Depression ist nicht unbedingt ein leichtes Thema. Aber es ist eines, das für viele Menschen zu ihrer Realität gehört – und ebenso zu der einer Intensivstation. Deshalb bin ich der Ansicht, dass es nicht ausgespart werden sollte, darüber zu sprechen. Auch nicht in dieser Kolumne.
Depressive Phasen hat vermutlich schon jeder einmal erlebt. Zum Beispiel, weil ein naher Angehöriger oder ein lieber Freund gestorben ist. Oder weil es einen starken Einschnitt im Job gab, der einen unzufrieden stimmt. Oder vielleicht auch, weil einen selbst eine schwere Krankheit trifft. Das ist nicht schön, natürlich nicht, aber dennoch gehören solche Episoden zum Leben dazu. Und sie vergehen auch wieder. Wenn sich die depressive Phase jedoch zu einer Depression ausweitet, dann wird’s unter Umständen gefährlich.
Deshalb ist es wichtig, mit seinem nächsten Umfeld zu kommunizieren – sich mitzuteilen, im Austausch mit anderen Menschen zu bleiben, selbst wenn es einem schlecht geht. Das bedeutet nicht, dass sich niemand mal zurückziehen darf. Wie man mit Schicksalsschlägen und Veränderungen im Leben umgeht, ist schließlich auch Typsache. Aber wenn man sich für längere Zeit abkapselt, mit niemandem über das, was einen bedrückt, spricht und sich stattdessen völlig der depressiven Stimmung hingibt, dann ist die Gefahr groß, dass man irgendwann nicht mehr alleine herausfindet. Und sich der Strudel aus negativen Gedanken immer schneller dreht, immer größer und einnehmender wird.

Dann kann es sein, dass Betroffene zu Patienten auf der Intensivstation werden. Nicht wegen der Depression an sich, sondern weil die Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass die Betroffenen nur noch einen einzigen Ausweg erkennen können: Sie begehen einen Suizidversuch. Bei uns werden sie dann anhand unserer Monitore überwacht. Oft dauert es aber nur eine Nacht, bis sie stabil genug sind, um in eine Psychiatrie überwiesen zu werden.
Niemals würde ich einen betroffenen Patienten fragen: „Wieso hast du das gemacht?“ Das ist eine unglaublich bedrohliche Frage, eine Schuldzuweisung sogar. Und die ist überhaupt nicht gerechtfertigt. Denn oft steht keine bewusste Entscheidung, keine bewusste Handlung dahinter – es sind Kurzschlussreaktionen: Logisch zu denken, wenn alles im Kopf von einem dunklen Nebel eingenommen ist, funktioniert in vielen Fällen nicht mehr richtig.
Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.
Anmerkung der Redaktion: Die Berichterstattung über Suizide gestalten wir bewusst zurückhaltend. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide. Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.