SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 47:Und was, wenn es die Spritze gar nicht gab?

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Die Ausbildung zur Pflegehilfskraft dauert ein Jahr und eröffnet Mittelschülern die Möglichkeit, danach die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft zu absolvieren. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zwischen Normal- und Intensivstationen gibt es viele Unterschiede - nicht nur im Personalschlüssel, wie Pola Gülberg erklärt. Manch ein Patient zieht daraus falsche Schlüsse und es kommt zu schlimmen Anschuldigungen.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Es gibt ein Szenario, das so oder so ähnlich immer wieder passiert: Eine ältere Person stürzt, Verletzung an der Hüfte, ab ins Krankenhaus, Operation, Versorgung auf Normalstation. Dann kommt es zu einer Thrombose, die wiederum eine Lungenembolie auslöst - und so kommt der Patient zu uns auf die Intensivstation. Dort hören wir dann von den Angehörigen oder auch vom Patienten selbst: Hier werde sich endlich richtig gekümmert, auf der Normalstation habe man ja kaum Pflegepersonal gesehen, es kommt sogar zu Anschuldigungen wie jene, dass es die Thrombose-Spritzen, die regelmäßig erfolgen müssen, nicht gegeben habe und man sei deshalb überhaupt hier auf der Intensiv gelandet. Kurz: Auf Normalstation sei die Pflege schlechter als auf Intensiv.

Mich machen solche Aussagen sehr traurig. Denn sie sind falsch. Ich fände es schön, wenn Betroffene uns einfach fragen würden, warum es bei uns anders zugeht als auf Normalstationen - denn dass es Unterschiede gibt, ist Tatsache. Stattdessen tragen einige solch despektierlichen Behauptungen in die Welt. Es ist nämlich so: Dass es im Nachgang an einen Sturz und eine OP zu einer Thrombose kommen kann, ist ein normales Risiko. Das hat nichts mit unzureichender Pflege zu tun.

Warum Patienten auf Normalstationen weniger Pflegepersonal sehen ist kein Wunder: Es arbeitet dort ja auch weniger Personal. Tagsüber sind es vielleicht drei oder vier Pflegekräfte, nachts möglicherweise nur zwei. Bei uns auf Intensiv sind wir nachmittags zu sechst, nachts zu fünft. Zugleich unterscheidet sich auch die Zahl der Patienten. In unserer Klinik werden auf Normalstationen zwischen 20 und 40 Patienten versorgt, während es auf der Intensiv zwölf bis 16 sind.

Bei doppelt so vielen Patienten haben die Teams auf Normalstationen also gut zwei Pflegekräfte weniger als wir und müssen dadurch mehr priorisieren. Das ist aber völlig legitim, denn wer auf Normalstation liegt, ist nicht schwer krank. So jemand braucht keine ständige Überwachung und Unterstützung. Aber wer Hilfe benötigt, beispielsweise beim Essen oder der Pflege, der bekommt sie auch.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei Intensivpatienten ist es hingegen wichtig, sie ständig im Blick zu haben. Deshalb ist nicht nur der Personalschlüssel anders, sondern auch jeder Bettplatz mit einem Überwachungsmonitor ausgestattet und die bauliche Struktur einer Intensivstationen darauf ausgelegt, sich schnell einen Überblick verschaffen zu können: Die Patientenzimmer haben Glaswände und -türen, Rollläden zwischen den Zimmern sorgen für ausreichend Privatsphäre - die Station wirkt offen, kompakt und überschaubar.

Diese Bauform hat zur Folge, dass die Patienten in den Zimmern freie Sicht auf die Flure haben - und dort sehen und hören sie dann uns Pflegekräfte und die Ärzteschaft bei jedem unserer Schritte.

Da auf einer Normalstation mehr Patienten versorgt werden, ist es nur logisch, dass sie auch baulich anders konzipiert ist: Glaswände in den Zimmern gibt es nicht, stattdessen ganz normale Türen und Wände. Die Flure verlaufen auch mal ums Eck herum. Durch diese bauliche Struktur sehen die Patienten und Angehörigen das Personal nur dann, wenn es bei ihnen im Zimmer ist. Aber es ist genauso ständig jemand auf der Station wie es im Intensivbereich der Fall ist.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 37-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station .

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