SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 159:„Pola ist so bitter“

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Der Name eines Medikaments, das in der Drogenersatztherapie als Substitut für Heroin zum Einsatz kommt, erinnert einen Patienten an die Pflegerin. Die meisten Betroffenen spritzen sich ihr Heroin. (Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Ein Patient von Pola Gülberg ist erstaunt, als sich die Pflegerin mit ihrem Vornamen vorstellt. Er kennt den Namen nämlich aus einem ganz anderen Zusammenhang.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Es war zu Beginn meines Frühdiensts, als ich zu meinem Patienten ins Zimmer ging und ihm sein Medikament brachte – er nahm an einer Drogenersatztherapie teil und bekam zweimal am Tag sein Substitutionsmittel. Ich fragte ihn, ob er sein Frühstück auch gleich haben möchte. „Ne, ne, ich warte lieber noch ein bisschen“, antwortete er, „das Pola ist immer so bitter.“ Da stutzte er plötzlich und schob mit etwas Hektik in der Stimme hinterher: „Aber nicht, dass Sie das jetzt auf sich beziehen – Sie sind gar nicht bitter, Sie sind sehr nett! Ich meine das andere Pola.“

Da musste ich lachen. Das Medikament, das ich meinem Patienten brachte, nennt sich Polamidon. Das ist ein synthetisch hergestelltes Opioid, das in erster Linie als Heroin-Ersatzmittel eingesetzt wird. Der körperliche Entzug, den der Betroffene ansonsten hätte, wird dadurch umgangen, und zwar ohne die Begleiterscheinung eines Rauschzustands, den es bei Heroin gäbe. Polamidon wird von den meisten Betroffenen gar nicht so genannt. Sie kürzen das Wort ab und sagen „Pola“ – so heiße ich mit Vornamen und so stelle ich mich meinen Patienten auch vor.

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Protokoll: Johanna Feckl

Mit meinem Namen habe ich schon vieles erlebt – ich bin es gewohnt, dass Leute ihn nicht gleich beim ersten Mal verstehen. Wenn ich mich meinen Patienten vorstelle, dann höre ich sehr oft verwirrte Nachfragen: „Wie war das?“ „Paola?“ „Paula?“

Einmal antwortete einer meiner Patienten, der aus Kroatien stammt: „Wirklich? Pola?“ Er konnte es gar nicht fassen. Ich lachte. Mir war schon klar, warum er so verdutzt war. In Kroatien gibt es das Traditionsgericht „Pola-Pola“, das heißt so viel wie „Halb-und-halb“ und besteht aus verschiedenen Fleichgerichten. Ich kenne es aus Familienurlauben in meiner Kindheit, die wir öfter mal in Kroatien verbrachten. Überall war mein Name zu lesen, das fanden meine Geschwister und ich ziemlich witzig.

Früher habe ich oft eine Erklärung zu meinem Namen hinterhergeschoben, wenn ihn mein Gegenüber nicht verstanden hat. „Ja, Pola, wie Cola nur mit P“ – bis mich zwei Leute dann Pepsi genannt haben und noch viel verwirrter waren. Seitdem lasse ich diese Erklärung lieber weg.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das „Pola“ kurz für Polamidon ist und was das überhaupt ist, wusste ich auch vor meiner Arbeit in der Pflege schon. Als ich mich bei einem Sucht-Präventionskurs in der Schule dem Polizisten, der den Kurs halten sollte, vorstellte, da hat er mich mit dem gleichen verwirrten Blick angeschaut, wie ich ihn schon viele Male zuvor gesehen habe. Er war aber nicht verdutzt, weil er ihn nicht verstanden hatte. Sondern weil er sofort an Polamidon denken musste, wie er dann erklärte. Mein Name kommt übrigens von dem spanischen Wort für Mohnblume, „amapola“ – meine Eltern haben eine Schwäche für Mohnblumen.

Mein Patient, dem ich sein Polamidon brachte, sagte dann noch zu mir: „Mei, Schwester Pola, jetzt werde ich jeden Tag in der Früh an Sie denken müssen, wenn ich mein Pola bekomme.“

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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