Eins und eins ist zwei. Normalerweise. Nicht aber, wenn außergewöhnliche Künstlerinnen wie die Flötistin Raphaëlle Zaneboni und die Malerin Carolina Veranen-Phillips ihr Publikum gleich auf mehreren sinnlichen Empfangskanälen berühren. „Bei uns ergibt die Verbindung drei!“, sagt letztere. Wie das aussieht, ist nun in der Kultur-Etage Messestadt zu sehen, und zwar bei der Ausstellung „Haiku & Malerei“, die am Montag, 14. Oktober, mit einer Konzert-Vernissage und der Vorstellung eines zweisprachigen Kunstbandes beginnt.
Auf 76 Hochglanzpapier-Seiten steht in fünf Kapiteln jeweils ein Thema im Mittelpunkt: die Farbe Orange, die blaue Welt des Wassers, Asien, Libellen und schließlich intuitive Malerei. Dazu kombinieren die Künstlerinnen, die nicht nur die französische Muttersprache verbindet, jeweils Gemälde und Texte.
Die Lyrik stammt von Zaneboni, die in Trudering lebt. Für die Reihe Poesie Klangzeit, eine Verbindung aus Kammermusik und Lyrik, hat sich die Flötistin mit Haars Bürgermeister Andreas Bukowski als Sprecher zusammengetan und begonnen, Haikus zu verfassen. „600 werden es wohl mittlerweile sein“, sagt die 46-Jährige. Haiku ist eine ursprünglich aus Japan stammende Form der Dichtung, sie gilt als die kürzeste der Welt. Traditionelle Haiku bestehen aus drei Sätzen, mit fünf Silben in der ersten Zeile, sieben in der zweiten und fünf in der dritten.
Als Zaneboni ihrer Freundin Carolina Veranen-Phillips aus Poing eines der Werke schickt, malt diese gerade an einem Bild in Blau und Orange. „Bei den Worten ,Orages et ciel bleu azur’ denke ich sofort: Das passt ja total zu dem, was ich hier mache! Allerdings hatte ich in meiner Begeisterung nicht genau genug gelesen, denn ’orages’ bedeutet nicht etwa ’orange’, sondern ’Gewitter’“, sagt die 49-Jährige und lacht. Doch das Missverständnis wird zum Auslöser für eine Idee, die am Ende zu dem deutsch-französischen Kunstband „Haiku & Malerei – die Kunst des Augenblicks“ führt: Einer lange nachhallenden Mischung aus federleichter Poesie und kraftvollen, vor Lebendigkeit strotzenden Bildern.
Kosmopolitin Veranen-Phillips, die während eines zweijährigen Asienaufenthalts mit der Familie erst zur Kalligrafie, dann zum Malen kam, erzählt: „Ich musste erst nach Japan gehen, um die Jahreszeiten anders wahrzunehmen und besser zu verstehen. Dort gibt es nicht nur vier, sondern 52, eine pro Woche.“ Nach ihrer Rückkehr habe sie festgestellt, dass es auch in Deutschland eine Kirschblüte gibt. „Das hatte ich nur nie bemerkt. So hat die Zeit in Asien meine Wahrnehmung verändert.“ Das Ergebnis sind teils gegenständliche, teils abstrakte, detailreiche und farbenfrohe Bilder mit zuweilen fast meditativer Wirkung.
Die Natur dominiert traditionell auch das Haiku. „Wobei ich mich nicht sklavisch an die klassische Form halte, was auch daran liegt, dass jede Sprache ihre eigene Balance hat“, erklärt Zaneboni. „Das Französische ist mehr allegorisch, metaphorisch.“ Deswegen fertigt sie keine wörtliche Übersetzung ihrer Texte an. Gut erkennbar am Gedicht, das den Ausschlag für das Buch gab: „Vent chaud et langoureux/Orages et ciel bleu azur/L’eté entame ses folies“ – „Sehnsuchtsvoller Wind/Donner und Azur-Himmel/Der Sommer jubelt“.
Man spürt, dass die beiden Frauen ein eingespieltes Team sind, sich in vielerlei Hinsicht ähneln. Nicht nur haben sie beide neben ihrer kreativen Ader eine sehr bodenständige Ausbildung durchlaufen – Veranen-Phillips, die auch Bücher schreibt, ist studierte Biologin, Zaneboni besitzt einen Jura-Masterabschluss – sie sind auch jeweils über die Grenzen Bayerns hinaus präsent: „Flötenfee“ Zaneboni hat eine wöchentliche Sendung bei Radio FCE Continuo Luxemburg, Veranen-Phillips stellt im Rahmen des „Artbox Projekts“ aus, bei dem ihre Kunstwerke per Screen in physischen Galerien vertreten sind, unter anderem bereits in Paris, Miami, Dubai, New York und demnächst in Palma.
Und nun werden auch einige der Werke aus dem Kunstband bei einer Ausstellung zu sehen sein. Die Vernissage wird begleitet von Zaneboni an der Flöte, als Teil des Duos Proserpina mit der Harfenistin Barbara Gollwitzer. Und auch hier wird es noch eine zusätzliche Dimension geben: Gollwitzers Tochter Rebecca, Ballerina und Tanzpädagogin, schwebt zu den Klängen über das Parkett.
Haiku & Malerei: Konzert-Vernissage mit dem „Duo Proserpina“ und Ballerina am Montag, 14. Oktober, um 19 Uhr. Ausstellung: 14. bis 25. Oktober, Montag bis Freitag 9 bis 12 und 18 bis 21 Uhr, Dienstag und Donnerstag auch 16 bis 18 Uhr und zu den Veranstaltungen. Eintritt frei. Kultur-Etage Messestadt (Riem Arkaden), Erika-Cremer-Straße 8, München. www.kulturzentrummessestadt.de.