SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 74:Und, wie sehr tut es weh?

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 74: Medikamente gibt es viele auf der Ebersberger Intensivstation, unterschiedliche Schmerzmittel-Präparate zählen auch dazu.

Medikamente gibt es viele auf der Ebersberger Intensivstation, unterschiedliche Schmerzmittel-Präparate zählen auch dazu.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schmerzen sind nicht nur unangenehm, sondern auch hinderlich für den Heilungsprozess. Weshalb das so ist, und welche Patienten für gewöhnlich eine besonders hohe Schmerztoleranz hegen, erzählt Pola Gülberg in einer neuen Folge der Pflegekolumne.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Vor einiger Zeit habe ich eine Patientin aus dem OP abgeholt. Ihr Eingriff war so groß, dass die Ärzte davon ausgingen, sie werde starke Schmerzen haben, sobald sie aufwacht. Bei uns sollte die für sie passende Dosis an Schmerzmitteln eingestellt werden, bevor sie auf die Normalstation kommen konnte. Als ich sie nun holte, fragte die Ärztin sie wiederholt nach Schmerzen. Aber unsere Patientin antwortete jedes Mal: "Nein, eigentlich geht alles." Das verwunderte mich.

Diese Frau hatte gerade einen mehrstündigen Eingriff hinter sich, in dem ihr Tumorgewebe an beiden Brüsten sowie Lymphknoten entnommen worden waren. Außerdem wurden ihr sogenannte Expander in die Brust eingesetzt - das sind Platzhalter für spätere Implantate - und ein Druckverband angelegt. Das löst bei mir schon beim Drandenken Schmerzen aus!

Als wir das Patientenzimmer erreichten, verließ uns die Ärztin bald darauf, und ich versorgte die Frau alleine weiter. Wir unterhielten uns, als ich merkte, dass sich ihr Gesichtsausdruck veränderte, ebenso wie ihre Stimme - sie sprach immer leiser. "Haben Sie Schmerzen?", fragte ich. Die Frau bejahte.

Ich holte die Ärztin hinzu, und wir begannen mit der Einstellung der Schmerzmitteldosis. Dazu fragen wir die Patienten, wo auf einer Skala von eins bis zehn sie den aktuellen Schmerz verorten würden. Dann erhöhen wir die Dosis, sodass sich die Beschwerden bei vier einpendeln - ganz ohne Schmerzen geht es nicht, aber eine Vier ist erträglich. Dabei bedeutet das für jeden Patienten etwas anderes, das Schmerzempfinden ist etwas sehr Individuelles.

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 74: Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Niemand muss bei uns auf der Intensiv Schmerzen aushalten, wenn sie Medikamente lindern können. Das wäre kontraproduktiv für den Heilungsprozess. Denn mit Schmerzen nimmt man automatisch eine Schonatmung ein und bewegt sich kaum noch. Beides ist aber wichtig: Das tiefe Durchatmen gehört zur Pneumo-Profilaxe, senkt also das Risiko einer Lungenentzündung, das Bewegen zählt zur Thrombose-Profilaxe.

Meine Patientin hatte eine starke Persönlichkeit, sie stand mitten im Leben und hatte sich vorgenommen, innerhalb kurzer Zeit wieder arbeiten zu können. Einen solchen Typ Frau habe ich übrigens häufig bei Brustkrebspatientinnen erlebt: Frauen sind oft die Familienmanagerinnen, sich selbst stellen sie der Familie hintenan. Dementsprechend können sie Schmerzen auch gut überspielen oder haben eine hohe Toleranzgrenze aufgebaut.

Für meine Arbeit bedeutet das eine besondere Aufmerksamkeit, vor allem auf nonverbale Anzeichen für Schmerzen - wie der veränderte Gesichtsausdruck bei meiner Patientin, als wir uns unterhielten. Es ist wichtig, dass ich ein Vertrauen zu den Patienten aufbaue, damit sie wissen: Jetzt kann ich auch mal loslassen.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

Zur SZ-Startseite

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 71
:Wann wird geschockt?

Pola Gülberg schaut leidenschaftlich gerne Krankenhaus-Serien - aber nur, wenn sie einen bestimmten Test bestehen. Denn dann bieten sie neben der Unterhaltung sogar einen Lerneffekt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: