SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 96:Eine Patientenverfügung ist kein Totenschein

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 96: Wenn es keine Patientenverfügung gibt, kann auch eine medizinische Vorsorgevollmacht schon einmal ein gutes Stück weiterhelfen, damit man keine Behandlungen bekommt, die man eigentlich ablehnt.

Wenn es keine Patientenverfügung gibt, kann auch eine medizinische Vorsorgevollmacht schon einmal ein gutes Stück weiterhelfen, damit man keine Behandlungen bekommt, die man eigentlich ablehnt.

(Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Gerade ältere Menschen haben große Vorurteile, schriftlich festzuhalten, welche medizinischen Behandlungen sie wünschen und welche sie ablehnen. Pola Gülberg hat schon viele Fälle erlebt, in denen dann Maßnahmen ergriffen werden mussten, die der Patient garantiert nicht gewollt hätte.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Es gibt ein Vorurteil, das vor allem hochaltrige Menschen gerne mal haben: "Wenn ich eine Patientenverfügung ausfülle, dann hilft mir im Krankenhaus ja generell keiner mehr." So erinnere ich mich an eine ältere Patienten, der Rettungsdienst hatte sie reanimiert, wenig später lag sie intubiert bei uns auf der Intensiv. Als ich mich mit ihrer Tochter unterhielt, sagte sie mir: "Das hätte meine Mutter nicht gewollt." Doch es gab weder eine Patientenverfügung noch eine medizinische Vorsorgevollmacht. Hätten der Rettungsdienst vor Ort oder unsere Ärzte anders gehandelt, hätten sie sich strafbar gemacht. Unsere Patientin hatte der Tochter zufolge immer Angst, dass ein solches Schriftstück einem Totenschein gleichkommt.

Der Fall dieser älteren Frau ist das perfekte Beispiel dafür, dass an dem Vorurteil überhaupt nichts dran ist.

In einer Patientenverfügung kann ein Patient festlegen, welche medizinischen Maßnahmen er wünscht und welche er ablehnt. Künstliche Ernährung - ja oder nein? Wie sieht es aus mit einer Dialyse? Künstliche Beatmung? Wünscht man lebenserhaltende Maßnahmen nur für einen bestimmten Zeitraum? Drei Wochen? Drei Monate?

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 96: Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Weder muss eine Patientenverfügung notariell beglaubigt noch von einem Rechtsanwalt geschrieben sein - sie muss lediglich die Unterschrift des Betroffenen enthalten. Es kann aber freilich hilfreich sein, das Schreiben einem Rechtsanwalt und seinem Hausarzt vorzulegen, damit sowohl rechtlich als auch medizinisch alles sauber formuliert ist. Denn wenn die Wortwahl einen Interpretationsspielraum lässt, werden die Angehörigen gefragt oder ein gesetzlicher Betreuer bestellt - und die entscheiden nicht immer so, wie man es selbst tun würde.

Empfohlen wird außerdem, sie alle zwei Jahre zu überarbeiten. Denn ein aktuelles Datum sorgt dafür, dass alle Beteiligten sichergehen können: Das Geschriebene entspricht auch wirklich dem, was der Verfasser aktuell möchte. Und die Menschen im Umfeld sollten wissen, dass eine solche Verfügung existiert. Man kann sie etwa dem Hausarzt geben, dem Ehepartner oder den Eltern.

Wer schwer erkrankt ist, hochaltrig oder eine chronische schlimmere Krankheit hat, sollte sich in jedem Fall mit dem Aufsetzen einer Patientenverfügung auseinandersetzen.

Was meiner Ansicht nach hingegen jeder Mensch, auch junge und gesunde, haben sollten, ist eine medizinische Vorsorgevollmacht. Darin wird eine Person bestimmt, die den eigenen Willen vertritt, wenn man selbst nicht mehr für sich entscheiden kann. Mit dem Bevollmächtigen sollten man im Vorhinein darüber sprechen - denn auch das Gegenteil habe ich schon erlebt: Ein Patient hatte einen seiner Söhne die Vorsorgevollmacht übertragen, als dieser dann davon erfuhr, war er erst einmal überfordert mit der Situation.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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