Planungen in Vaterstetten:Grade oder ungrade

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Für die Umgestaltung des Ortszentrums der Großgemeinde gibt es neue Entwürfe - ob und wann sie umgesetzt werden, ist unklar

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Es heißt ja, dass sich viele Dinge im Laufe der Zeit wiederholen, so auch in Vaterstetten. Bei der Vorstellung neuer Planungen für das Ortszentrum rund ums Rathaus kam nun ein ganz altes Thema wieder auf die Agenda: die Hintenrum-Frage. Bereits vor gut 30 Jahren hatte der damalige Gemeinderat darüber diskutiert, ob man die Wendelsteinstraße hinter das Rathaus verlegen sollte, nun ging es darum, ob das noch zu bauende neue Rathaus vor oder hinter der Möschenfelder Straße liegen soll.

Eigentlich schien die Frage bereits seit 2012 erledigt, als man sich das bislang letzte Mal an eine Überplanung des Rathausareals machte. Alle damals in die engere Wahl gekommenen Entwürfe sahen eine Verschwenkung der Möschenfelder Straße nach Osten vor. Dass aus den Plänen nichts wurde, ist bekannt, allerdings hatte man seitens der Verwaltung immer betont, Teile der damaligen Entwürfe später wiederverwenden zu können. Wie das aussehen könnte, erläuterte nun Gabriele Dattenberger vom Architekturbüro bgsm dem Gemeinderat. Ausgehend vom vor sechs Jahren zum Sieger gekürten Konzept des Architekten Stephan Braunfels stellte Dattenberger mehrere Varianten vor. Gemeinsam ist allen, dass östlich der Kirche ein neues Rathaus gebaut wird. Das alte soll durch einen Komplex mit Einzelhandel ersetzt werden. Parallel dazu gibt es auch die Idee, dass die Möschenfelder Straße da bleibt, wo sie ist. Bürgersaal und Rathaus würden auf der östlichen Straßenseite gebaut. Dies geht auf Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) zurück, der sich bereits früher gegen eine Verschwenkung der Straße ausgesprochen hatte. Auch in der Sitzung warb er für das Konzept, erstens komme die Kirche durch den größeren Platz besser zur Geltung, und zweitens müsse man keine große Straße bauen, um Rathaus und Bürgersaal anzubinden, "wir haben schon einen Platz, wo wir es hinstellen können".

Ein 2019 vorgestellter Entwurf für das neue Ortszentrum Vaterstetten an der Wendelstein- und Möschenfelder Straße. (Foto: bgsm Architekten Stadtplaner/oh)

Zwei Konzepte - jeweils eines mit und eines ohne Straßenverlegung - hatten die Planer näher untersucht. Beide würden einen Bau in mehreren Abschnitten ermöglichen, da es für die wichtigsten Nutzungen - Rathaus, Supermarkt und Bürgersaal - jeweils ein eigenes Gebäude gibt. Lediglich die Bücherei und die gastronomischen Angebote könnten zusammen mit einem anderen Gebäude entstehen.

Das erste ist eine lockerere Variante des Braunfels-Entwurfs. Im Norden, wo jetzt noch das Rathaus steht, entstünde ein Gebäude mit einem 3500 Quadratmeter großen Supermarkt. Darüber wären auf zwei etwa 1660 Quadratmeter großen Etagen Büros und Wohnungen möglich. Daneben würde ein Büro- und Ladengebäude mit dreieckiger Grundfläche und je 1100 Quadratmeter Fläche im Erdgeschoss und im ersten Stock entstehen. Südlich schlösse sich das neue Rathaus an, das nicht nur die benötigten 3800 Quadratmeter für die Verwaltung sondern auf weiteren etwa 1250 Quadratmetern die neue Bücherei und im Erdgeschoss eine 600 Quadratmeter große Gastronomie beherbergen würde. Weiter im Süden stünde das Bürgerhaus, dort sollen im zweistöckigen Saal große Veranstaltungen stattfinden, für kleinere gäbe es im Obergeschoss Räume, auch Büros sind dort denkbar. Das Erdgeschoss soll 1500, das Obergeschoss 700 Quadratmeter groß werden Noch weiter südlich könnten ein oder zwei Wohnhäuser mit je 1000 Quadratmeter entstehen.

