Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Photovoltaik zwischen Grafing und Kirchseeon weit fortgeschritten

Vier große Freiflächenfelder sind im Kreis Ebersberg in der Planung. Es kann ganz schnell gehen - unter einer Bedingung.

Von Thorsten Rienth, Ebersberg

Als Markus Henle vergangenen Sommer vor dem Ebersberger Technischen Ausschuss steht, ist der Mann geradezu begeistert. In dem Tagesordnungspunkt, zu dem der Eberwerk-Geschäftsführer geladen ist, geht es um eine Freiflächen-Photovoltaikanlage, die Investoren bei Oberlaufing errichten wollen. Ein Leuchtturmprojekt sei das Vorhaben, frohlockt Henle geradezu, ein "Riesenmeilenstein" auf dem Weg fort von fossilen Energieträgern - und dazu eine "Weiche für den Klimaschutz und die Energiewende in Ebersberg und dem ganzen Landkreis".

Von der Hand zu weisen ist diese Einordnung nicht. Zumindest nicht, wenn sie sich am Ende als zutreffend herausstellt. Auf sechseinhalb Hektar soll es die Oberlaufinger Fläche bringen. Das entspricht etwa neun Fußballfeldern. Markus Henle zufolge, dessen Unternehmen als designierter Anlagenbetreiber gilt, liegt die Leistung dann bei etwa sechs Megawatt. "Das würde weit über zehn Prozent des gesamten Landkreis-Ziels bedeuten." Zumal die Pläne im Ebersberger Osten kein Einzelfall in der Region sind. In zwei weiteren Gemeinden laufen die Planungen dreier ähnlicher Projekte.

Für die Photovoltaik-Freiflächenanlage an den Bahngleisen zwischen Grafing-Bahnhof und Kirchseeon sind sie sogar schon recht weit fortgeschritten. Die nötige Änderung des Flächennutzungsplans läuft, die Aufstellung des Bebauungsplans ebenfalls. Sind die Formalien abgeschlossen, kann alles ganz schnell gehen. Schon im vierten Quartal könnte der Bau beginnen. Bis zu vier Millionen Kilowattstunden im Jahr soll die Grafinger Anlage einmal erzeugen. Der Zählerstand ist damit zwar nicht ganz so hoch wie bei den Planungen in Ebersberg. Aber immerhin, so hatte es Bürgermeister Christian Bauer (CSU) einst umgerechnet, würde die Anlage zehn Prozent des Grafinger Energieverbrauchs abdecken. Wie nah bei den PV-Freiflächenanlagen im Landkreis noch alles am Anfang ist, zeigt eine Einordnung des Ebersberger Vorhabens: Auf den Landkreis gerechnet würde die Anlage die aktuell vorhandenen PV-Freiflächen nahezu verdoppeln.

Das allerdings bedeutet nicht, dass sich die Flächen beliebig in die Breite ausdehnen ließen. Das Areal an der Bahnlinie ist Eberwerk-Geschäftsführer Markus Henle zufolge eine der wenigen geeigneten Flächen im gesamten Stadtgebiet. Und dies auch nur, weil die Infrastruktur in der Nähe passt: Zum einen liegt die Fläche innerhalb von 110 Metern entlang einer Bahnlinie - und damit innerhalb des durch das Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG) geförderten Flächenkorridors. Zum anderen führt gleich nebenan eine Mittelspannungsleitung vorbei. Über sie fließt der Strom praktisch direkt ins übergeordnete Verteilnetz.

Von der Grafinger Mittelspannungsleitung ist es auch nicht mehr weit zu zwei Kirchseeoner Projekten, denen der Marktgemeinderat erst vor ein paar Wochen sein grundsätzliches Einverständnis erteilt hatte. Die erste Anlage könnte südlich der Bundesstraße 304 entstehen, die zweite auf dem ehemaligen Bahnschwellenwerk. In der Summe geht es um eine Fläche von etwa sieben Hektar. Freilich war Henle nicht ohne Vergleich in die Kirchseeoner Sitzung gegangen. Rund 20 Prozent des Kirchseeoner Strombedarfs könnten die Anlagen produzieren.

Wie nötig sie aus seiner Sicht seien, betet Henle Gremiensitzung für Gremiensitzung hinunter. "Wir hängen meilenweit hinten dran bei der Energiewende", sagte er etwa vor den Kirchseeoner Marktgemeinderäten. Beinahe wortgleich hörten es auch schon deren Kollegen in Grafing und Ebersberg.

Die drei Gemeinden werden kaum die einzigen mit PV-Freiflächenanlagen bleiben können. Um das einst vom Landkreis selbst gesteckte Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 erreichen zu können, sind Henle zufolge unter anderem rund 95 Hektar an PV-Freiflächenanlagen nötig - ein Vielfaches selbst der aktuellen Planungsflächen.

Ob denn wirklich alles so schnell gehen müsse, hatte ein Grafinger Stadtrat im vergangenen Jahr von Henle wissen wollen? Der stutzte, schien erst die Frage nicht richtig verstanden zu haben in der großen Grafinger Stadthalle. Ganz klar, sagte Henle dann. "Weil wir bisher einfach zu langsam waren."

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SZ vom 01.06.2021/koei
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