Platz für 200000 Baumstämme:Feuchte Festung im Forst

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Weil zahlreiche Sägewerke geschlossen sind, müssen die Förster Käferbäume und Sturmholz selbst lagern. Bei Forstinning wurde dafür ein Nasslager so groß wie vier Fußballfelder geschaffen. Die Frage ist: Reicht das?

Von Korbinian Eisenberger

Das Areal ist so groß wie vier Fußballfelder. Und der Platzwart heißt Johann Pfürmann. Seine Waffe: eine Armada an Sprinkleranlagen. Seine Gegner: eine Viruskrise, der Klimawandel und der winzig kleine Borkenkäfer. Deswegen steht Pfürmann hier zwischen Baumstämmen und Spritzlanzen und weist Lastwagen den Weg. Alle paar Minuten fährt ein Lieferant mit einer Lkw-Ladung Baumstämmen vor. Es knarzt, rumpelt und tropft. Es geht zu wie auf einer Großbaustelle. Nur dass hier kein Wohnraum entsteht, sondern genau das Gegenteil: Johann Pfürmann und seine Kollegen errichten eine Art Festung, die der Feind nicht betreten soll. Alles, nur keine neuen Borkenkäfer-Fortpflanzung: keine, wie es im Fachjargon heißt, "Rammelkammern" im Feuchtgebiet.

Im Ebersberger Forst hat der Kampf gegen Käfer und Krisen ein neues Level erreicht. Hinter Forstinning hat der Forstbetrieb Wasserburg ein riesiges Lager für Schadholz geschaffen, das einer Festung aus Holzstämmen gleicht. 20 bis 40 Lastwagen kommen in diesen Wochen pro Tag nach Forstinning und liefern Ladungen von 30 Festmetern ab. Bis zu 63 000 Festmeter sollen hier Platz haben, also um die 200 000 Holzstämme. Nach der ersten Maiwoche umfasst das Lager 10 000 Festmeter, und täglich kommen neue Fuhren.

Holzlager mit Sprinkleranlage: Spritzlanzen sollen Fichtenstämme konservieren, damit sie nicht durch Pilz- oder Käferbefall an Qualität und Wert verlieren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Johann Pfürmann durchlebt eine intensive Zeit. Erst Bianca und Sabine, die den Förstern noch immer Arbeit machen - so gut wie alle Bäume hier sind Opfer der beiden Stürme, erzählt er. Die Trockenheit und die Folgen der Virusmaßnahmen erhöhen nun den Schwierigkeitsgrad um zwei weitere Stufen. Hauptproblem: Die Hälfte der Sägewerke in Bayern und Österreich sind zu, das Holz der Förster findet daher deutlich weniger Abnehmer als sonst.

"In so einer komplizierten Lage waren wir noch nie", sagt der 48-Jährige. Ein Mann wie eine Eiche, einer, bei dem die Jacke über den Oberarmen spannt. Seit 32 Jahren geht er für die Staatsforsten ins Holz. Doch Kraft und Erfahrung können noch so groß sein. Gegen die Kombination aus Corona und Käfer braucht es ganz andere Geschütze.

So mancher dürfte sich in den vergangen zwölf Monaten gefragt haben, warum mitten im Ebersberger Forst solch eine Riesenfläche Wald abgeholzt wird. Dem Forstbetrieb Wasserburg wurde gar der Verdacht zugetragen, dass dort eine Landebahn für Kleinflugzeuge geplant wäre. Und die Ebersberger Faschingszeitung spekulierte angesichts des hohen Lkw-Aufkommens über einen neuen Rasthof im Forst. An diesem Nachmittag wollen die Förster nun erklären, warum es das Ganze brauchte. Also die Rodung - und die Investition von einer halben Million Euro.