Im Konzept mit der geraden Möschenfelder Straße wäre der Supermarkt mit 3000 Quadratmetern etwas kleiner, auch der Wohn und Bürobereich im Obergeschoss würde nur 1250 Quadratmeter ausmachen. Etwa die gleiche Größe hätte die Bücherei, die im anderen Obergeschoss unterkommen soll. Östlich der Straße entstünde das Rathaus, das die gleiche Fläche wie im anderen Entwurf, aber keine weiteren Nutzungen aufweisen soll. Das Bürgerhaus hätte ein ähnliches Konzept nur mit dem Unterschied dass die 600 Quadratmeter große Gastronomie nun dort untergebracht werden soll.

Dieses Konzept sieht eine etwas lockerere Struktur um die bestehenden Straßen und einen großen Platz vor der Kirche vor. Simulation: bgsm Architekten Stadtplaner/oh (Foto: N/A)

Egal, ob nun die Straße verschwenkt wird oder nicht, um eine Umbaumaßnahme wird die Gemeinde wohl nicht herumkommen: den neuen Kreisverkehr an der Zugspitzstraße. Wie Verkehrsplaner Benedikt Bracher vom Büro Schlothauer und Wauer erklärte, stoße die Kreuzung jetzt schon an ihre Grenzen, und könnte in einigen Jahren komplett überlastet sein, auch ohne neues Ortszentrum.

Ein Beschluss, was die Gemeinde umsetzen soll, gab es nicht, genauso wenig einen Ansatz zur Finanzierung. Diese sei allerdings mit dem ersten Entwurf wahrscheinlicher, sagte Benedikt Weber (CSU), schließlich seien dort mehr Gebäude vorgesehen, die man vermarkten könne. Auch optisch sei die Hintenrum-Lösung ansprechender als eine viel befahrene Straße durchs Zentrum. Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) sagte auch, es mache wenig Sinn, die Straße über den Platz laufen zu lassen. Maria Wirnitzer (SPD) kritisierte ebenfalls die "trennende Wirkung" der Möschenfelder Straße, sollte man sich dem Konzept annähern, dann nur, wenn eine Verkehrsberuhigung möglich sei. Laut Bauamtsleiterin Brigitte Littke ist dies auf der Möschenfelder, die ja eine Kreisstraße ist, nur eingeschränkt möglich. Allenfalls könne man im Bereich des Zentrums Tempo 30 bekommen.

Wenn man die Möschenfelder Straße "einigermaßen gestalten kann", könne der Verkehr dort auch verträglicher werden, so Bürgermeister Reitsberger. Auch Sepp Mittermeier (SPD) sagte, es gäbe Beispiele, wo sogar Bundesstraßen entsprechend umgebaut wurden. Er vermisse aber einen etwas weiteren Umgriff der Planungen. So wisse man ja noch gar nicht, was mit der Wendelsteinschule passieren solle. Würde diese neu gebaut und dabei auch etwas verlegt, könne man das Platzkonzept entlang der Wendelsteinstraße ganz anders machen. Ähnliche Kritik gab es von Manfred Schmidt (AfD/FBU), er forderte, die Gemeinde müsse sich endlich mehr für die Entwicklung der bislang unbebauten Fläche beim Rathaus einsetzen. Entweder erreiche man eine gütliche Einigung mit den Eigentümern etwa über eine gemeinsame Entwicklungsgesellschaft oder man solle im letzten Schritt über Enteignungen nachdenken.

Für den Bürgermeister eindeutig keine Option: "Wir sollten späteren Generationen die Möglichkeit bieten, etwas Schönes aus dem großen Areal zu machen." Die Diskussionen um die Vaterstettener Mitte dürften also wohl auch in 30 Jahren noch stattfinden, vielleicht sogar mit einer neuen Version der Hintenrum-Frage.

© SZ vom 09.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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