Kirche im Landkreis:Vom Dach aufs Gewand

Kirche im Landkreis: Die neuen liturgischen Gewänder von Seliger Pater Rupert Mayer greifen das im goldenen Schnitt kreuzförmig geteilte Quadrat der Kacheln des Kirchengebäudes auf, hier die Apostel- beziehungsweise Märtyrercasel.

Die neuen liturgischen Gewänder von Seliger Pater Rupert Mayer greifen das im goldenen Schnitt kreuzförmig geteilte Quadrat der Kacheln des Kirchengebäudes auf, hier die Apostel- beziehungsweise Märtyrercasel.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die prachtvollen neuen Paramente von Sel. Pater Rupert Mayer in Poing sind der preisgekrönten Kirchenarchitektur nachempfunden. Pfarrer Philipp Werner schätzt aber nicht nur die Optik dieser Unikate, sondern auch ihre identitätsstiftende Wirkung.

Von Michaela Pelz, Poing

Man muss nicht katholisch sein, um sich direkt beim Betreten des großzügigen Altarraums der Pfarrkirche Sel. Pater Rupert Mayer in Poing gleichzeitig beseelt und tiefenentspannt zu fühlen. So viel Luft zum Atmen, so viel Licht, so viel Konzentration auf das Wesentliche. Zu verdanken ist dies den bodentiefen Fenstern mit Blick auf den See sowie der schlichten Ausgestaltung mit Bänken in hellem Holz und Nagelfluh-Natursteinwänden in freundlichem Hellgrau.

Gerade deswegen kommen sie besonders gut zur Geltung, jene zwölf prächtigen Messgewänder - elf Caseln (oder "Kaseln") und ein Chormantel - die, auf Metallständern an den Wänden zwischen den Stationen des Kreuzwegs von Claudia Zörnweg und Sabine Christofori aufgereiht, förmlich zu leuchten scheinen. Der Grund, warum die liturgische Priesterkleidung sich noch bis zum Mittwoch vor Ostern in Form einer täglichen Ausstellung hier und nicht in einem Schrank in der Sakristei befindet: Nicht nur, wer am Gottesdienst teilnimmt, sondern alle Poinger sollen Gelegenheit haben, diese neueste Anschaffung der Pfarrei St. Michael zu bewundern.

Die Kosten - zwischen 1700 und 2300 Euro pro Stück - wurden komplett von Spendern aufgebracht

Die auch "Paramente" genannten Priestergewänder haben nämlich gleich zwei Besonderheiten: Die Kosten von zwischen 1700 und 2300 Euro pro Stück wurden komplett von Spendern aufgebracht. Und sie sind der Architektur der dafür mehrfach preisgekrönten Kirche nachempfunden. Seitdem dies bekannt wurde, finden Interessierte von nah und fern den Weg ins Münchner Umland: Sogar mit einem Besucher aus Meran und einem aus Kremsmünster in Österreich habe er unlängst gesprochen, erzählt Pfarrer Philipp Werner.

Kirche im Landkreis: Architektur trifft Modedesign: Das Kachelmuster an der Fassade der Kirche.

Architektur trifft Modedesign: Das Kachelmuster an der Fassade der Kirche.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Von so weit ist der alte Herr nicht gekommen, der bescheiden in einer der Bänke sitzt. Und doch ist es für den regelmäßigen Kirchgänger Franz Lang nicht alltäglich, sich hier aufzuhalten. Er wohne nämlich im südlichen Teil des Ortes, gleich neben St. Michael, dem ersten und bis Juni 2018 einzigen Gotteshaus der gleichnamigen Pfarrei, sagt der 80-Jährige. Dennoch war es für ihn und seine "alteingesessene Poinger Familie - wir können unseren Stammbaum bis 1650 zurückverfolgen" - selbstverständlich, sich am Kauf der Gewänder für die neue Pfarrkirche zu beteiligen. "Wir wollten ein Zeichen setzen, dass wir unsere Kirche unterstützen," sagt der ehemalige Ministrant Lang.

