Inge Schmidt ist noch immer ganz beseelt. „Wir kommen gerade von einem Wochenende am Chiemsee zurück, da habe ich mich erst mal meiner Freude hingegeben“, erzählt die Malerin und Bildhauerin am Telefon. Grund für diese Glücksgefühle ist eine Veranstaltung: Am Freitag hat die Gemeinde Poing ihren Kulturpreis an die 13-köpfige Gruppe Kunststoff verliehen, für die Schmidt als Sprecherin agiert.
„Warum muss man, um Kunst zu genießen, immer ein Museum besuchen, in eine Galerie gehen oder Bücher und Kataloge durcharbeiten?“ Das sei die Ausgangsfrage gewesen, aus der sie und Malerin Rosemarie Hingerl vor 14 Jahren die Idee eines völlig neuen Zugangs zur Kunst in der Region entwickelt hätten. Mit einem festen Stamm von Kunstschaffenden sowie wechselnden Gästen gewährt Kunststoff seit 2013 in „Offenen Ateliers“ einmal jährlich Einblick in höchst unterschiedliche, zeitgenössische Werke.
Dabei kann man an den Veranstaltungsorten in Poing, Anzing und Markt Schwaben aber nicht nur Bilder, Skulpturen, Fotografien oder Installationen bewundern, verschiedene Kunstkonzepte studieren, etwas über die unterschiedlichen Schaffensprozesse lernen oder sich sogar selbst in Kreativität versuchen, sondern es gibt vor allem auch die Chance, mit den Personen „hinter der Kunst“ ins Gespräch zu kommen. Was, wie Schmidt betont, diesen ebenfalls neue Impulse verschaffe.
Mit dem Poinger Kulturpreis, der immer für das Vorjahr vergeben wird, will die Gemeinde jene ehren, die, wie Bürgermeister Thomas Stark in seiner Rede ausführt, „durch Werk und Wirken in der Kulturszene von Poing Akzente setzen, die von gesellschaftlicher Relevanz sind und zur kulturellen Vielfalt beitragen“. Im Fall von Kunststoff sind dies, wie es in der Laudatio heißt, „13 Künstlerpersönlichkeiten, die ... das Leben unserer Gemeinde auf besondere Weise prägen und unseren Horizont erweitern“.
Fast allerdings hätte die Gruppe ihren Hut erst gar nicht in den Ring geworfen, wie Sprecherin Schmidt verrät: „Bei der ersten Auflage des Kulturpreises vor drei Jahren hatten wir uns ebenfalls beworben. Da hat ihn – verdientermaßen! – Natalja Herdt gewonnen, die übrigens jetzt auch Mitglied bei Kunststoff ist.“ Im Folgejahr ging die Auszeichnung an Tanz- und Theaterpädagogin Juliane Sturm. Als Schmidt nun vorschlug, sich ein zweites Mal zu bewerben, gab es bei einigen Mitgliedern Vorbehalte. „Es bedurfte einiger Überzeugungskraft, sie davon abzubringen.“
Gut, dass Schmidt ihre Überredungskraft einsetzen und damit der Jury – bestehend aus Maria Hodes (VHS Poing), Vikar Andreas Eder und Pfarrer Philipp Werner (evangelische und katholische Kirchengemeinde), Neuntklässlerin Magdalena Schäck sowie Kunstfachschaftsleiterin Susanne Valtingoier (beide Dominik-Brunner-Realschule) – Gelegenheit geben konnte, den Kulturpreis 2023 an das Künstlerkollektiv zu verleihen. Damit setzte sich dieses gegen Musiker Jonas Frank (Schlagergang), Poetry-Slammer Tim Obermeier alias Heinz bzw. H1 und Roland Dittel (Konstrukteur mechanischer Holzobjekte) durch.
Die Auszeichnung sei, so betont Schmidt, für jeden einzelnen in der Gruppe eine große Motivation, die 20 Jahre im Kollektiv zu schaffen. Auch in Zukunft sei der kreative Nachwuchs herzlich eingeladen, die Atelierschau mit Gastspielen zu bereichern. Zum festen Stamm gehören Peter Böhm, Cornelia Boy, Ottilie Gaigl, Natalja Herdt, Siegfried Horst, Ulrike Pfeiffer, Stefan Pillokat, Kornelia Propstmeier, Inge Schmidt, Norbert Haberkorn, Maria Heller, Rosemarie Hingerl und Hans Mayrhofer.
Sicher wird Schmidt jenen, die am Freitag nicht dabei sein konnten, bei einem schon geplanten Treffen noch einmal ausführlich von der, wie sie sagt, „beeindruckend detailreichen“ Bürgermeister-Laudatio berichten. Außerdem werden die Mitglieder beschließen, für welches kulturelle oder soziale Projekt die 2000 Euro Preisgeld gespendet werden sollen. „Verfeiert wird es auf jeden Fall nicht.“