Physiker Ernst Mach:Dieser Mann war dem Schall voraus

Der 1916 verstorbene Physiker Ernst Mach in seinem Vaterstettener Haus

Der 1916 verstorbene Physiker Ernst Mach in seinem Vaterstettener Haus.

(Foto: privat)

Vor 100 Jahren starb der Physiker und Philosoph Ernst Mach. Mit seinen Forschungen erarbeitete er Grundlagen der Luft- und Raumfahrt sowie der Astronomie.

Von Rita Baedeker

Jeder kennt diesen Effekt: Man hört ein lautes Brummen am Himmel, bei Maschinen in Überschallgeschwindigkeit ist es ein Knall, doch das Flugzeug, das dieses Geräusch verursacht, ist da schon aus dem Blickfeld verschwunden. Die einen ärgern sich über den Lärm, andere packt das Fernweh.

Doch nur wenige denken in Momenten wie diesem an Ernst Mach, jenen Physiker und Philosophen, der am 19. Februar vor genau hundert Jahren in Vaterstetten starb. Die letzten drei Lebensjahre hat er dort mit seiner Frau und seinem Sohn Ludwig verbracht, nachdem ein Schlaganfall ihn aus seiner akademischen Karriere gerissen hatte.

Heute erinnert die "Mach-Zahl" an den Forscher

An den Forscher erinnert heute unter anderem die "Mach-Zahl". Diese für hohe Geschwindigkeiten in der Luft- und Raumfahrt wichtige Größe basiert auf ballistischen Forschungen des Physikers. Geprägt wurde der Begriff nach seinem Tod, denn zu Lebzeiten Machs bewegte man sich in gemächlicherem Tempo - auf der Erde wie am Himmel. Otto Lilienthal startete 1891 zu seinem ersten Flug. Kurz bevor Mach starb, erreichte ein Flugzeug maximal 200 km/h. Zum Vergleich: Der Schall ist etwa fünf Mal so schnell.

Wer mehr über den vielseitigen Wissenschaftler erfahren möchte, sollte ins Archiv des Deutschen Museums gehen, wo dessen Leiter, Wilhelm Füßl, erst vor kurzem den dritten Teil des Nachlasses von Mach in Empfang genommen hat. Der Weg ins Archiv mit seinen viereinhalbtausend Regalmetern führt ins Obergeschoss des Gebäudetrakts, in dem die Bibliothek untergebracht ist, vorbei am Flügel des Physikers und Musiktheoretikers Hermann von Helmholtz. Gerade wird renoviert. Es riecht nach Wandfarbe, Papier und dem Staub der Geschichte.

Den Physiker ins Licht der interessierten Öffentlichkeit zurückgeholt hat unter anderem die ehemalige Berufspilotin Hedwig Sensen, nachdem sie nach Vaterstetten gezogen war. "1989 stieg ich in das leer stehende Haus ein", gesteht Sensen, die zum 25-jährigen Bestehen des Ernst-Mach-Gymnasiums in Haar, das ihr Sohn besucht hat, einen Aufsatz über den Namenspatron der Schule verfasst hat.

Auf den ihr von Berufs wegen vertrauten Namen war sie gestoßen, nachdem sie in einem Band der Vaterstetten-Chronik einen Artikel samt Foto über Ernst Mach entdeckt hatte. "Dadurch erfuhr ich erst, dass er in Vaterstetten gelebt hat. Das Foto vor Augen, ging ich in das Haus, es war ja nichts versperrt", erinnert sie sich.

Ein Privatmann ließ das Anwesen sanieren

Wie Fotos aus dem Jahr 1994 zeigen, waren fünf Jahre später nur noch Reste der Mach-Villa übrig, der erste Stock war komplett ausgebrannt. Nachdem die Villa jahrelang leer gestanden hatte, wollte eine Firma dort ein Bürogebäude errichten, was aber der damalige Vaterstettener Bauausschuss ablehnte. Schließlich kaufte ein ansässiger Privatmann Haus und Grund und ließ das Anwesen im alten Stil sanieren.

Hedwig Sensen erfuhr später auch, dass die Mutter einer Nachbarin Hausdame bei der Schwiegertochter des Physikers, gewesen war. Mit wachsender Begeisterung begann sie zu recherchieren. "Durch die rapide Entwicklung der Luft- und Raumfahrt zu Beginn unseres Jahrhunderts", schreibt sie, "gewannen Machs Erkenntnisse zunehmend an praktischer Bedeutung.

"Er muss ein ziemlich schwieriger Mensch gewesen sein"

Dr. Wilhelm Fuessl, Leiter Archiv Deutsches Museum

Um Machs Nachlass kümmert sich Wilhelm Füßl, Archivleiter des Deutschen Museums.

