Wegen neuem Baugebiet:Streit unter Nachbarn: Pliening verklagt Poing

Wegen neuem Baugebiet: Anfang September haben auf dem Areal im Poinger Norden die Tiefbauarbeiten für das neue Wohngebiet begonnen. Platz soll es für 4000 Menschen bieten, auch das neue Gymnasium und eine Kita sind hier geplant.

Anfang September haben auf dem Areal im Poinger Norden die Tiefbauarbeiten für das neue Wohngebiet begonnen. Platz soll es für 4000 Menschen bieten, auch das neue Gymnasium und eine Kita sind hier geplant.

(Foto: Christian Endt)

Bereits vor einem Jahr hat die kleinere Gemeinde mit einem Normenkontrollantrag gedroht. Der Vorwurf: Es wird ohne überzeugendes Verkehrskonzept gebaut.

Von Johanna Feckl, Pliening/Poing

Die Gemeinde Pliening hat die Nachbargemeinde Poing verklagt. Ende Oktober wurde der Rathausverwaltung die Klageschrift im Rahmen eines Normenkontrollantrags gegen den Bebauungsplan für das Wohngebiet W7 "Lerchenwinkel" beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München zugestellt. Die Plieninger kritisieren, dass Poing ohne überzeugendes Verkehrskonzept baue.

Anfang September begannen auf dem betroffenen Gebiet die Tiefbauarbeiten für Wohnraum für etwa 4000 Menschen, ein Gymnasium für 1000 Schülerinnen und Schüler sowie eine Kindertagesstätte. Die Erschließungsarbeiten der Straßen und des Schmutzwasserkanals laufen trotz der Klage planmäßig weiter, wie es aus dem Poinger Rathaus auf Nachfrage heißt. Welche Auswirkungen das Verfahren auf den Bau des Gymnasiums haben wird, ist unterdessen noch unklar. Feststeht: Pliening möchte mit seinem Vorgehen auf keinen Fall die geplante Eröffnung zum Schuljahr 2023 gefährden.

Das neue Baugebiet grenzt direkt an die Nachbargemeinde

Dass Pliening gegen Poings Pläne für den Lerchenwinkel nicht nur Bedenken, sondern große Kritik einzuwenden hat, ist kein Geheimnis. Das Baugebiet verläuft im Poinger Norden und grenzt damit direkt an Ottersberg an, einem Gemeindeteil des kleinen Nachbarn.

Ursprünglich war das Baugebiet an der Bergfeldstaße für 2000 Neu-Poinger gedacht. Nun wird es aber einmal Platz für etwa 4000 Menschen bieten. Statt der ursprünglichen zwei Stockwerke, sollen die Häuser und Wohnungen bis zu vier Geschosse bekommen. Die ersten davon sollen 2022 beziehbar sein, wie Poings Erster Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) zum Startschuss der Tiefbauarbeiten im September sagte. Neben einer Kindertagesstätte kommt noch der 60-Millionen-Bau des fünften Gymnasiums im Kreis hinzu.

Normenkontrolle

Eine Normenkontrollklage muss unter anwaltlicher Unterstützung vor einem Verwaltungsgericht ausgefochten werden. Dort kann überprüft werden, ob - wie es im Juristendeutsch heißt - "höherrangiges Recht eingehalten" ist. Beim strittigen Bebauungsplan zwischen Pliening und Poing wäre zu prüfen, ob sich die Gemeinde bei der Schaffung von neuem Baurecht an die Vorschriften des Baugesetzbuchs gehalten hat. Der Antragsteller, also die Gemeinde Pliening, müsste geltend machen, dass sie tatsächlich in ihren Rechten von Poings Plänen betroffen ist. Pliening kritisiert eine Nichtbeachtung ihrer Einwendungen durch die Nachbarn und könnte eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes geltend machen. aja

Ob der Schulstart im Herbst 2023 realisierbar bleibt, vermag im Moment niemand zu sagen. Laut Hingerl werde das derzeit mit dem Landkreis Ebersberg, Bauherr des Gymnasiums, besprochen. In Pliening ist der Tenor diesbezüglich klar: "Niemand möchte, dass der Bau vom Gymnasium verschoben wird", betont Erster Bürgermeister Roland Frick (CSU) auf Nachfrage. Das Problem: Ein Normenkontrollverfahren kann sich nicht nur gegen Teile eines Bebauungsplans richten, sondern ausschließlich auf den gesamten.

Plienings Kritik lautet: Viele Einwohner, keine Straßen

Frick erklärt, dass es dem Plieninger Gemeinderat nicht um das Gymnasium oder den Wohnraum per se gehe. Sondern um ein fehlendes Verkehrskonzept. In den vergangenen 40 Jahren hat sich laut Frick Poing, bezogen auf seine Einwohner, vervierfacht. Das stimmt: Wie Poing auf dem eigenen Internetauftritt angibt, lebten 1970 gut 4500 Menschen in der Gemeinde, mittlerweile sind es 16 600. "Aber es kam keine Straße dazu", so Fricks Vorwurf.

Bereits in einer im September eingegangenen Stellungnahme der Plieninger zum Bauvorhaben wird bemängelt, dieses sei in der momentanen Fassung "nicht rechtswirksam durchzuführen". Pliening verwies auf den Grundsatz der Konfliktbewältigung des Baugesetzbuches, über den sich Poing mit seinen Plänen hinwegsetze. Pliening bezog sich auf eine Prognose, wonach das Verkehrsaufkommen von derzeit 1500 Kraftfahrzeugen auf der Plieninger Straße/Kreisstraße EBE 2 in Richtungs Ottersberg durch das neue Wohngebiet um mehr als 13 Prozent zunehmen soll.

Poing stimmte damals wie heute den Vorwürfen nicht zu. "Wir sind der Auffassung, die von der Gemeinde Pliening vorgebrachten Anregungen und Bedenken ordnungsgemäß abgewogen zu haben", heißt es auf Nachfrage beim Rathauschef. Im Rahmen der öffentlichen Stellungnahme Plienings im vergangenen Jahr verwies Poing auf das Projekt "Überregionale Verkehrsplanung für den Raum München Ost". Dort würden München und elf umliegende Gemeinden ohnehin schon Konzepte erarbeiten, um die Verkehrssituation zu entschärfen.

In Poing wehrt man sich vehement gegen die Vorwürfe

Zum anderen, so Hingerl damals, werde die Sollgröße von 20 000 Einwohnern, die seit Jahren als Ziel im Flächennutzungsplan der Gemeinde verankert sind, nicht überschritten - auch nicht durch die Erweiterung von 2000 auf 4000 Bewohner im Lerchenwinkel. Der Grund: Die bisherigen Wohngebiete hätten sich bezogen auf die Einwohner nicht so entwickelt, wie ursprünglich geplant.

Der Plieninger Gemeinderat fühlt sich trotzdem nicht ernst genommen, "seit vielen Jahren", so Frick. Die Poinger Kollegen würden nicht auf die Sorgen der Nachbarn eingehen. Schon im vergangenen Jahr hat Pliening deshalb zum ersten Mal die Möglichkeit einer Normenkontrollklage ins Spiel gebracht. Nun ist die Klage offiziell. "Mir gefällt das nicht, dass wir mit einer Nachbargemeinde in einem Normenkontrollverfahren sind", sagt Frick. "Aber das ist jetzt das Ende vom Lied."

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