SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 198:Wenn die Farben verschwinden

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Ganz so farbenfroh kommt die menschliche Haut zwar nicht daher, aber einfarbig ist sie trotzdem nicht: die Wangen leicht gerötet, Sommersprossen und Muttermale, der Handrücken gebräunter als die Innenfläche. Bei einer Leberzirrhose verschwinden all diese Farben aber. (Foto: Johannes Simon)

Patienten mit einer fortgeschrittenen Leberzirrhose bekommen einen sogenannten Ikterus – Gelbsucht in der Umgangssprache. Für Pola Gülberg ist aber weniger die Farbe an sich markant, sondern etwas anderes.

Protokoll von Johanna Feckl, Ebersberg

Wenn man die Krankheit „Leberzirrhose“ hört, dann ploppt bei vielen Leuten sofort ein Klischee auf: Ja, der typische Säufer eben, irgendwann gibt die Leber halt den Geist auf, selbst schuld – um es mal ganz salopp zu formulieren. In Deutschland ist tatsächlich in mehr als der Hälfte aller Fälle ein übermäßiger Alkoholkonsum die Ursache, aber eben längst nicht immer. So geht bei gut einem Drittel aller Leberzirrhose-Patienten die Erkrankung auf Hepatitis-Viren zurück. Meiner Erfahrung nach wissen das jedoch die wenigsten.

Bei einem gesunden Organismus ist die Leber für verschiedene Aufgaben zuständig. So produziert sie Gallenflüssigkeit, die für die Aufnahme und Verarbeitung von Fetten sowie Vitaminen aus dem Darm gebraucht wird. Außerdem produziert sie Eiweiß, damit Nährstoffe weiter zu anderen Organen transportiert werden können. Und sie baut Giftstoffe im Blut ab, zum Beispiel Alkohol. Das alles mündet im selben Punkt: Die Leber trägt einen großen Teil zur Immunabwehr bei. Das bedeutet, dass der Körper langfristig nicht ohne sie funktionieren kann, das Organ ist überlebenswichtig.

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Pola Gülberg versorgt einen Patienten, der eine neue Leber braucht. Doch weil der Mann trockener Alkoholiker ist, gibt es strenge Regeln für eine Transplantation - ohne Ausnahme, und zwar aus gutem Grund.

Protokoll: Johanna Feckl

Das Problem bei einer Leberzirrhose ist nun, dass das Organ durch Schäden – am häufigsten eben aufgrund von Alkohol oder Hepatitis-Viren – vernarbt ist. Dadurch verliert die Leber ihre Fähigkeit, das zu tun, was sie tun sollte. Man kann sich das vorstellen wie bei einem Verbrennungsopfer: Wenn die Oberfläche der Haut verletzt ist, führt das zu weiteren Störungen, etwa der Sensorik oder Motorik. So ist es auch beim Narbengewebe in der Leber: Durch das kann immer weniger Blut aufgenommen werden, es kommt zu einem Rückstau und einem Überdruck in der Pfortader.

Zu Beginn merken das die wenigsten, denn die Symptome sind banal. Müdigkeit, verringerte Belastbarkeit, ab und an Schwindel – da kommt ja kein Mensch drauf, dass das in Zusammenhang mit einer Leberzirrhose stehen könnte!

Mein Patient hatte diese Phase längst hinter sich. Er hatte unter anderem bereits einen stark ausgeprägten Ikterus, also Gelbsucht, bei der sich die Haut und das Augenweiß verfärben. Das ist aber nicht nur wegen des Gelbs sehr markant. Normalerweise trägt ein Mensch ja viele Farben, zum Beispiel ist der Handrücken durch die Sonne gebräunter als der Oberschenkel, die Wangen sind bei manchen leicht gerötet. Bei einem Ikterus jedoch hat alles den exakt selben Farbton.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie es für den Mann ausgeht, ist ungewiss. Er wartet – nur eine neue Leber kann ihn retten. Denn zwar kann man das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen, doch eine Leberzirrhose ist nicht heilbar. Wenn Narben einmal da sind, dann bleiben sie auch. Leider gibt es nicht viele Organspender. Zumindest nicht so viele, wie man bräuchte und theoretisch haben könnte, wenn mehr Menschen einer Spende zustimmen würden.

Alkoholiker war mein Patient übrigens nicht. Und selbst wenn, finde ich nicht, dass das ein Grund wäre, ihn zu verurteilen. Denn auch bei demjenigen, der trinkt, steckt ja etwas hinter dieser Sucht und seinem Konsum.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind online unter sz.de/aufstation zu finden.

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