SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 174:Gefährliche Wanderschaft

Lesezeit: 2 Min.

Eigentlich ist Wandern eine ziemlich schöne Sache - nicht aber, wenn es sich um die Wanderschaft eines Blutgerinnsels handelt. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Ein Patient von Pola Gülberg erleidet eine Lungenembolie: Ein Blutgerinnsel hatte sich gelöst und war vor die Lunge stecken geblieben. Zu seinem Glück hatte er rechtzeitig den Rettungsdienst gerufen.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Als mein Patient morgens bei sich zu Hause aufstand, hatte er schon bemerkt, dass er sich etwas schwertat mit dem Atmen – so erzählte er es mir. Denn am Ende jenen Tages landete er bei uns auf der Intensivstation. Weiter schilderte er mir, dass er sich nichts dabei gedacht habe und deshalb ganz normal in die Arbeit gegangen sei. Erst nach Feierabend, als er wieder daheim war, fiel ihm auf, dass es mit dem Atmen noch schwerer ging. Und dass ihm zusätzlich nun irgendwie komisch im Kopf war. Bald darauf verständigte er den Rettungsdienst, was eine gute Idee war: Er hatte eine Lungenembolie – und die kann tödlich enden.

Ganz korrekt heißt das eigentlich Lungenarterienembolie, denn der Übeltäter steckt in der Arterie, die die Lunge mit Blut versorgt, also im Lungenkreislauf. Dort hat sich eine Verstopfung angesammelt, meistens ausgelöst von einem Blutgerinnsel – ein Thrombus. Dieser entsteht in vier von fünf Fällen in den Beinen oder im Beckenbereich, bevor er dann auf Wanderschaft geht und schließlich im Lungenkreislauf stecken bleibt. Dadurch kann die Lunge nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt werden.

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 78
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Manchmal hat es Pola Gülberg mit Patienten zu tun, die sich partout nicht an ärztliche Anweisungen halten wollen - und sich damit in große Gefahr bringen. Was die Pflegerin dann tut, erklärt sie in einer neuen Folge der SZ-Pflegekolumne.

Protokoll: Johanna Feckl

Die zunehmende Atemnot meines Patienten ist ein typisches Symptom einer Lungenembolie – vor allem das Einatmen bereitet Schwierigkeiten. Oft kommt ein Druckgefühl auf der Brust hinzu und aufgrund des Sauerstoffmangels Schwindel, ein schwerer Kopf oder Benommenheit. Weil sich das Blut immer weiter bis zum Herzen zurückstaut, schießt früher oder später die Herzfrequenz in die Höhe. Und: In aller Regel haben die Patienten große Angst, was angesichts der geschilderten Symptome kein Wunder ist.

Der Schweregrad einer Lungenembolie hängt davon ab, wo im Lungenkreislauf der Verschluss stattfindet. Mein Patient hatte Glück im Unglück – und das, obwohl er im Krankenhaus sogar reanimationspflichtig wurde. Aber er hatte zuvor seine Symptome nicht weiter ignoriert und rechtzeitig den Rettungsdienst verständigt. Nicht auszudenken, wie die Geschichte geendet hätte, wenn er nicht die 112 gewählt hätte. Außerdem war er jung, noch keine 50, und eigentlich ein fitter Kerl. Da erholt man sich in aller Regel schneller als jemand jenseits der 80.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei uns bekam mein Patient hochprozentigen Blutverdünner, sodass sich das Gerinnsel auflöste. In manchen Fällen wird es auch mithilfe eines Katheters entfernt. Es dauert drei bis sechs Monate, ehe Betroffene wieder zurück auf ihrem alten Leistungsniveau sind – die Lunge braucht lange, um sich zu erholen. Aber sie tut es in den allermeisten Fällen, wenn man genügend Geduld mitbringt.

Warum mein Patient eine Lungenembolie bekam, blieb zunächst unklar. Zu wenig Bewegung, Blutgerinnungsstörungen, Herz- oder Krebserkrankungen, hohes Alter, Übergewicht, Diabetes, Covid, gewisse Präparate der Antibabypille, Hormonbehandlungen – keiner der Risikofaktoren traf auf ihn zu. Aber die Ursache zu kennen ist wichtig, damit das nicht wieder passiert. Mittlerweile hat man sie entdeckt.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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