Ausgrabungen in Pliening:Schlüssel zur Vergangenheit

Ausgrabungen in Pliening: Ein Luftbild der Grabungsstelle in Pliening an der Geltinger Straße zeigt die Spuren von Brunnen, Häusern und ganz rechts der kreisrunden Hügelgräber aus dem ersten nachchristlichen Jahrtausend.

Ein Luftbild der Grabungsstelle in Pliening an der Geltinger Straße zeigt die Spuren von Brunnen, Häusern und ganz rechts der kreisrunden Hügelgräber aus dem ersten nachchristlichen Jahrtausend.

(Foto: X-Cavate Archeology/oh)

Wo die neue Seniorenwohnanlage in Pliening entstehen soll, haben sich Archäologen erst einmal tief ins Erdreich gegraben. Die Funde belegen erneut die lange Siedlungsgeschichte des Ortes.

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Im Südosten des Grundstücks, dort wo heute sich heute die Geltinger und die Poinger Straße kreuzen, da waren sie begraben. Vorfahren der heutigen Plieninger, recht frühe Vorfahren, genauer gesagt. Etwa im 6. Jahrhundert wurden sie wohl an dieser Stelle bestattet, und die beiden Grabhügel müssen riesig gewesen sein - was auf einen hohen sozialen Status der Bestatteten verweist. Man kann die Spuren der Grabstellen als dunkle Färbung auf einem Luftbild erkennen, das der Archäologe Mario Hölzl mit einer Drohne aufgenommen hat. Und darauf ist eines recht deutlich zu sehen: Gleich neben den Gräbern wollte wohl keiner wohnen. Das zumindest legt die Anordnung der Funde nahe, die Hölzl und seine Mitarbeiter auf dem sogenannten Müllergrundstück neben der alten Plieninger Kirche gemacht haben.

Sieben Monate lang hat das Team der Firma X-Cavate-Archeology um Ursula Scharafin-Hölzl und Mario Hölzl auf der Fläche in der Ortsmitte gegraben, hat Knochen freigelegt und einfache Werkzeuge, Spuren von Häusern und Lehmbrocken aus ganz unterschiedlichen Zeiten, ist schlimmen Schicksalen auf die Spur gekommen und in die Überreste von Brunnen hinabgetaucht - "eine recht schlammige Angelegenheit", wie Scharafin-Hölzl erzählt. Etliche Brunnen waren es, die ausgegraben wurden, und die Experten davon überzeugten, dass diese Fläche über viele Jahrhunderte hinweg immer wieder neu und von verschiedensten Volksgruppen besiedelt worden war. Einst floss hier der Viertelbach, der den Menschen im Laufe der Jahrhundert immer wieder den unmittelbaren Zugang zum Wasser versprach und sie veranlasste, genau hier ihre Häuser zu bauen.

Ausgrabungen in Pliening: Ursula Scharafin-Hölzl und Mario Hölzl haben die antiken Siedlungsreste in Pliening untersucht.

Ursula Scharafin-Hölzl und Mario Hölzl haben die antiken Siedlungsreste in Pliening untersucht.

(Foto: Christian Endt)

So müssen sich in der Karolingerzeit des frühen Mittelalters wohl einige Siedler zusammen getan haben, um einen richtig tiefen Brunnen zu graben, was Rückschlüsse auf die Größe der Siedlung zu jener Zeit zulässt. 4,50 Meter ging es in die Tiefe, so eine Anstrengung habe sicher nicht einer allein für ein Haus unternommen, mutmaßt Scharafin-Hölzl. Weil Wasser die Strukturen überspült hatte, wühlten die Experten so richtig im Dreck. In der Tiefe eines weiteren Brunnens fanden die Fachleute zu ihrer Verzückung drei große Schlüssel. "So etwas ist ganz selten," so die Historikerin. Metall, in vorindustrieller Zeit teuer und wertvoll, wurde normalerweise nicht weggeworfen, sondern immer wieder eingeschmolzen und neu verwendet. Wenn einem ein paar Schlüssel verloren gingen, konnte man früher ja nicht einfach zum nächsten Schlüsseldienst gehen und sie nachmachen lassen. Dass der Fund also Jahrhunderte überdauerte, könne nur darauf zurückzuführen sein, dass die Schlüssel verloren gingen. "Vielleicht hat sich jemand über den Brunnen gebeugt - und dann waren sie weg."

Ausgrabungen in Pliening: Drei Schlüssel aus Metall haben die Archäologen in Pliening aus einem alten Brunnenschacht geborgen.

Drei Schlüssel aus Metall haben die Archäologen in Pliening aus einem alten Brunnenschacht geborgen.

