SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 104:"Nicht jeder braucht das, aber vielen hilft es"

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 104: Oft erkennt Pola Gülberg anhand der gefalteten Hände, dass die Seelsorgerinnen gemeinsam mit den Patienten beten.

Oft erkennt Pola Gülberg anhand der gefalteten Hände, dass die Seelsorgerinnen gemeinsam mit den Patienten beten.

(Foto: Victoria Bonn-Meuser/dpa)

Schon oft hat es Pola Gülberg erlebt, dass Angehörige von todkranken Patienten überfordert sind mit der Situation oder auch, dass der Redebedarf über religiöse und spirituelle Gedanken groß ist. In solchen Fällen tritt die Klinik-Seelsorge auf den Plan.

Protokoll von Johanna Feckl, Ebersberg

Vor einiger Zeit habe ich einen Patienten versorgt, der bereits ein paar Mal bei uns gewesen war. Er war vorerkrankt, sein Körper geschwächt. Dieses Mal war er schon nicht mehr recht bei Sinnen, als er von der Normalstation zu uns kam. Er wurde reanimationspflichtig, danach sorgten Intubation, Beatmungsmaschine und unzählige Medikamente dafür, dass sein Kreislauf funktionierte - aber selbst mit all diesen Mitteln war er äußerst schwach. Aus medizinischer Sicht war klar: Alle weiteren Maßnahmen würden seinen Zustand nicht mehr verbessern, sondern das Unvermeidliche nur noch hinauszögern - der Mann würde sterben.

Wer das jedoch nicht wahrhaben wollte, das war die Frau des Patienten.

Das erlebe ich immer wieder: Angehörige befinden sich in einer solch außergewöhnlichen und herausfordernden psychischen Situation, dass es manche nicht schaffen, die Realität anzuerkennen. Eine große Hilfe ist dann die Klinik-Seelsorge.

Aktuell gibt es an unserer Klinik zwei evangelische Seelsorgerinnen, die sowohl mit Patienten als auch mit Angehörigen sprechen, ganz egal, welcher Konfession sie angehören. Abwechselnd kommen sie montags bis freitags zu uns und schauen, was ansteht. Manchmal besuchen sie gezielt Patienten, mit denen sie bereits auf Normalstation gesprochen haben. Ist das nicht der Fall, dann fragen sie uns Pflegekräfte und wir gehen gegebenenfalls gezielt durch die Zimmer und fragen unsere Patienten, ob sie ein Gespräch wünschen. Die Arbeit der Seelsorgerinnen deckt eine andere Ebene ab als die von uns Pflegekräften oder den Ärzten. Nicht jeder braucht das, aber sehr vielen hilft es.

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 104: Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Manchmal kommt es auch vor, dass die Initiative von uns kommt. Ich erinnere mich an einen Patienten, der sehr viel Redebedarf hatte. Natürlich spreche auch ich mit meinen Patienten und höre ihnen zu. Mich interessiert die Biografie, die Anamnese, Vorerkrankungen - all so etwas. Über das Seelenheil oder Religiöses hingegen geht es selten. Darüber sollten die Patienten mit Menschen reden, die darin Expertise haben - und das sind nicht wir Pflegekräfte. Also habe ich dem Patienten von der Möglichkeit zu einem Gespräch mit unserer Seelsorge erzählt. Das Angebot hat er dankend angenommen.

Auch bei der Ehefrau meines Patienten, der keine Chance mehr auf Heilung hatte, war es ähnlich. Sie war so außer sich, dass ich auf die anderen Angehörigen zu bin und ihnen die Unterstützung unserer Seelsorgerinnen angeboten habe. Am Ende war die Ehefrau unglaublich dankbar und erleichtert über diese Hilfe.

Was die Seelsorgerinnen mit Patienten oder Angehörigen bereden, weiß ich nicht - sie unterliegen der Schweigepflicht und ich verlasse in solchen Situationen das Zimmer, um die Privatsphäre zu respektieren. Manchmal erkenne ich anhand der gefalteten Hände, dass sie gemeinsam beten. Und ich weiß: Unsere Seelsorgerinnen strahlen eine unglaubliche Ruhe aus, das tut den Patienten gut.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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