Neulich habe ich mich mit einer jungen Kollegin unterhalten. Erst im vergangenen Jahr hat sie ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft abgeschlossen, seitdem ist sie fester Bestandteil vom Team auf der Intensivstation. Sie erzählte mir, dass sie gerne aus dem Elternhaus ausziehen möchte. Aber der Wohnraum im Münchner Speckgürtel ist nicht nur extrem knapp, sondern auch extrem teuer – vor allem, wenn man die Miete alleine bezahlen muss. Dann halt doch zu Hause wohnen bleiben, was soll’s? – so könnten manche jetzt vielleicht meinen. Ganz so einfach ist es aber nicht.
Es ist verständlich, finde ich: Irgendwann möchte man in den eigenen vier Wänden wohnen, erst recht, wenn man mehr als ein Ausbildungsgehalt in der Tasche hat. Das ging mir auch so. Bei uns Pflegekräften kommt ein weiterer Aspekt dazu, der eine eigene Wohnung bedeutsamer werden lässt: der Schichtdienst.
Früher, als ich noch zu Hause gewohnt habe, war ich die einzige in meiner Familie mit einem Job mit drei unterschiedlichen Dienstzeiten. Es kam oft vor, dass ich aus dem Nachtdienst heimkam und meine Mutter mich fragte: „Du, Pola, wie lange schläfst du denn? Wann kann ich staubsaugen?“ Meine Familie hat in mehrerlei Hinsicht ihren Alltag an meinen Dienstplan angepasst. Auch wenn sich nie jemand darüber beschwert hat, so glaube ich, dass es trotzdem nervig, manchmal bestimmt auch umständlich gewesen sein muss. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass meine Arbeitszeiten solch großen Einfluss auf alle hatte.
In der Ausbildung ist es für viele nicht anders möglich, weil man sich keine eigene Wohnung leisten kann. Selbst dann nicht, wenn die Mieten weniger teuer sind als in der Region München. Damit will ich sagen: Es muss halt irgendwie gehen während der Azubi-Zeit. Aber irgendwann wird das einfach für alle Beteiligten zu viel.
In Ebersberg gibt es zum Glück einen Personalwohnbau. Aktuell wird sogar ein neuer geplant – es soll etwas zwischen Mehrfamilienhaus und Appartement-Gebäude werden. Das halte ich für wichtig, gerade in Zeiten von Fachkräftemangel: Es reicht nicht mehr aus, wenn Job und Arbeitgeber attraktiv sind.
Ein Kollege von mir kam wegen der Arbeit nach Deutschland. Damit er seine Familie nachholen konnte, musste er eine Wohnung vorweisen, die groß genug ist. Eine solche hat er allerdings nicht finden können. Wer auf dem freien Markt vermietet schon eine Drei- oder Vier-Zimmer-Wohnung an eine einzelne Person, wenn es noch zig andere Wohnungsbewerbungen mit zwei Einkommen pro Haushalt gibt?
Aber mein Kollege hatte Glück: Eine Patientin erzählte einer anderen Kollegin, dass sie ihre große Wohnung aufgeben wird, um in ein Pflegeheim zu ziehen. Die Kollegin brachte ihn und die Patientin zusammen – und er bekam die Wohnung, endlich konnte seine Familie nachkommen. Vielleicht klappt es so auch irgendwann bei meiner jungen Kollegin, die noch im Elternhaus lebt: mit der Klinik als Wohnungsbörse.
Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.