Ein Verbandswechsel gehört zum Routine-Repertoire einer Pflegekraft. So war es nicht ungewöhnlich für mich, als ich bei einer meiner Patientinnen am Bettende stand, um ihren Verband am rechten Bein zu wechseln. Ich schaute nach unten, wo ich mit geübten Handgriffen meine Arbeit tat. Als ich beim Verschließen der Wunde war, fragte mich die Frau nach dem Wundzustand. Ich begann es ihr zu erklären - doch es dauerte nicht lange, ehe sie mich unterbrach: "Entschuldigung, aber ich kann Sie gar nicht verstehen." Bei all der Routine kommt es manchmal zu Situationen, in denen ich nicht daran denke: meine FFP2-Maske, die gerne Worte verschluckt.
In fast allen Bereichen wurde die Maskenpflicht nun zum Aprilbeginn weitestgehend abgeschafft. Nicht so bei uns in den Krankenhäusern. Wir haben uns daran gewöhnt, während unserer Schichten durchgehend FFP2-Masken zu tragen - daran, dass wir schneller ins Schwitzen geraten und bei körperlich anstrengenden Arbeiten schneller aus der Puste sind. Aber die Maske beeinflusst auch unsere Kommunikation. Obwohl dieser Zustand schon seit zwei Jahren währt, bin ich nicht die einzige von uns Pflegekräften, die sich hin und wieder an der eigenen Nase packen muss: Moment, das muss ich jetzt anders machen als früher.
So ist es jetzt wichtig, nicht zu weit vom Patienten entfernt zu stehen und direkt in Richtung seines Gesichts zu sprechen, um sicher zu gehen, dass wir akustisch verstanden werden. Die Stimme muss dabei gar nicht lauter werden, im Gegenteil: Das wirkt eher unfreundlich oder sogar bedrohlich. Halten sich mehrere Personen im Zimmer des Patienten auf, zum Beispiel bei der Visite, oder wenn das Umpositionieren des Patienten zwei Pflegekräfte erfordert, dann sollte derjenige, der spricht, das dem Patienten auch dementsprechend signalisieren, etwa durch ein Handzeichen. Denn er sieht ja keine Lippenbewegungen und kann deshalb ohne Hinweis den Sprecher kaum identifizieren.
Gerade bei Visiten, wo auch mal vier Ärzte und Ärztinnen zugleich vor dem Patienten stehen, halte ich das für wichtig. In nicht wenigen Fällen ist eine Visite ohnehin überwältigend für den Patienten: viele Gesichter, viele medizinische Fachbegriffe, wenig Zeit. Diese Stresssituation ließ sich vor der Pandemie durch ein Lächeln oder Zunicken entschärfen. Die Mimik konnte dem Patienten Sicherheit geben. Nun liegt der Fokus auf unserer Sprache, um das zu erreichen.
Oft kann Sprache auch ganz bewusst als Übersetzungshilfe für unsere fehlende Mimik eingesetzt werden. So sagte ich neulich zu einer Patientin: "Ich lächle Sie übrigens gerade an." Damit wollte ich sie motivieren. Die Frau lächelte zurück. In diesem Moment hatte ich mein Ziel erreicht.
Die Maske in den Kliniken abzuschaffen, ist keine Option. Schon gar nicht bei solch hohen Infektionszahlen - sie schützt uns und unsere Patienten. Aber es braucht von allen Seiten ein Bewusstsein dafür, dass sie da ist, und wir diese Barriere nur überwinden können, indem wir unsere Kommunikation anpassen. Und es muss allen klar sein, dass sich diese Veränderung zeitlich auf unsere Arbeit auswirkt: Am Bettende zu stehen und gleichzeitig mit meiner Patientin zu sprechen, funktioniert nicht mehr. Nun erledige ich diese Dinge nacheinander.
Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 37-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station .