In Bayern gibt es 30 Nasslager, mit dem Bau der Anlage in Forstinning wurde vergangenes Jahr begonnen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Es ist ein Dilemma, das sich die Menschen in Bayern ihren Nachfahren eingebrockten. Vor 300 Jahren begannen sie damit, Bayerns Mischwälder großflächig abzuholzen und durch Fichtennachpflanzungen zu ersetzen. Eine Baumart, die schnell wächst und sich gut verbauen lässt, anders als Laubholz jedoch auf flachen Wurzeln steht und anfällig für Windwurf und Schädlinge ist. Die Quittung spüren die Förster bis heute: Im Nasslager von Forstinning liegen ausschließlich Fichten. Bis zu drei Jahre können sie dort fast ohne Qualitätsverlust konserviert werden. Die meisten Bäume sind aus dem Ebersberger Forst, einige tausend Festmeter kommen aber auch aus dem Münchner Umland und teilweise auch von weiter weg.

Ein Laster nach dem anderen hält am Lager und lädt Stämme ab. Die Reifen auf dem Kiesweg machen es zu einer staubigen Angelegenheit. Dennoch verzichtet Pfürmann im Freien auf die Virusmaske. Durch die Bewässerung soll verhindert werden, dass die Stämme von Pilzen oder gar von Käfern zerfressen werden. Privatwaldbesitzer lagern ihre Stämme hingegen - meist mangels Alternativen - in der Regel trocken. Ergebnis: Meist ist das Holz dann nur noch für Paletten oder Verpackungen zu verwenden - hat also massiv an Wert verloren.

Anton Würfel, der Leiter des Forstreviers. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Platzwart winkt den nächsten Laster herein, eine Lieferung aus dem Landkreis Freising, von wo tausend Festmeter zu erwarten sind. Freising hat kein Nasslager, die nächsten stehen in Höhenkirchen (Kreis München) und in Mehring bei Burghausen. Dort haben die Ebersberger Förster noch bis Frühjahr 2019 Holz untergebracht. Einfache Strecke: 70 Kilometer. Die können sie sich künftig sparen.

Pfürmann öffnet die Tür zu einem Bauwagen und nimmt am Brotzeittisch Platz. Verschnaufpause. Stand jetzt haben die Arbeiter im Ebersberger Forst noch alles im Griff, noch sind die Käferfallen zur Zählung des Befalls leer, noch hat die Plage - hier in Ebersberg - nicht begonnen. Pfürmann kann die Tage zur Vorbereitung nutzen auf das was kommt. Er erzählt, wie er sich in die Bedienung der Sprinkler eingearbeitet hat, einen nach dem anderen hat er aufgebaut. Insgesamt sind es 250 dünne Metallrohre, wobei ein Großteil davon noch auf den Einsatz wartet.

Regen, danach sehnt sich dieser Tage jeder, der im Holz eine Aufgabe hat. Pfürmann würde dann zum Nasslager fahren und die Sprinkler abdrehen. An trockenen Tagen laufen die Regner hingegen insgesamt zwölf Stunden, immer mit 60 Minuten Unterbrechung. Eine Verschwendung?

Nein, sagt zumindest der Forstbetrieb - und liefert eine nicht ganz unplausible Begründung: Sämtliches Wasser für die Anlage wird aus dem Grundwasser-Reservoir in sechs Metern Tiefe unter dem Waldboden nach oben gepumpt. Nach dem Versprühen tropft es ab und gelangt durch den Boden wieder ins Grundwasser. Ein Kreislauf, bei dem ungefähr zehn Prozent des versprühten Wassers verdunsten, so die Rechnung des Forstbetriebs. Da in der Nähe keine Siedlung liegt, müsse niemand um seine Wasserzufuhr bangen.

Johann Pfürmann, Platzwart und Chef im Nasslager. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Reicht das? Der Forstbetrieb schätzt, dass sie "übers Jahr kommen". Pfürmann selbst lässt die Frage offen. Stattdessen erhebt er sich vom Bankerl und geht zurück an die Arbeit. Derzeit bastelt er daran, die Automatik der Sprinklersteuerung zu erweitern. Damit der Platzwart Pfürmann wieder mehr Zeit hat für seine eigentliche Aufgabe im Forst. Im Sommer heißt das vor allem: Kämpfen gegen den Käfer.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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