(Foto: X-Cavate Archaeology PartG/oh)

Insgesamt 1736 Strukturen haben die Archäologen in ihrer sieben Monate langen Arbeit entdeckt. Als Pliening gegründet wurde, 813, wie eine Urkunde über eine Schenkung des Priesters Cundhart an die Kirche belegt, auf welche die Gemeinde ihren Ursprung zurückführt, mussten die Grabhügel noch als solche erkennbar gewesen sein. Die frühesten Spuren auf der Fläche sind aber weitaus älter, sie stammen aus der Urnenfelderzeit, 1300 bis 800 vor Christus und warteten gleich neben dem Gehweg an der Geltinger Straße in der Tiefe darauf, endlich ans Licht gebracht zu werden.

Spuren von Kelten und Römern sind immer wieder in dieser Gegend gefunden worden

Dass überhaupt an dieser Stelle gegraben wurde, war eine Pflichtunternehmung für den Bauherren, die Gemeinde, die hier eine Seniorenanlage errichten will. Dass in Pliening schon in den zwei Jahrtausenden vor der Moderne gelebt und gestorben worden war, ist ja längst bekannt. Spuren von Römern und Kelten sind immer wieder in der Gegend gefunden worden, 2017 etwa am Ortsausgang in Landsham Überreste aus Zeiten der römischen Besiedlung, ein paar Meter weiter östlich der aktuellen Grabungsstelle, unter dem Edeka, vier Jahre zuvor 1200 Jahre alte Skelette, und unter der Siedlung Am Seelkopf die Überreste eines christlichen Merowingerfriedhofs. Für die neue Baustelle also galt: Erst einmal in die Vergangenheit reisen und herausfinden, wer vorher schon da war, dann erst darf der Blick in die Zukunft schweifen.

Ausgrabungen in Pliening: Auch menschliche Knochen werden in Pliening immer wieder ausgegraben, im Ortsteil Landsham wurde sogar ein frühmittelalterlicher Friedhof gefunden.

Auch menschliche Knochen werden in Pliening immer wieder ausgegraben, im Ortsteil Landsham wurde sogar ein frühmittelalterlicher Friedhof gefunden.

(Foto: Christian Endt)

Um den Plieningern von den Generationen zu berichten, die früher hier gelebt haben, hatte der Heimatverein das Archäologenpaar Scharafin-Hölzl eingeladen. Eine gewisse Hoffnung, ein paar der ausgegrabenen Spuren vielleicht als Ausstellungsstücke in die Gemeinde zurückzuholen, nachdem das Landesamt für Denkmalschutz sie begutachtet und katalogisiert hat, hatte man mit der Veranstaltung bestimmt verbunden. Zumal unter den gut 60 Zuhörern auch der Bauherr selbst, Bürgermeister Roland Frick (CSU) saß. Grundsätzlich gehöre ja alles, was im Boden gefunden wird, demjenigen, der Eigentümer des Bodens ist, erklärte die Archäologin. Die Gemeinde hätte im Fall einer Rückkehr der Artefakte dann aber auch die Pflicht, sie zu bewahren. Ein 750 Jahre altes Keramikgefäß, das die beiden Referenten durch die Reihen der ehrfürchtig staunenden Gäste wandern ließen, wäre vielleicht so ein Ausstellungsstück, Keramik lässt sich gut erhalten. Bei den drei Schlüsseln aber, die wohl aus dem Mittelalter stammen, sei das schon schwieriger, so die Archäologen. Damit sich das Metall nicht weiter zersetzt, müssten die Artefakte luftdicht verwahrt werden. Eine teure Angelegenheit, und da müsse man schon auch ein bisschen aufs Geld schauen, erklärte Frick im Anschluss an den Vortrag.

Besucher hätte ein Plieninger Museum dabei bestimmt. Allein die Gräberfunde aus dem ersten nachchristlichen Jahrtausend - schon nach christlicher Tradition in West-Ost-Richtung ausgerichtet -, böten Potenzial für Fantasiereisen in die Vergangenheit. Ein leerer Sarg und die Knöchelchen eines kleinen Mädchens, das nach anthropologischen Untersuchungen wohl Tage lang an einer Gehirnhautentzündung laboriert hatte, bis es gestorben war, bieten dafür jedenfalls Stoff genug.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusSeltenes Handwerk
:"Einen Gamsbart kauft man sich nur einmal im Leben"

Gamsbärte waren einst Ausdruck des Protests gegen die Obrigkeit. Heute sind sie eher ein Luxusgut, es gibt nur wenige, die sie herstellen. Der Ebersberger Jakob Weiss ist einer von ihnen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: