Pliening protestiert gegen die AfD:Trompeten für die Demokratie

Hundert politisch Engagierte, Bürger und Mitglieder des Helferkreises protestieren vor dem Plieninger Bürgerhaus gegen eine Veranstaltung der AfD und ihren Referenten Martin Hohmann

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Es ist selten, dass Michael Voss an einem Donnerstag seine Trompete heraus holt, zumindest, wenn er diese Lieder spielt, in denen es darum geht, aufzustehen gegen Faschismus und für Freiheit. Seit 30 Monaten ist er Woche für Woche in München unterwegs, immer montags, um Pegida den Marsch zu blasen. Diesen Donnerstag aber ist er nach Pliening gekommen, wo er sich unter die Demonstranten vor dem Bürgerhaus gemischt hat. 100 werden es letztendlich sein, wenn 50 AfD-Sympathisanten im Bürgerstüberl sitzen.

Die Blicke des noch kleinen Grüppchens, das sich kurz vor 18 Uhr auf dem Zufahrtsstreifen vor dem Gebäude versammelt hat, gehen zum Haupteingang. Die AfD-Veranstaltung soll erst eine Stunde später beginnen. Doch den Leuten vor den Toren geht es darum, Präsenz zu zeigen, frühzeitig klar zu machen: "Wir sind schon da." Also warten sie, während immer mehr Demonstranten zu ihnen stoßen, nicht nur Organisierte von SPD, Grünen, Linken, DGB, den Piraten oder der Friedensbewegung, dem Bündnis Bunt statt Braun. Viele Plieninger sind dabei, die aussehen, als kämen sie vom Einkaufen aus dem Edeka gegenüber. Plakate werden entrollt, alte Bekannte begrüßt, die Stimmung ist friedlich, eine Frau hat ihr Baby vor den Bauch gebunden, Kinder springen herum. Die Polizisten, die sich mit ihren Einsatzfahrzeugen rechts und links der Szene aufgebaut haben, finden keinen Grund, aktiv zu werden. Auch nicht, als die ersten AfD-Sympathisanten eintreffen, Trillerpfeifen laut werden, Voss' Trompete zum ersten Mal erklingt. "Bella ciao" spielt er, das tieftraurige Lied der italienischen Antifaschisten.

Das Grüppchen der Demonstranten ist bunt, so wie Pliening, wie auf einem Plakat zu lesen ist. "Hass ist keine Alternative" steht auf einem anderen." Ein älterer Herr schimpft vor sich hin, als ein Grüppchen zum Rauchen vor die Tür kommt und zu den Demonstranten hinunter schaut. Die Männer haben ein Lächeln auf dem Gesicht, Lachen ist zu vernehmen. Martin Hohmann, den die CSU 2004 wegen antisemitischer Äußerungen ausgeschlossen hat, ist nicht darunter. Er betritt unbemerkt den Saal, er wird sich später unter dem Applaus der ihm zugetanen Zuhörer über das ewige Schuldbewusstsein der Deutschen beklagen und fordern, dass das endlich ein Ende haben müsse. Dass Hohmann auftreten würde, hatte die Kritik der AfD-Gegner noch befeuert. Stefan Seizl, einer von zwei Sprechern des Plieninger Helferkreises, will ihn sich anhören, vorher aber noch demonstrieren - als Ex-Gemeinderat der "Alternative für Pliening" gegen die Alternative für Deutschland. Die Wählergruppe sah sich vor kurzem gezwungen, öffentlich klar zu stellen, dass sie mit der AfD aber auch gar nichts zu tun hat.

Der Helferkreis hatte sich tags zuvor versammelt. Eigentlich wollte man über die Zukunft beraten, nach dem Auszug der Flüchtlinge aus der Traglufthalle hinter dem Bürgerhaus bleibt für die Aktiven nicht mehr viel zu tun. Doch nun hat man sich die Köpfe heiß geredet, ob das sein müsse, dass die AfD ins Bürgerhaus darf. Bürgermeister Roland Frick (CSU) hat dort wiederholt, was er schon in den vergangenen Tagen sagte: "Wir müssen uns an Recht und Gesetz halten." Die Gemeindeordnung stelle Parteien die Nutzung des Bürgerhauses frei. Solange die AfD nicht verboten sei, könne man nichts machen. Nicht jeder der Demonstranten kann das verstehen. "Schlimm, dass so etwas notwendig ist", sagt der schimpfende ältere Herr und meint die Demonstration, während SPD-Gemeinderätin Bettina Marquis beinahe erfreut wirkt. Eine solche Demo, hier, wo es so etwas abgesehen von einer Mahnwache gegen Fukushima überhaupt noch nie gegeben hat. Aber man müsse jetzt unbedingt was tun, um des guten Rufs der Gemeinde willen: zuerst die Reichsbürger in Landsham und jetzt das hier. Der Bürgermeister gesellt sich zu ihr, wandert dann zwischen den Demonstranten hin und her. Hineingehen zur AfD? "Nein, ich brauch die nicht", sagt er.

Die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (Aida) hat einen Fotografen geschickt. Er nimmt jeden auf, der ins Bürgerhaus hinein will, auch Stephan Protschka, den niederbayerischen AfD-Bezirksvorsitzenden. Der tänzelt förmlich über die roten Platten vor dem Haus, für die Demonstranten "Rote Zone", wie die Polizei betont und Mitorganisator Philip Numberger in seiner Begrüßung wiederholt hat. Protschka verlässt die Zone nicht, eilt aber auf den Aida-Fotografen zu, schüttelt ihm die Hand über trennendes Buschwerk hinweg, ob der will oder nicht.

Dann ist es viertel nach sieben, die letzten AfD-Sympathisanten verschwinden im Haus, "zu spät, wie die von der Pegida auch immer", spottet Voss, "nichts mit deutschen Tugenden." Er packt seine Trompete ein. Die Internationale hat er gespielt, zu der viele mitgesungen haben, und ein jüdisches Partisanenlied von Hirsch Glick. Als 22-Jähriger floh er aus einem KZ und kam im Kampf gegen deutsche Truppen um. "Zog nit keyn mol", "Sag nie, du gehst den allerletzten Weg" lautet die Übersetzung. "Das spiel ich immer, wenn es antisemitisch wird", sagt Voss.

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