Wer noch im Bett lag oder entspannt am Frühstückstisch saß, könnte es gespürt haben: in der Nähe von Poing war ein leichtes, kurzes Zittern der Erde zu vernehmen. Auf der Richterskala erreichte das sieben Sekunden lange Erdbeben, das am Mittwochmorgen um 6.28 Uhr registriert wurde, einen Wert von 2,1. "Das ist an der Grenze dessen, was wahrgenommen wird", erläutert Joachim Wassermann, Leiter der Abteilung Seismologie des geophysikalischen Observatoriums in Fürstenfeldbruck und Mitarbeiter des Erdbebendienstes Bayern. Einige Poinger berichteten allerdings auch von einem Knall, der etwa zur gleichen Zeit zu hören war.
Tatsächlich bekam der Erdbebendienst gleich mehrere Meldungen über das ungewöhnliche Ereignis: Derartige Vorkommnisse können im Internet über einen Fragebogen gemeldet werden, neun solcher Meldungen gingen am Mittwochvormittag ein, vorwiegend aus der Gemeinde Poing. Man könne davon ausgehen, dass etwa zehnmal so viele Menschen die Vibration gemerkt hätten, erläutert Wassermann. Schäden seien bei einem derart schwachen Beben aber nicht zu erwarten.
Wo genau und in welcher Tiefe das Epizentrum des Bebens lag, wird sich wohl erst nach Auswertung der Daten aller relevanter Messstationen herausstellen. "Momentan ist die Lokalisierung noch relativ ungenau", so der Fachmann vom Erdbebendienst am Mittwochnachmittag, es handle sich wohl um einen Punkt nordwestlich von Poing. Auf der Karte des Erdbebendienstes war das Beben sogar wesentlich näher an Pliening verortet, auf einem Feld zwischen dem Ortszentrum und dem Kiesabbaugebiet nahe Landsham. Die österreichische Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik hingegen, die ebenfalls Erdbebendaten sammelt, verortet das Epizentrum hingegen ziemlich genau im Zentrum von Grub.
An der Plieninger Gemeindegrenze liegt eine Anlage, die als Auslöser für das Mini-Beben theoretisch in Frage kommt: und zwar die Reinjektionsbohrung der Poinger Geothermie. Hier wird das Wasser, das am westlichen Ortsausgang Poings heiß aus der Tiefe geholt wird, nach der Nutzung abgekühlt und wieder in den Boden zurückgeleitet. Gelegentlich kommt es laut Wassermann vor, dass durch solche Anlagen kleine Erdstöße ausgelöst werden. Dies habe man beispielsweise bei der Bohrung in Unterhaching immer wieder beobachtet. Auch in Poing gab es vor dem Beben am Mittwoch bereits zwei Beben: am 21. und am 28. November. Diese waren jedoch so leicht, dass sie nicht spürbar waren.
Beim Betreiber der Geothermie, der Bayernwerk AG, hingegen sieht man keine Zusammenhänge mit dem Betrieb. "Die festgestellten Seismik-Ereignisse können in aller Regel nichts mit der Geothermie Poing zu tun haben. Die Betriebsdaten heute und an den vorherigen Tagen lagen ausnahmslos im Normbereich und lassen keine Auffälligkeiten erkennen", so ein Sprecher. Das Bayernwerk habe in Poing eine etwa drei Kilometer tiefe Bohrung, in der das ausgekühlte Thermalwasser ohne Verpresspumpen versenkt werde. "Der Auslöser für die aktuelle Seismik soll bei mindestens der doppelten Tiefe gelegenen haben", erläutert der Unternehmenssprecher. Allgemein seien Seismiken ausgelöst durch Geothermieanlagen nur dann bekannt, wenn diese sich in Erdbebenzonen wie dem Oberrheingraben befänden oder sie das Thermalwasser mit starkem Verpressdruck einleiten. Zum künftigen Nachweis werde in der Anlage derzeit eine Seismik-Messung nachgerüstet. Messungen sollen von Anfang nächsten Jahres an möglich sein.
Ganz ungewöhnlich sind Erdbeben auch in Bayern nicht, wie Wassermann erläutert. Etwa 20 Beben in einer Stärke wie am Mittwoch würden jährlich im Freistaat gemessen.