen schon aus eher problematischen Familienverhältnissen", so Sozialpädagogin Hohl. Das Kloster in Ivano Frankivsk sei kein Waisenhaus, jedoch sei eine Verlagerung der Lebensumstände für alle Beteiligten der jeweiligen Familien häufig das Beste, weshalb die Kinder dann zu Hause ausziehen und im Kloster wohnen. Oft seien die Eltern drogen- oder alkoholabhängig, oder arbeitslos.

Die Poinger Osteuropahilfe-Verein führt schon seit 2005 eine Partnerschaft mit der in Ivano Frankivsk ansässigen Ordensgemeinschaft. Seit Beginn des Kriegs fuhren regelmäßig ein oder zwei Kleinbusse vollgepackt mit Medikamenten und haltbaren Lebensmitteln an die ungarisch-ukrainische Grenze, wo die Klosterschwestern warteten und die Unterstützung dankbar annahmen.

"Einmal riefen uns die Schwestern mitten in der Nacht an, sie hätten einen Stromausfall. Wir sind daraufhin mit einem riesigen Akku an die Grenze gefahren, der zum Laden von Handys oder auch zum Kochen genutzt werden konnte", erzählt Martina Hohl. Ein andermal sei im Kinderheim des Ordens die Waschmaschine kaputt gegangen. Die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler aus Poing lieferten daraufhin zwei neue Waschmaschinen. Aktuell ist die nächste Warenlieferung für Ende des Jahres geplant.

Martina Hohl hat schon mehrere Auszeichnungen für ihre ehrenamtliche Arbeit bekommen

Für ihr ehrenamtliches Engagement bei der Osteuropahilfe und in der Poinger Pfarrei, bei der sie auch lang Vorsitzende im Pfarrgemeinderat war, erhielt Martina Hohl schon zahlreiche Auszeichnungen. So erhielt sie die Bürgermedaille Poing für ihre Arbeit in der Pfarrgemeinde und bekam das Ehrenzeichen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) für Verdienste im Ehrenamt von verliehen. Außerdem war sie für den Ellen-Ammann-Preis 2023 nominiert, was für sie eine besondere Anerkennung ihrer Arbeit darstelle.

"Ich habe bei der Preisverleihung des Ammann-Preises gesehen, wie viele starke Frauen wir im Land haben, wie viel Engagement Frauen in verschiedenen Bereichen zeigen und was sie alles dadurch bewirken können. Das war sehr bewundernswert", erzählt die 62-Jährige. Am wichtigsten sei ihr aber immer gewesen, hinter den Projekten zu stehen und alles mit Herzblut zu machen. Das dies dann auch gesehen und anerkannt werde, sei natürlich besonders schön.

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