Poing/München:Geklebter Hass

Sonderausstellung im NS-Dokumentationszentrum

Von Anselm Schindler, Poing/München

Unter den Hunderten, wenn nicht Tausenden Zetteln und Aufklebern, die nun in einer Sonderausstellung des NS-Dokumentationszentrums am Münchner Königsplatz zu sehen sind, sind viele Exponate aus Poing. "Leider", wie Omid Atai, Gemeinderat und bei den Jusos aktiv, sagt. Atai sitzt auch bei der Eröffnung der Ausstellung im Publikum. Sein Engagement und das seiner Mitstreiter wird in der Eröffnungsrede von der Kuratorin der Ausstellung, Isabel Enzenbach, gelobt. Seit im Sommer 2015 in Poing immer mehr rechte Aufkleber auftauchten, sind Atai und andere junge Menschen unterwegs, um die rechte Propaganda von Laternenmasten, Mülleimern und Türen zu kratzen. Mehr als eintausend rassistische Aufkleber seien es in Poing gewesen, sagt Enzenbach, die am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin arbeitet.

Auch, wenn es sich "nur" um Aufkleber handele, man müsse sie ernst nehmen, betont Winfried Nerdinger, Direktor des NS-Dokumentationszentrums. Auch die Stigmatisierung, Ausgrenzung und Internierung und Vernichtung von Millionen von Juden habe mit antisemitischen Zetteln und Aufklebern begonnen.

"Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute" - diesen Titel trägt die Sonderausstellung im NS-Dokumentationszentrum. Die Sprüche auf den Aufklebern reichen von "Trinkt deutsches Bier", über "Kauft nicht bei Juden", bis zu "Wählt Hitler!". Die Auswahl reicht von Sammelbildern, die am Ende des 19. Jahrhunderts die koloniale Ausbeutung schwarzer Menschen glorifizierten, bis hin zu Aufklebern von NPD und AfD. In einer der vielen Vitrinen finden sich aber auch drei Schokonikoläuse: In der Vorweihnachtszeit 2015 hatten Atai und seine Mitstreiter, als Reaktion auf die Aufkleber-Offensive, 250 kleine Schokonikoläuse in Poing verteilt. An den Schokoladenfiguren klebten bei der Verteil-Aktion Auszüge aus dem Grundgesetz.

Wenn man an den vielen Schauwänden und Vitrinen entlang schlendert, wird schnell klar: Die Sprüche von heute sind denen von damals oft erschreckend ähnlich, auch, wenn sich einzelne Inhalte und Feindbilder ein Stück weit gewandelt haben. Die Hetze gegen Juden wird heute oft von der gegen Muslime überschattet. Die Bilder, die von beiden Gruppen in der rechten Propaganda gezeichnet werden, um sie zu diffamieren, ähneln sich. Sie sind gierig, lechzen nach deutschen Frauen, wollen Deutschland ausplündern, beliebt ist auch die Darstellung von Juden und Muslimen in Verbindung mit Schweinen - im Islam und im Judentum gilt Schweinefleisch aus unrein.

Die Ausstellung ist bis zum 5. Juni im NS-Dokumentationszentrum, Brienner Straße 34, dienstags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr zu sehen. Jeden Dienstag findet um 17.30 Uhr ein Rundgang durch die Ausstellung statt. Die Teilnahme ist im Eintritt inbegriffen, Treffpunkt ist im Foyer.

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