Poing:Endlich etwas Ruhe

Traglufthalle Grub

Die Gruber Traglufthalle im Dezembergrau. Von den Weihnachtsfeierlichkeiten war in der Halle nichts zu spüren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Gruber Traglufthalle ist ein Ort, an dem die Tage immer gleich ablaufen. Doch seit dem Beginn der Adventszeit geht es dort friedlicher zu. Wie kann das sein?

Von Korbinian Eisenberger, Poing

An Weihnachten war der Einzug in die Gruber Halle acht Wochen her, 56 Tage, in denen man mehr als zwei Adventskalender hätte leerräumen können. Adventskalender? Ephraim Sagre, 25, weiß gar nicht was das ist. Wo er herkommt, zählen sie die Monate anders, Jesu Geburt wird in Eritrea erst im Januar gefeiert, und überhaupt, sagt er, sei ihm nach Feiern gerade gar nicht zumute. Beim Feiern wird getrunken, und wenn Alkohol im Spiel ist, dann geht in der Halle schon mal ein Tisch zu Bruch, oder eine Rippe.

Die Traglufthalle liegt in einem Waldstück etwas außerhalb der Gemeinde, Ortsteil Grub - an diesem Morgen ist sie von dichtem Nebel eingehüllt. Hier, mitten in Oberbayern, leben seit Anfang November knapp 200 Flüchtlinge unter einem Dach aus Luftkissen. Draußen rattert ein Strom-Generator, drinnen empfangen einen zehn Securitymitarbeiter in schwarzen Anzügen.

Die Halle fängt hinter einer Drehtür aus Blech an, gedämpftes Licht, bei Tag und bei Nacht, drinnen ist es immer gleich hell. Wände und Decke sind in einem Grauton gehalten, der Boden sauber gefegt, die Stimmen gedämpft, nur das leise Rattern der Kehrmaschine dröhnt durch den Raum. Dass draußen Tag ist, erkennt man drinnen, wenn jemand an den Biertischgarnituren sitzt oder sich etwas an der Essensausgabe abholt. Dass die Sonne weg ist, erkennt man, wenn Mitbewohner grölend aus der Stadt heimkommen.

Mohamad Alkadri schmiert gerade Joghurtsoße auf Pfannkuchen-Fladen, er sitzt beim Frühstück, 11 Uhr, der 26-Jährige hat eine längere Nachtschicht hinter sich. Dass die Vorhalle nicht geschmückt ist, kein Baum, kein Tannenzweig, kein Kranz, ist für ihn nicht ungewöhnlich, Alkadri kommt aus Syrien, "als Muslime haben wir Weihnachten nie gefeiert", sagt er. Schwierig sei für ihn dass die Halle auch sonst immer so eintönig ist, "wenn man länger drin ist, dann fühlt es sich an wie in einem zeitlosen Raum", sagt Alkadri.

In der Halle gab es an Weihnachten kein besonderes Essen

Weihnachten in der Senator-Gerauer-Straße 12 besteht aus neun Papiersternen, die sich die Security-Mitarbeiter an den Container gepappt haben. Vor einer Woche haben sie einen Baum mit elektrischen Lichterketten im Eck aufgestellt und mit einigen Bewohnern Lieder gesungen, ein Hauch von Adventlichkeit. Seit diesem Abend sieht der Hallenvorraum wieder genau so aus wie sonst auch, wenn draußen nicht Weihnachten ist.

"Für viele bedeutet Weihnachten nichts", erklärt ein Sprecher des Landratsamts, "wir kriegen ja auch fast nichts von den muslimischen Feiertagen mit". An Weihnachten gab es kein spezielles Essen, Gemüse, Salat, Eier, Fleisch und Käse, die Variationen beim Essen werden eingehalten, so wie immer. Gans? Wild? Adventsdeko? Lieber nicht, möglicherweise könne ein Christbaum sogar Konflikte auslösen, heißt es vom Landratsamt.

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Kleinigkeit in einer Schlägerei ausartet. Unter den Bewohnern krachte es immer wieder, das ist seit längerem bekannt, eine Erhebung bis Ende November ergab, dass die Polizei in keiner anderen Flüchtlingsunterkunft in der Region so viel Arbeit hat wie in dieser, daran änderte nach einem Brandschaden auch der Umzug aus der nahegelegenen Plieninger Halle nach Grub nichts. Seit Anfang Dezember hat sich die Lage jedoch beruhigt, in der Adventszeit hat die Poinger Polizei auffällig wenige Einsätze gemeldet, besonders keine größeren.

In der Gruber Traglufthalle gab es seit dem Einzug 16 Einsätze im November, darunter ein Großaufgebot bei einer Schlägerei. Im Dezember musste die Polizei nur noch fünfmal ausrücken, "die Einsätze haben abgenommen", sagt Poings Polizeichef Helmut Hintereder. Auch an den Weihnachtsfeiertagen ist es ruhig geblieben in der Halle. Vielleicht hatte der Advent ja doch seine besinnliche Wirkung aufs Hallenklima?

Nur noch fünf Polizeieinsätze seit Anfang Dezember

Vielleicht aber auch nicht. Hayder Abdulaema sitzt vor einem Teller mit gekochten Eiern, Tomaten und Zwiebeln, dazu Orangensaft, eine junge Frau gibt das Essen hinter einer Theke aus. Der 22-Jährige stammt aus dem Irak, er erzählt von seinem Studium in Bagdad und von seinem Praktikum bei einer Programmierer-Firma in München. Dass die Polizei nicht mehr sooft anrücken muss? Abdulaema vermutet ganz andere Gründe. Er glaubt, dass es besser wurde, weil einige Bewohner ausquartiert wurden, "ihre Zimmer sind leer", sagt er.

Eine mögliche Erklärung für den Rückgang liefert der Poinger Polizeichef Hintereder. Nicht die stade Zeit ist für ihn der Grund für den Rückgang der Probleme in der Halle. Seiner Ansicht nach liegt es daran, dass mehrere Bewohner in Kliniken eingewiesen wurden, darunter drei "wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufgrund psychischer Erkrankung.

"Häufig fallen immer wieder die gleichen Zuwanderer polizeilich auf", so Hintereder, sehr oft spiele übermäßiger Alkoholgenuss hierfür eine Rolle. Große Probleme habe es mit einem 18-Jährigen gegeben, der letztlich ins Bezirkskrankenhaus eingewiesen wurde. Das Landratsamt teilt mit, dass zudem "vereinzelt schon Bewohner aus der Halle ausziehen", abhängig von freien Kapazitäten in anderen Unterkünften.

Mittagsstunde, Mohamad Alkadri hat alle Pfannkuchen verspeist, die Joghurtsoße ist nicht so gut gewürzt wie in Syrien, sagt er - eine nicht ganz ernst gemeinte Kritik, er sei froh, in Bayern zu sein. Alkadri ist mittlerweile anerkannt, hat Arbeit gefunden, in die Halle kommt er nur noch zum Schlafen und Essen. Für eine Liefer-Firma räumt er in Aschheim Pakete vom Lager in Lastwagen. Vor Heilighabend waren es besonders viele Pakete, mehr Arbeit, aber auch mehr Lohn, so ist das in diesen Tagen. Wenn man aus der Drehtür raus ist, dann kommt man auch als Muslim nicht ganz am Weihnachtstrubel vorbei.

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