Poing:Das Sterben der Amseln

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So gut wie dieser Amsel geht es vielen Artgenossen in Poing nicht, sie fallen offenbar einer Krankheit zum Opfer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • In Poing verenden momentan besonders viele Amseln.
  • Noch ist die Ursache unklar, aber ein Verdacht drängt sich auf: Das von Mücken übertragene Usutu-Virus könnte für das Amselsterben verantwortlich sein.
  • Der Amselbestand wäre allerdings nicht bedroht: Nach Erkrankungswellen bilden die Tiere gewisse Resistenzen aus.

Von Barbara Mooser, Poing

Sie sitzen apathisch herum, flüchten selbst dann nicht, wenn ein Hund auf sie zuläuft oder ein Mensch sich nähert. Wenig später sind sie dann meist tot. Im Bergfeldpark, aber auch in vielen Poinger Privatgärten verenden momentan besonders viele Amseln. Das Phänomen wird in den sozialen Netzwerken mit großer Beunruhigung diskutiert. Noch ist die Ursache zwar ungeklärt, doch ein Verdacht drängt sich auf: Das von Mücken übertragene Usutu-Virus könnte für das Amselsterben verantwortlich sein. Das Ebersberger Veterinäramt hat bereits ein totes Tier zur Untersuchung an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) geschickt, Ergebnisse werden Anfang der Woche erwartet.

Denn auch bei Birgitt Huber, Veterinärmedizinerin im Ebersberger Landratsamt, hatten sich die Meldungen über tote Tiere in den vergangenen Tagen gehäuft, wie sie erzählt. Vorwiegend seien Meldungen aus Poing an sie herangetragen worden. Zwei Mitarbeiterinnen aus dem Veterinäramt fuhren daher in die Gemeinde, um ein totes Tier zur Untersuchung ausfindig zu machen. Das stellte sich als gar nicht so einfach heraus, es wurden zwar etliche tote Amseln gefunden, "aber viele waren schon in stark verwestem Zustand", sagt die Expertin vom Veterinäramt.

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Dann aber wurden die beiden Mitarbeiterinnen doch noch fündig. Sollte der eingeschickte Vogel tatsächlich am Usutu-Virus gestorben sein, wäre es der erste Fall in diesem Jahr, der in Bayern vom LGL nachgewiesen würde. Dies habe sie von ihrem Ansprechpartner erfahren, so Huber.

Auch beim Landesamt für Vogelschutz (LBV) ist derzeit kein gehäuftes Auftreten des Virus bekannt. "Momentan ist das kein Thema, das uns stark beschäftigt", sagt Ulrich Lanz, stellvertretender LBV-Artenschutzreferent. Nur vereinzelt und regional begrenzt würden Fälle gemeldet. Das war auch schon einmal anders, vor einigen Jahren sei das Virus, das ansonsten besonders stark in den Vogelpopulationen im Nordosten Deutschlands nachgewiesen wurde, durchaus auch in Bayern gehäuft aufgetreten. Und es sei davon auszugehen, dass sich der Erreger weiter ausbreite, erläutert Lanz. Denn das Virus wird über Mücken übertragen - und diese vermehren sich in den heißen Sommern, wie es sie jetzt immer häufiger gibt, eben besonders gut.

Auch Menschen können durch das Usutu-Virus erkranken

Auch Menschen können grundsätzlich durch das Usutu-Virus erkranken, sagt Veterinärmedizinerin Birgitt Huber. In der Regel sei der Verlauf der Erkrankung nicht schlimm, problematisch könne sie aber bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Kindern oder Senioren verlaufen. Auch wenn die Übertragung eigentlich über Mückenstiche erfolgt und nicht durch Kontakt mit toten Tieren rät Huber dazu, auf jeden Fall eine Grundregel zu beachten, die eigentlich auch der gesunde Menschenverstand nahe legt: tote Vögel nicht anfassen, schon gar nicht mit bloßen Händen. Wer ein Tier versehentlich berührt, sollte die Hände gründlich waschen.

Denkbar wäre freilich auch, dass die Ursache für das Poinger Vogelsterben eine andere ist, ein anderer Erreger beispielsweise. Auch Gift wäre theoretisch eine Erklärung, erläutert Birgitt Huber, doch dafür sei die Streuung der Fälle innerhalb der Gemeinde eigentlich zu groß.

Kleiner Lichtblick: Selbst wenn es das Usutu-Virus wäre, würde das nicht bedeuten, dass die Amsel, die bei der jüngsten "Stunde der Gartenvögel" im Landkreis gerade wieder der am häufigsten registrierte Vogel war, zwangsläufig mittel- oder langfristig für immer aus den Gärten und Parks der Region verschwinden würde, wie der Fachmann vom Landesbund für Vogelschutz erläutert. Nach Erkrankungswellen bildeten sich innerhalb der Amselpopulationen gewisse Resistenzen heraus, erläutert Ulrich Lanz. Die Vögel entwickelten jedenfalls für eine gewisse Zeit eine größere Widerstandsfähigkeit gegen das Virus.

Daten über die Verbreitung des Usutu-Virus sammelt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), das soll auch dabei helfen, die Auswirkungen besser zu erforschen. Tote Vögel können im Internet unter folgender Adresse gemeldet werden: www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/krankheiten/usutu/

© SZ vom 12.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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