Kirche im Landkreis: Die Familie von Franz Lang hat die violette Fastenzeitcasel gestiftet.

Die Familie von Franz Lang hat die violette Fastenzeitcasel gestiftet.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Diese identitätsstiftende Wirkung ist es, die Pfarrer Werner vor allem begeistert: "Poing ist durch die Bahn und zuweilen auch durch die Einstellung in Nord und Süd, jung und alteingesessen, geteilt. Diese Sache hier hat aber alle zusammengeschweißt." Jeder, der wollte, habe etwas geben können - 20 Euro, 200 Euro oder, wie Familie Lang, den Preis für ein komplettes Gewand. In diesem Fall die violette Fastencasel. Der innen eingenähte Spendername fehle noch, erklärt Pfarrer Werner, bevor er mit großer Lebendigkeit schildert, wie alles begann.

Dieser schlanke Mann mit der randlosen Brille ist eine Persönlichkeit, die man wohl als Glücksfall für jede Organisation bezeichnen könnte, die mit Menschen zu tun hat - umso mehr, wenn sie so in der Kritik steht wie derzeit die katholische Kirche. Ein energiegeladener, deutlich jünger aussehender Mittvierziger mit einer herzlichen und zugewandten Art, gleichzeitig aber auch einer klaren Meinung, für die er bei Bedarf vermutlich schnörkellose Worte findet.

Kirche im Landkreis: Pfarrer Philipp Werner ist sehr stolz auf die neuen Gewänder, die Jahreskreiscasel hat er selbst gestiftet.

Pfarrer Philipp Werner ist sehr stolz auf die neuen Gewänder, die Jahreskreiscasel hat er selbst gestiftet.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Natürlich habe man auch vorher schon Messgewänder gehabt, sagt der in Ulm aufgewachsene Geistliche, der sein Amt in der Gemeinde seit Herbst 2019 ausübt. Die hätten aber "nicht wirklich zusammengepasst und auch nichts mit der Kirche zu tun gehabt". Das habe man auch Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg erzählt, der die Poinger auf den Laden von Thomas Schmitt in Köln aufmerksam machte: Der gelernte Herrenschneider und sein Kompagnon David Valles Fernández sind Experten für Priesterbekleidung, die individuell zur jeweiligen Person oder dem Einsatzort passen.

Nach einem Ausflug nach Köln 2020 wurde entschieden, dass die Textildesigner ein Angebot machen sollten, weswegen diese vor der Gestaltung der Entwürfe für eine Ortsbegehung nach Poing kamen. Danach stand fest: Die Gewänder würden sich an den 15 000 dreidimensionalen Keramikkacheln orientieren, mit denen das Dach der Pfarrkirche Sel. Pater Rupert Mayer verkleidet ist. Kreuze und Linien sollten zum Leitmotiv werden, das sich auf allen Gewändern wiederfindet - allerdings immer unterschiedlich. Mal appliziert, mal gestickt, mal als Verlaufsform quer über das gesamte Gewand.

"Ursprünglich hatten wir an vier Caseln gedacht - am Ende wurden es zwölf"

"Ursprünglich hatten wir an vier Caseln gedacht - am Ende wurden es zwölf", erzählt Werner und lacht, um sodann geduldig zu erläutern, wann welcher der prachtvollen, hauptsächlich aus Doupionseide gefertigten Überwürfe zum Einsatz kommt. Eins der roten Gewänder wird an Karfreitag sowie bei den Apostel- und Märtyrerfesten getragen, das andere an Festen des Heiligen Geistes wie Pfingsten und bei der Firmung. Hier wurde die Kachel zu einer Taube, die den Rahmen sprengt und so den Aufbruch der Kirche signalisieren soll.

