Plieninger Ortsumgehung:Prozess um Pipeline

Die Gemeinde wehrt sich gegen Mineralölfirma: Eine Kerosinleitung zum Flughafen behindert den Bau der Plieninger Ortsumgehung.

Anja Blum

Seit es den Flughafen im Erdinger Moos gibt, verläuft von dort eine Kerosinleitung durch den Nordwesten des Landkreises. Bisher war es um die Pipeline ruhig. Doch jetzt wehrt sich Pliening: Die Gemeinde hält den Vertrag mit OMV über die Leitung, der offenbar Standard in Bayern ist, für "unzumutbar".

"Als ich diesen Vertrag durchgelesen habe, war ich schockiert", sagte auch Martin Kainz, Richter am Oberlandesgericht in München. "Ich hätte den so nicht unterschrieben." Trotzdem sah er am Mittwoch keine juristische Möglichkeit, der Gemeinde Pliening zu einem Ausweg aus dem Regelwerk zu verhelfen. Hätte er es getan, wäre die Verhandlung wohl zu einem Präzedenzfall für viele bayerische Gemeinden geworden.

Zur Debatte stand ein Vertrag zwischen der Gemeinde Pliening und der Mineralölfirma OMV, der 1990 geschlossen worden war. Mit diesem erwarb die OMV das Recht, eine Pipeline durch das Gemeindegebiet zu legen und zu betreiben. Die Leitung führt von einer Raffinerie in Burghausen unter anderem durch die Landkreise Erding, Ebersberg und Freising zum Flughafen und beliefert diesen mit dem Flugturbinentreibstoff Kerosin. Die Gemeinde Pliening erhielt dafür ein einmaliges Entgelt in Höhe von je 250 Mark für elf betroffene Straßenkreuzungen.

Die Laufzeit des Vertrages ist theoretisch unendlich, die Bedingungen für eine Kündigung sind so hoch gesteckt, dass selbst der Richter zugab: "Diese Hürde ist faktisch nicht überwindbar." Die Gemeinde kann nur dann kündigen, "wenn eine Verlegung der Anlage aus Gründen des öffentlichen Wohls, die im Bereich der Straße liegen, erforderlich ist". Dabei sind allerdings auch die "Belange der Versorgung des Flughafens über eine Pipeline und des Unternehmens angemessen zu berücksichtigen".

Die Gemeinde Pliening hat nun trotzdem versucht, den Vertrag zu kündigen - wogegen das Ölunternehmen klagte. Allerdings kündigte Pliening nicht, um OMV zur Verlegung oder gar Aufgabe der Pipeline zu zwingen, sondern um neue Bedingungen verhandeln zu können. "Der Vertrag beinhaltet mehrere Punkte, die wir so nicht akzeptieren können", so Bürgermeister Georg Rittler. Ganz anders sieht das OMV-Anwalt Eckbert Krause-Nehring: Das Papier sei ein "Mustervertrag der öffentlichen Hand" und werde seit vielen Jahren verwendet.

Anlass für den Plieninger Widerstand gegen die Mineralölfirma ist, dass die Kommune eine Umgehungsstraße plant, die die Pipeline kreuzen würde (siehe Grafik). Laut Rittler wäre eine Verlegung der Kerosinleitung nötig, um die Umgehung zu realisieren. In diesem Fall aber sehe der Straßenbenutzungsvertrag mit OMV vor, dass die Gemeinde sowohl die Kosten als auch die uneingeschränkte Haftung für die Maßnahme übernehme.

Das bedeutet für Rittler: rund 130.000 Euro Baukosten und ein nicht kalkulierbares Risiko. "Das Problem ist, dass sich die Gemeinde gegen solche Unwägbarkeiten nicht versichern kann", erklärt Plienings Rechtsanwalt Rainer Döring aus München. Deswegen ist man in Pliening der Meinung, dass "das Benutzungsentgelt keinen angemessenen Ausgleich darstelle für die Einschränkungen, Kosten und Risiken", die der Kommune auferlegt worden seien.

Das Landgericht und jetzt im Berufungsverfahren das Oberlandesgericht haben die Kündigung indes als nicht wirksam erachtet: Pliening begründe die Kündigung nämlich nicht mit dem öffentlichen Wohl, sondern aus wirtschaftlichen und haushaltsrechtlichen Aspekten heraus. Außerdem seien bei den vorliegenden Vertragsbestimmungen sowieso immer nur Teilkündigungen für bestimmte Straßenabschnitte möglich, erklärte Richter Kainz.

Und generelle Folgeprobleme wie die Kosten oder die Verantwortung im Falle von Baumaßnahmen seien für die aktuelle Verhandlung ohnehin bedeutungslos. "Ihre Intention ist mir klar, aber das reicht nicht", so Kainz. Wenn Pliening hier juristisch etwas erreichen wolle, müsse man einen anderen Weg wählen, etwa eine Unterlassungsklage gegen die Regelung der Folgekosten und der Haftung anstreben. "Aber noch besser wäre es unserer Meinung nach, wenn Sie versuchen würden, im Einzelfall operative Lösungen mit OMV zu finden", empfahl der Richter.

Letztlich folgten Plienings Bürgermeister und sein Anwalt dem Gericht und zogen die Berufung zurück. "Trotzdem haben wir ein bisschen was gewonnen", sagte Gabriele Jung, Plienings Geschäftsführerin, nach der Verhandlung. Zumindest habe das Gericht die fraglichen Vertragsbedingungen kritisiert. Außerdem sagte der OMV-Anwalt zu, dass das Unternehmen nun auf die Gemeinde zukomme, um erneut über das Problem zu sprechen. "Vielleicht haben wir jetzt die Chance auf bessere Konditionen", hofft der Bürgermeister. "Vielleicht haben sie jetzt gemerkt, dass man mit den Kommunen nicht alles machen kann."

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