Spätestens seit ChatGPT in unseren Alltag gefunden hat, fragen sich wohl viele, wie der Einfluss von künstlicher Intelligenz (KI) unser Leben in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verändern wird. Wird mein Beruf von einem Computer übernommen? Wird sich gar der ganze Arbeitsmarkt so verändern, dass ich meinen Beruf nicht mehr wieder erkenne? Wen diese Fragen in den letzten Monaten um den Schlaf gebracht haben, der sollte hier besser nicht weiterlesen.
Denn in dem Forschungsbeitrag von Malte Rauschenbach aus Poing mischt KI nicht nur in zukünftigen Entwicklungen mit, sondern greift nach der Vergangenheit. Können wir die Idole unserer Geschichte durch digitale Avatare ersetzen? In etwa das, versucht der Schüler vom Gymnasium Markt Schwaben in seinem Projekt für "Jugend forscht" umzusetzen. Seine Idee: eine KI programmieren, die das Lebenswerk des klassischen Komponisten Johann Sebastian Bach fortsetzt und eigene Musikstücke erschafft.
"Ich spiele selber Klavier und Orgel", erzählt der 13-Jährige. "Häufig kann ich mich dabei besser konzentrieren, wenn ich an andere Sachen denke. Zum Beispiel an meine Projekte aus der 'Jugend forscht'-AG in der Schule." Und dann kam ihm die Idee: "Es wäre doch cool, wenn ich meine eigene KI programmieren könnte. Am besten noch eine, die Musik macht".
Digitale Kompetenzen werden in Markt Schwaben früh gefördert
Um seinen Einfall zu verwirklichen, schreibt Malte ein Programm, das mit Musikstücken von Bach trainiert und anschließend eigene Vorschläge ausspuckt. Die Ergebnisse sollen so klingen, als hätte der barocke Musiker sie persönlich geschrieben. Auf Aufnahmen im Internet kann man nachhören, wie der Computer-Bach klingt. In zehn- bis 20-sekündigen Audiodateien erklingen schnelle Tonabfolgen aus einer digitalen Orgel. Und tatsächlich klingt das gar nicht so futuristisch, wie es sich anhört - beim Hören der Musik muss man gleich an gelockte Perücken und Kronleuchter denken.
"Das Programmieren habe ich mir größtenteils selber beigebracht", erzählt der 13-Jährige. Aufbauen konnte er dabei auf den Grundlagen des speziellen Informatik-Unterrichts am Gymnasium in Markt Schwaben. Hier sollen Schüler digitale Kompetenzen erlernen, um auf die technischen Entwicklungen von morgen vorbereitet zu sein.
Und die Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz ist sicher ein wichtiges Zukunftsthema. Wer dachte, dass sich damit bloß Texte für die Hausaufgaben schreiben lassen, hat wohl lange nicht mehr ins Internet geschaut. Längst lassen sich auch Video- und Tondateien täuschend echt aus dem Nichts erschaffen. Und das alles ist mehr als nur Spielerei. Es verändert zum Beispiel auch die Art, wie Musik erschaffen wird. Man erinnere sich zum Beispiel daran, wie die Beatles im vergangenen Jahr - gut 50 Jahre nach ihrer Bandauflösung - mithilfe einer KI-Anwendung zu neuem Leben erwachen konnten. Das neu veröffentlichte Lied "Now and Then" wäre ohne KI-Hilfe nicht möglich gewesen.
Bereits zum fünften Mal nimmt der 13-Jährige an dem Wettbewerb teil
Und auch Malte beschäftigt sich schon länger mit KI und programmieren. Sein diesjähriges Projekt ist bereits der fünfte Beitrag, mit dem der Poinger an dem Wettbewerb teilnimmt. In den vergangenen Jahren hat er einen Empfänger gebaut, dem man per Bluetooth Informationen zusenden kann und ein Messgerät, um die Feuchtigkeit und den CO₂-Gehalt in der Luft zu messen.
Nicht nur sein Erfindergeist, sondern auch die Förderung des Gymnasiums Markt Schwaben, waren hierfür ausschlaggebend. In einem Wahlfach "Jugend forscht" werden die Jugendlichen dazu angeregt, sich eigene Projekte auszudenken und sich früh an das selbständige Entwickeln von Ideen zu machen. "Denn am Ende müssen wir uns selber bei dem Wettbewerb anmelden", erklärt Malte.
Bildung im Landkreis:Videos schneiden, Roboter programmieren, Ordner anlegen
Der Landkreis Ebersberg wird als "Digitale Bildungsregion" ausgezeichnet. Bei einer Feierstunde in Poing stellen Schulen vor, wie sie konkret versuchen, mit der Zukunft Schritt zu halten.
In diesem Jahr sind Maltes Bemühungen von Erfolg gekrönt. Mit seinem Projekt "KI als Musiker" stand er im April im Landesfinale von "Schüler experimentieren" - dem Juniorwettbewerb für unter 15-Jährige von "Jugend forscht". An der Universität Regensburg traten die Gewinner der bayerischen Regionalwettbewerbe gegeneinander an. Für Malte gab es den ersten Preis in der Kategorie "Mathematik und Informatik". Kultusministerin Anna Stolz gratuliert aus der Ferne: "Die Kreativität und der Innovationsgeist unserer ambitionierten Nachwuchsforscherinnen und -forscher sind bemerkenswert, sie geben den Naturwissenschaften ganz neue Impulse".
Mit seinem Beitrag konnte Malte sich gegen 847 Teilnehmende des Landeswettbewerbs durchsetzen und einen der zwölf Preise erhalten. Nach der Verkündung der Ergebnisse steht Malte stolz mit seiner Urkunde vor einer Pressewand und lässt sich ablichten. Dass er so weit kommt, hat der 13-Jährige nicht kommen sehen. Als er mit den anderen Bewerbern auf der Bühne steht und auf das Urteil wartet, ist er noch unsicher. "Es gab noch ein anderes gutes Projekt. Ich dachte eigentlich nicht, dass ich gewinne", erzählt er. Nach der Anspannung ist die Freude danach dafür umso größer.
Doch warum eigentlich ausgerechnet Bach? "Die Idee kam mir einfach, weil ich selber Bach spiele. Ich wollte mich auf noch eine andere Weise mit der Musik beschäftigen. Und da habe ich mich gefragt, wie eine KI diese Musik spielen würde", erklärt Malte.
Und so schwindet die Unterscheidbarkeit der wirklichen und der digital konstruierten Welt ein Stück weiter. Doch, nicht alles über die Zukunft ist ungewiss: Malte will weiter forschen, erzählt er. "Ich möchte gerne so langes es geht bei jedem 'Jugend forscht'-Wettbewerb mitmachen." Und auch nach der Schule möchte er sich weiter mit dem Programmieren und mit künstlicher Intelligenz beschäftigen. "Mal schauen, was es dann noch für Unternehmen gibt", scherzt er.
Hörproben von Malte Rauschenbachs programmierten Bach findet man unter https://malte.rauschenbach.net/jufo2024/download/music/ .