Poing: Historischer Festumzug:1150 Jahre auf 1500 Metern

Kreative Chronologie: Hunderte Darsteller lassen mit einem Festumzug die Geschichte von Poing Revue passieren.

Lena Grundhuber

Claudia und Maria sind traurig, dabei sind sie doch so hübsch anzusehen. "Wir wären das Jahr 1870 gewesen", sagt Claudia Junker vom Markt Schwabener Faschingsverein Falkonia. Doch dann habe ihre "Lok", die im historischen Festumzug die erste Eisenbahn nach Poing repräsentieren sollte, Probleme gemacht. Nun müssen die beiden Frauen eben vom Straßenrand aus gut aussehen. Ihre Kostüme haben sie nämlich angezogen: Claudia trägt Krinoline, Sonnenschirm und ein Haarteil für die biedermeierlichen Korkenzieherlocken. Maria hat sich eine prächtige Tournüre genäht, also das, was um 1870 dazu diente, den - Pardon - Hintern zu betonen. Nur die Mieder haben sich die Frauen gespart, man muss ja nicht jeden Unsinn nachmachen.

Poing: Historischer Festumzug: Kleine Schilder zeigen an, in welcher Epoche Poings der historische Umzug zum 1150-jährigen Bestehen Poings gerade angekommen ist. Man hätte es auch ohne Hinweise erkennen können - dank der fantasievollen Kostüme der 720 Bürger, die an dem Zug beteiligt waren.

Kleine Schilder zeigen an, in welcher Epoche Poings der historische Umzug zum 1150-jährigen Bestehen Poings gerade angekommen ist. Man hätte es auch ohne Hinweise erkennen können - dank der fantasievollen Kostüme der 720 Bürger, die an dem Zug beteiligt waren.

(Foto: Christian Endt)

Die beiden sind nicht die einzigen, die den historischen Umzug - einem Höhepunkt der mehrtägigen Feiern zum 1150 -jährigen Bestehen Poings - am Sonntag zur modischen Selbstverwirklichung genutzt haben; man sieht auch kleine Piraten am Wegesrand. Polizei und Feuerwehr sind dafür eindeutig echt, und mit ihren 48 Feuerwehrleuten und 15 Polizisten auf das "perfekte Chaos" vorbereitet, wie Feuerwehr-Kommandant Robert Gaipl sagt. Passiert sei noch nichts, und von Chaos ist am frühen Nachmittag auch nirgends etwas zu sehen. Nur eine Menge gut gelaunter Schaulustiger, die geduldig warten, bis der laut Gaipl 1,5 Kilometer lange Zug mit 720 Poingern aus den Vereinen, Schulen, Organisationen und Parteien auf seinem Weg durch den Ort auch an ihnen vorbeikommt.

Egal wo man steht, lang dauert es nicht, bis das blasmusikalisch sekundierte Gerumpel aus der Ferne hörbar ist. Den Anfang dieser "Zeitreise durch die Geschichte Poings", wie es das Schild vorneweg anzeigt, macht natürlich Bürgermeister Albert Hingerl in seiner Droschke, zwei Gefährte weiter sieht man eine ebenfalls historisch bemäntelte CSU-Landtagsabgeordnete Christa Stewens, wohnhaft im Poinger Ortsteil Angelbrechting.

Der Rest ist kreative Chronologie: Grundschulkinder tapsen als niedliche Steinzeit-Menschlein einher. Gefolgt von Kelten und Römern, die offenbar nicht wesentlich größer waren - doch halt, dahinter schreiten schon die erwachsenen Legionäre mit ihren buschigen Helmen. Der Spielmannszug Ebersberg leitet das Mittelalter ein, das Fußvolk voran, Adel und Klerus winken vom Wagen.

Das 19. Jahrhundert hat seine ABC-Schützen dabei, sofern man das Täfelchen in alter Schrift recht entziffert, das Ensemble accordeonissimo spielt sich zurück in die goldenen Zwanziger, bis ... "Oh, jetzt kommt der Krieg", hört man es aus der Zuschauermenge raunen. Nein, den hat man ausgelassen, es marschieren schon die Amerikaner ein - das heißt, sie fahren auf Jeeps und verteilen Chewing Gums an die Kinder.

Nach erschöpften Flüchtlingen folgt das Wirtschaftswunder in Petticoat und Pünktchen, ein Oldtimer-Corso sowie die Abteilung "Bayerische Lebensfreude" mit Heuwagen, Goaßlschnoizern und, ja wirklich, einem kleinen Wolpertinger. Gegen Ende wird der Bogen zu den Anliegen der Gegenwart geschlagen - beziehungsweise die im Ort so sehnlich gewünschte "Unterführung, die Poing Nord und Süd verbindet".

Auch Claudia Junker scheint ein paar Jahrzehnte weiter gekommen zu sein: Die Dame unterm Sonnenschirm kaut gemütlich Kaugummi - so hat sich das hübsche Kostüm wohl doch noch gelohnt.

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