"Egal, was du machst, es ist gleich Hass da." - "Debatten werden emotional, als würde jemandem etwas weggenommen werden." - "Ich bin auch schon persönlich bedroht worden." Alle diese Aussagen stammen von Frauen, die sich für den Landkreis Ebersberg politisch betätigen. Sexistische Beschimpfungen, Androhungen, verbale Entgleisungen gehören zu ihren alltäglichen Erfahrungen im Internet - vor allem in den sozialen Netzwerken wird der Umgangston immer rüder.
"Das Schubladen-Denken im Netz ist krass", sagt Lakhena Leng, Dritte Bürgermeisterin in Ebersberg und Mitglied der Grünen. "Viele werden ausfällig und greifen zu Aussagen wie: Bist du dumm." Sobald die Sachebene verlassen sei, gebe es keine Möglichkeit der Kommunikation mehr. "Sobald so starke Emotionen mit im Spiel sind, hört der Rest auf", kommentiert die Politikerin das. Die Pöbler scheuen nicht vor gegensätzlichen Zuschreibungen. Als Leng etwa twitterte, sie habe kein Problem, dass ihre Kinder Masken tragen, wurde sie als schlechte Mutter beschimpft. Als sie sich wenig später für eine höhere Priorität für Kinder in der Corona-Debatte aussprach, hieß es, sie sei eine Querdenkerin.
Besonders, wenn es um Feminismus geht, etwa das Gendern, gehen Kritiker - hauptsächlich Männer - auf die Barrikaden. Auch vor dem Bürgerentscheid zur Windkraft im Ebersberger Forst hätten viele zu einem harten Ton gegriffen. "Ich bitte dann, wertschätzend zu bleiben", so Leng. Meist komme dies positiv an, und tatsächlich würde dann oft ein anderer Ton angenommen. Erschütternd findet Lakhena Leng, dass Beleidigungen nicht nur etwa auf Facebook stattfinden, sondern auch in Berufs-Netzwerken wie Linked-In. "Obwohl das geschriebene Wort normalerweise dazu verleitet, mehr darüber nachzudenken, tun das viele nicht", so Leng.
Mehr oder weniger regelmäßig bekommt die SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher sexistische Nachrichten über die sogenannten sozialen Medien. Dazu zählen Anzüglichkeiten, nicht selten begleitet von Fotos von nackten Männeroberkörpern. "Hallo Geliebte, was machst du heute?" oder "Du bist die zarteste Versuchung" zählen zu den harmloseren Kommentaren. "Ich lasse das unkommentiert oder lösche es", so Rauscher. Zwar werte sie diese Nachrichten nicht als persönliche Angriffe, jedoch empfinde sie es als sehr unangenehm. Auch politische Inhalte würden in den Netzwerken oft in einem Ton kommuniziert, der einen Dialog schwierig macht. "Manchmal geht es den Leuten nicht um konstruktiven Austausche", sagt Rauscher. "Sie wollen einem das Wort im Mund verdrehen." Sie habe die Haltung entwickelt, die Leute wieder einzufangen und auf eine Ebene zurückzubringen, auf der man respektvoll miteinander reden kann. Manchmal müsse man Kommentare aber auch einfach stehen lassen.
Christa Stewens, die als erste Frau den CSU-Fraktionsvorsitz im bayerischen Landtag innehatte, erzählt: "Als ich einmal als Umweltstaatssekretärin das höchste Windrad in Bayern bei Ingolstadt eingeweiht habe, wurde ich von Windkraftgegner sehr stark beschimpft. Polizeischutz war damals für mich nichts Ungewöhnliches." Auch bestätigt sie, dass sich in den sozialen Netzwerken in den vergangenen Jahren ein sehr rauer, oft auch sexistischer Ton eingeschlichen habe. "Daher schreibe ich nur mehr sehr selten auf Facebook und Co.", sagt Stewens.
Von persönlichen Androhungen berichtet auch Waltraud Gruber, Grünen-Kreisrätin in Ebersberg: "Mir ist schon mal telefonisch angedroht worden, ich solle mich an einem Ort nicht mehr blicken lassen. Wir wissen schon, was wir dann mit Ihnen machen, hieß es."
Die Anfeindungen und Hasskampagnen vor allem im Netz hätten in letzter Zeit erheblich zugenommen, so Gruber. "Ich bin seit 37 Jahren als Kommunalpolitikerin tätig. Schon früher kam es vor, dass Frauen geringschätzig behandelt und zum Beispiel als Mädel bezeichnet wurden", sagt sie. "Aber in dem Ausmaß hat es das noch nicht gegeben. Die sozialen Medien wirkten da wie ein Verstärker." Auch aus Selbstschutz habe sie sich daher aus den Netzwerken verabschiedet.
"Sexistische und jugendfeindliche Kommentare online sind an der Tagesordnung", erzählt Magdalena Wagner, SPD-Bundestagskandidatin für Ebersberg-Erding. "Ich sei zu jung und solle erst mal arbeiten, junge Frauen müssten vor allem gut aussehen oder ich würde nur wegen meines Aussehens gewählt." Es tue gut, wenn dann andere Menschen diesen Aussagen Positives entgegensetzen - was zum Glück eigentlich immer passiere. Als besonders unangenehm empfand sie den Kommentar eines jungen Mannes, der ihr riet, die Augenbrauen zu zupfen. Wagner antwortete ihm, er solle nicht ungefragt Beauty-Tipps verschicken, was diesen ziemlich erboste.
Hass beschränkt sich nicht aufs Netz, das zeigt das Beispiel einer Kommunalpolitikerin, die namentlich nicht genannt werden will. Sie berichtet, dass im Oktober 2020 für jeden sichtbar ein Text an ihren privaten Briefkasten geklebt wurde. "In den USA und anderen Ländern hätte man Frau Merkel und ihre Gesinnungsgenossinnen vermutlich wegen Hochverrats hingerichtet", heißt es unter anderem in dem Schreiben, in dem Zitate von Grünen- und SPD-Politikern in falsche Zusammenhänge gestellt werden.
Ja, es gab sexistische Kommentare, sowohl die eines Querdenkers im Zuge des Bürgerbegehrens als auch während der Flüchtlingskrise, sagt Angelika Obermayr von den Grünen, ehemals Bürgermeisterin von Grafing: "Die Inhalte mag ich nicht wiederholen. Die Kommentare habe ich gelöscht und die Kommentierenden gesperrt." Facebook werde zwar von vielen durchaus zum sachlichen Austausch von Standpunkten genutzt. Aber die Diskussionen würden vermehrt von Menschen gekapert, Pöblern oder auch Fake-Accounts, die jede Diskussion abgleiten ließen. "Es gibt Stichworte, zum Beispiel Grün, Windenergie oder auch E-Auto, da wird, wenn überhaupt, nur noch mit längst widerlegten Uralt-Argumenten oder Fakes um sich geschlagen", so Obermayr.