(Foto: Deutsches Museum, Archiv)

So wurde 1929 erstmals die Mach-Zahl benannt, die bis zum heutigen Tage in der Luft- und Raumfahrt zur unverzichtbaren Definition der Hochgeschwindigkeit erhalten geblieben ist". Hedwig Sensen weiß auch die eine oder andere Geschichte über den Wissenschaftler zu erzählen. "Er muss ein ziemlich schwieriger Mensch gewesen sein. Es heißt, er habe sich tagelang im oberen Stockwerk eingeschlossen, und seine Frau hat ihm das Essen durch einen Schlitz durchgereicht."

Viele Apparate sind rätselhaft

Dass Wilhelm Füßl heute über einen Schatz von rund 2500 Briefen, Dokumenten, Fotografien, belichteten Glasplatten, Labor-, Notizbüchern und Manuskripten aus dem Besitz von Ernst Mach verfügt, ist seiner mit Forschergeist gepaarten Sammelleidenschaft, aber auch einer Reihe von glücklichen Zufällen zu verdanken. 1999 erhielt das Museum eine Schenkung vom Institut für Kurzzeitdynamik im Fraunhofer-Institut in Freiburg.

Es handelte sich um einen Teil des Nachlasses. Der war dem Deutschen Museum nach Machs Tod zwar angeboten worden, aber, so Füßl, "es war kein Geld dafür da. 35 Jahre später haben die Freiburger uns die Sachen geschenkt." Auch die Vaterstettener Bibliothek des Wissenschaftlers wurde antiquarisch verkauft. Ein Schweizer Industrieller erwarb damals die wichtigsten Werke.

Später hat auch er sie dem Museum vermacht. Vor kurzem kam ein dritter Teil dazu - aus Konstanz. Vieles muss gesichtet und ausgewertet werden. Darunter Fotografien von Apparaten, so rätselhaft wie aus einem Fantasie-Labor. "Wir konnten überhaupt erst ein Viertel dieser Geräte identifizieren", sagt Wilhelm Füßl.

Der wertvollste Nachlass: ein Brief von Albert Einstein

Um den wertvollsten Schatz in Machs Nachlass zu präsentieren, streift der Archivleiter weiße, sehr weiche Handschuhe über, kein Fleck, kein Fingerabdruck soll den Brief, datiert vom 25. Juni 1913, beschädigen. Der Verfasser ist kein Geringerer als Albert Einstein. In lesbarer Schönschrift erläutert er dem Kollegen Mach eine Kurzfassung seiner Relativitätstheorie, nicht ohne zu versichern, dass er sich in dessen Tradition sehe.

Die geschwungenen Buchstaben, der gewandte Stil: Auch für Nicht-Physiker hat der Brief etwas von einem Heiligtum. "Jetzt, nachdem die von Einstein behaupteten Gravitationswellen gemessen wurden, bekommt Ernst Mach noch mal eine andere Bedeutung", sagt Füßl. Zu dumm, dass Mach zwar Grundlagen der Relativitätstheorie erforschte, dann aber das Tor zu der von ihm angestoßenen Jahrhundertentdeckung wieder zuschlug, indem er darauf beharrte, dass Dinge, die nicht wahrnehmbar seien, auch nicht existieren.

Zu den Besonderheiten der Sammlung gehören eine riesige Anzahl winziger Fotos von Projektilen im Flug, Schallwellen und Luftstrahlen sind darauf zu erkennen. Dass er es geschafft hat, mit der damals zur Verfügung stehenden Kameratechnik solche Fotos zu machen, ist ein kleines Wunder.

Die meisten Objekte sind verschollen

Dass Mach auch ein talentierter Zeichner war, das dokumentieren unter anderem Skizzen, bei denen er auf dem Sofa liegend über seine Füße hinweg malte, was er sah, die eigene Gestalt inbegriffen. "Nur etwas ist merkwürdig", sagt Füßl. "Das Haus war voll mit Objekten, die meisten aber sind verschollen. Etwa ein Dutzend hat das Oskar-von-Miller-Gymnasium, aber es müssen Hunderte sein." Wenigstens ein Interferometer - eine Apparatur, um sich überlagernde Wellen zu messen - aus Machs Besitz gehört zum Inventar.

Im November plant das Museum eine Ausstellung, die sich auf Vater und Sohn Mach konzentriert. Titel: "Licht und Schatten". Ludwig Mach, der 1951 starb, war als Erfinder erfolgreich. "Ich bin ja nur der Schatten meines Vaters", soll er einmal gesagt haben. "Wir sind noch am Anfang der Archivierung", sagt Füßl. Eines steht jedoch fest: "Es ist für einen wissenschaftlichen Nachlass aus dem 19. Jahrhundert der größte existierende Bestand."

Am Samstag, 5. März, 10 bis 17 Uhr, dem "Tag der Archive", ist auch jenes im Deutschen Museum geöffnet. Führungen um 10, 12, 14 und 16 Uhr.

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