SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 199:Diagnose per Nase

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Weinkenner erkennen schon am Geruch, ob es sich bei dem im Glas um einen guten oder eher weniger guten Wein handelt. Bei Krankheitskennern kann die Nase ebenso nützlich sein.
Weinkenner erkennen schon am Geruch, ob es sich bei dem im Glas um einen guten oder eher weniger guten Wein handelt. Bei Krankheitskennern kann die Nase ebenso nützlich sein. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Bei manchen Patienten bräuchte Pola Gülberg gar nicht in die Patientenakte schauen, um zu wissen, welche Krankheit die betroffene Person ins Krankenhaus geführt hat. Magie oder wie?

Protokoll von Johanna Feckl, Ebersberg

Wenn Patienten zu uns auf die Intensivstation kommen, ist die Diagnostik in den meisten Fällen schon gelaufen. Wir brauchen also nur die Patientenakte greifen und können darin lesen, um welche Krankheit und Symptome es jeweils geht. Manchmal ist es jedoch auch so, dass ich dort gar nicht hineinschauen müsste, um die Diagnose zu wissen – ein kurzer Aufenthalt beim Patienten reicht dafür ebenso aus.

Mit Hellseherei hat das freilich nichts zu tun – ich bin ja nicht das Orakel von Delphi aus der antiken Mythologie Griechenlands. Schön wär’s! Der Grund ist: Ich rieche die Krankheit. Denn manche tauchen den Patienten in eine solch eigentümliche Duftwolke, dass es wirklich nicht schwer ist. Da braucht es weder ein sonderlich ausgeprägtes Riechorgan meinerseits noch irgendeine Besonderheit der Haut beim Erkrankten. Besonders geruchssensible Menschen sind sogar eher im Nachteil, würde ich sagen. Denn oft sind die Gerüche so intensiv, dass es nicht unbedingt angenehm ist, diesem über eine ganze Schicht hinweg immer wieder für längere Zeit ausgesetzt zu sein, wenn man am Patienten zugange ist.

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Protokoll: Johanna Feckl

Obwohl ich selbst eher empfindsam auf verschiedene Aromen reagiere, kann ich schlechte Gerüche recht gut wegstecken. Diese Eigenschaft ist mir bei meinem Beruf bereits so manches Mal zugutegekommen, zum Beispiel, als ich einem älteren Patienten einen Nabelstein aus dem Bauchnabel entfernte, wie ich an anderer Stelle in dieser Kolumne schon mal erzählt habe. Da musste ich mir wirklich Mühe geben, keine Miene zu verziehen. Die Gerüche bestimmter Krankheiten sind da viel weniger schlimm.

Zum Beispiel können größere Wunden süßlich riechen. Das wird allerdings schnell wieder übertüncht durch den strengen Geruch von Ethanol im Desinfektionsmittel, mit dem ich die Wunde reinige. Das Süßliche in der Nase zu registrieren ist wichtig, denn es könnte ein Anzeichen für eine bakterielle Infektion sein: Die Keime, die sich in solchen Fällen in der Wunde angesiedelt haben, produzieren Stoffwechselprodukte, die von süßlich bis ziemlich übel riechen können. Manchmal ist eine solche Infektion sogar schon zu riechen, bevor sie überhaupt mit dem Auge zu erkennen ist.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.
Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Säuerliche Gerüche hingegen weisen gerne mal auf eine Notfallsituation hin. Ein Herzinfarkt zum Beispiel hat mich oftmals schon an das Aroma erinnert, das ein gegärter Apfel verströmt. Ganz anders ist es wiederum bei neurologischen Patienten, an denen haftet oftmals ein süßlicher Geruch – aber anders süßlich als bei Wunden, ich kann es schwer mit Worten beschreiben.

Wie sehr manche Gerüche zu bestimmten Krankheiten oder Notfallsituationen gehören, sieht man auch daran, dass es Assistenzhunde gibt, die bei bestimmten Situationen Alarm schlagen. Diabetikerwarnhunde zum Beispiel warnen ihr Herrchen oder Frauchen vor einer drohenden Unter- und Überzuckerung, bevor eine solche tatsächlich eingetreten ist – das habe ich auf der Homepage vom Deutschen Assistenzhunde-Zentrum gelesen.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind online unter sz.de/aufstation zu finden.

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