Violett trägt man in der Advents- und vorösterlichen Bußzeit, grün an den Sonn- und Werktagen im Jahreskreis. Eines der beiden Paramente in dieser Farbe hat übrigens Werner selbst gestiftet. Die beiden weißen Caseln und der Fronleichnamsprozessions-Chormantel mit seiner vergoldeten Messingschließe sind schwerer, weil zusätzlich Shantungseide verwendet wurde. Weiß trägt man bei allen hohen Festen, rosa an Gaudete und Laetare. Nicht viele Gemeinden verfügten über eigene Paramente für den dritten Advents- sowie den vierten Fastensonntag, so Werner.

Kirche im Landkreis: Der Chormantel ist mit einer aufwändigen Schließe verziert.

Der Chormantel ist mit einer aufwändigen Schließe verziert.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schwarz ist die Requiemscasel. "Sie ist innen weiß, um zu zeigen, dass Trauer nicht das Ende bedeutet", bemerkt der Priester, um schließlich auf die Mariencasel hinzuweisen - eine echte Besonderheit. Die Spenderin, eine Dame aus München, habe sich auf diese Weise für ihre Genesung von einer schweren Krebserkrankung bedanken wollen, erfolgt nach dem Gebet zum Jesuitenpater Rupert Mayer. Äußerlich weiß, schimmert das Oberteil aufgrund seines Innenfutters bläulich. "Das aber ist normalerweise keine liturgische Farbe." Im Mittelalter habe Blau zwar in der Malerei als besonders kostbar gegolten, weil man dafür zerriebenen Lapislazuli benötigte. Beim Färben von Kleidung wiederum nutzte man das äußerst gewöhnliche und billige Indigo, weswegen es nicht im Kirchenkontext verwendet wurde. Auch auf ein weiteres Detail des Mariengewands macht Werner aufmerksam: Das auf der Vorderseite in hellblau hervorgehobene "M" und das goldgelbe "A" auf der Rückseite stehen für "Ave Maria" und haben ihren Ursprung ebenfalls in der als Inspiration dienenden Dachkachel.

"Es geht nicht darum, den Pfarrer Werner zu verzieren, ich bin ja kein Christbaum!"

Mag sein, dass vielen Gemeindegliedern diese Feinheiten bislang nicht bekannt waren, ihre Reaktionen seien aber in jedem Fall bisher sehr positiv, sagt Werner. Auch er selbst freue sich jedes Mal von Herzen, wenn er sein neues "Pfarrergwand" anlegen dürfe. In diesem Fall bleibt der jeweilige Metallhalter während der Messe leer. Und doch ist dem Geistlichen folgende Feststellung wichtig: "Es geht nicht darum, den Pfarrer Werner zu verzieren, ich bin ja kein Christbaum! Vielmehr ist es ein Zeichen: Hier geht es um Christus!" Denn nur der Priester und der Kelch, der mit einem zur Casel passenden Velum verhüllt wird, seien farbig.

Kirche im Landkreis: Die Weiße Casel ist für Festtagse wie Ostern oder Weihnachten.

Die Weiße Casel ist für Festtagse wie Ostern oder Weihnachten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Keine Frage, dieser Philipp Werner vermag es, Menschen mitzureißen. Seit Beginn der Pandemie hat er sich schon mit mehr als 130 Videoclips an die 6000 Katholiken seiner Gemeinde gewandt, von denen sich mehr als 250 regelmäßig ehrenamtlich engagieren. Nicht nur als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr ist er immer zur Stelle, wenn es irgendwo "brennt", er hat auch ein offenes Ohr für seine vielen jungen Mitarbeiter und ihre frischen Ideen.

Man muss nicht katholisch sein, um das großartig zu finden und gespannt zu sein, wie es mit dieser Gemeinde weitergeht, die es schafft, in jeder Hinsicht Akzente zu setzen.

Pfarrkirche Sel. Pater Rupert Mayer in Poing: Paramente-Ausstellung bis 13. April, zu sehen täglich von 14 bis 18.30 Uhr, Gebrüder-Asam-Straße 2a.

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