Süddeutsche Zeitung

Poing:Integration gelebt, statt gelehrt

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Schüler der Anni-Pickert-Schule in Poing haben jugendliche Flüchtlinge für einige Tage bei sich aufgenommen. Trotz sprachlicher Verständigungsprobleme hatten alle eine tolle Zeit und konnten viel voneinander lernen

Von Max Nahrhaft , Poing

Der 12-jährige Fin Pauly steht auf dem Podium in der Aula der Anni-Pickert-Grund- und Mittelschule in Poing. Er spricht vor all seinen Mitschülern aus, was viele denken: "Ich habe noch nie etwas schlechtes über Asylbewerber gedacht. Die mussten aus ihrem Land fliehen, weil dort Krieg herrscht." Das Publikum vor ihm applaudiert und ist beeindruckt von seinen Worten anlässlich der Präsentation des Schulprojekts "Schönes Wochenende". Dafür haben Fin und drei Mitschüler ein Wochenende mit Flüchtlingen aus Markt Schwaben verbracht und die Möglichkeit genutzt, voneinander zu lernen.

Dieses Pilot-Projekt hat Adriana Simelka, die Jugendsozialarbeiterin der Gemeinde, ins Leben gerufen. Nun wurde es in Form einer Foto-Reportage den Poinger Schülern, der Schulleitung und dem Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) vorgeführt. "Ziel der Aktion war es, den interkulturellen Austausch zwischen den Jugendlichen aus Deutschland und den gleichaltrigen Flüchtlingen zu fördern. Außerdem sollten Vorurteile abgebaut werden", so Simelka. Und das hat, gemessen an der Reaktion der Teilnehmer, hervorragend funktioniert. Und auch die versammelten Gäste waren begeistert von den Erzählungen der Jugendlichen:

Lisa Huber verbrachte ein Wochenende mit Mouaz Hamwi. Da der Flüchtling aus dem syrischen Damaskus ein großer Fußballfan ist, besuchten die beiden gemeinsam die Allianz Arena in München. Auf diesem Ausflug haben sie sich so gut verstanden, dass sie weiterhin in Kontakt bleiben werden. "Die Zeit war sehr schön. Ich bin glücklich in Deutschland zu sein, aber... Ohne aber", sagt Mouaz. Auch Cheyenne Löffler hat mit ihrem Partner aus Syrien Zeit in München verbracht. Trotz anfänglicher Skepsis konnte sie die Vorbehalte der eigenen Familie als unbegründet zurückweisen. Gleich zwei Flüchtlinge hat die Schülerin Annabelle Heinisch bei sich aufgenommen: den Syrer Abdullah Gunaim und den Pakistani Alisajjad Bhatti. "In diesen Tagen habe ich gelernt, dass es nicht immer einfach ist für die Flüchtlinge - sie wurden durch ihre Fluchterlebnisse stark geprägt", resümiert Annabelle. Da es noch viele Verständigungsprobleme gab, haben sich die Jugendlichen vor allem mit Händen und Füßen unterhalten. Trotz der fehlenden sprachlichen Basis hätten sie aber viel Spaß miteinander gehabt.

"Als ich Fin fragte, ob er bei einem solchem Projekt mitmachen würde, hat er direkt einen Luftsprung gemacht", erzählt Simelka. Sie ist stolz auf den Sechstklässler. Auch er hatte während des Schulprojekts eine tolle Zeit. Gemeinsam war er mit seinem Besuch beim Bowling und Minigolfen; außerdem haben die beiden Fußball gespielt. Obwohl auch zwischen ihm und Ahmed Hamwi Schwierigkeiten bei der Kommunaktion auftraten, könne der 12-Jährige so eine Erfahrung nur weiterempfehlen.

Genau diesen Effekt wollte Simelka erzielen. Es sei nämlich besonders wichtig, fremde Menschen persönlich kennen zu lernen, bevor man über sie urteilt. Simelka sagt: "Alle Teilnehmer haben großen Mut und Engagement bewiesen. Jeder sollte sich einmal selbst die Frage stellen, ob er dasselbe tun könnte." Auch Bürgermeister Hingerl ist stolz auf die jungen Poinger Mitbürger, da sie echte Integration leben: "Während die große Politik vieles formulieren muss, handeln die Schüler aus ihrem Herzen."

Wenn es nach Simelka und der Schulleiterin Luitgard Stephan-Wagenhäuser geht, soll die einmalige Initiative auch den Weg in andere Schulen im Landkreis und der Region finden. Ein Vorbild für aktive Integration darf sich nicht nur auf Poing beschränken.

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SZ vom 16.06.2016
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