Pilotprojekt in Ebersberg:Länger grün

Behinderten/SEniorengerechte Ampel Ebersberg
(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kreisstadt testet seniorengerechte Ampel

Wenn man so will, ist Ebersberg jetzt verkehrstechnisch auf gleicher Höhe mit Singapur. Jedenfalls was Ampeln angeht. Also, genauer gesagt, was zwei Ampeln in der Kreisstadt angeht. Denn dort - am Marienplatz und hinter dem Rathaus in der Eberhardstraße, wo die Staatsstraße besonders stark befahren ist - können geheingeschränkte Menschen künftig selbst per Chip die Dauer der Grünphase verdoppeln, wenn sie die Straße queren wollen, genau wie in dem südostasiatischen Inselstaat. Denn besonders für Menschen mit Gehstock, Rollstuhl oder Rollator und für blinde Fußgänger sind die hierzulande üblichen acht Sekunden oft zu knapp bemessen, um sicher auf die andere Seite zu gelangen.

Auf Initiative des Vorsitzenden des Ebersberger Seniorenbeirats Thomas John wurden die Ampeln mit entsprechender Software ausgestattet. Er hatte zufällig davon gelesen, dass Menschen in Singapur Ampeln bereits so steuern können. Warum also diese Technologie nicht nach Ebersberg holen, dachte er sich.

In der Kreisstadt vertritt John die Interessen von 27 Prozent der Bevölkerung, also derjenigen Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Mit der Idee wurde er bei Bürgermeister Walter Brilmayer vorstellig und stieß dort auf Wohlwollen. Drei Jahre später ist das Projekt als erstes dieser Art in Bayern realisiert. So erzählt John es am Freitag am Ebersberger Marienplatz, wo er die neuen Ampeln mit dem Bürgermeister, dem CSU-Landtagsabgeordneten Thomas Huber und Vertretern von Sozialverbänden im Landkreis testet.

Ganz reibungslos verläuft ein erster Versuch dann aber nicht. Ursula Frey, ehemalige Behindertenbeauftragte der Stadt und Rollstuhlfahrerin, versucht, den kleinen Chip an den gelben Taster am Ampelmast zu halten. Allerdings ist der Gehweg rund um die Ampel äußerst uneben mit Mosaik gepflastert, sodass sie nur umständlich den Kontaktpunkt erreicht. Als kurios erweist sich, dass der kleine Taster, welcher auch für blinde Menschen gedacht ist, an der straßenzugewandten Seite angebracht ist. Das erschwert Frey zusätzlich, die längere Grünphase zu aktivieren, noch dazu muss sie dafür fast auf die Straße rollen.

Dann aber schafft sie es gut in den 16 Sekunden über die Straße.

Die Chips können Bürger im Rathaus gegen ein Pfand von zehn Euro bekommen. Wie das 1200 Euro teure, vom Straßenverkehrsamt in Rosenheim finanzierte Projekt nun bei den Menschen ankommt, soll ein Jahr lang getestet werden. Es stellt sich nämlich auch die Frage, ob die längere Ampelphase Rückstau verursacht. Ob das Projekt noch ausgeweitet wird, müsse man also sehen, sagt John. Solange hat er auf jeden Fall ein Stück Singapur nach Ebersberg geholt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: