Seit einiger Zeit gibt es an unserer Kreisklinik eine Erscheinung, die alle Jahre wieder kommt. Nicht das Christuskind, wie das bekannte deutsche Weihnachtslied behauptet – bis das kommt, dauert es noch ein paar Wochen. Sondern Corona. Sobald die Sommerferien übergehen in die Rosenheimer Herbstfestzeit und daran nahtlos die Münchner Wiesn anschließt, klettern bei uns im Krankenhaus die Fälle von Patienten mit Corona nach oben. Und jedes Jahr ist das ein Kraftakt für das gesamte Haus, diese Phase für alle Beteiligten gut zu überstehen – heuer war er wesentlich anstrengender als im vergangenen Herbst. Denn die Fallzahlen waren teils so hoch, dass überlegt wurde, ob eine eigene Isolationsstation eingerichtet werden muss.
Corona ist zum Glück mittlerweile in einer Variante unterwegs, die für die meisten Menschen kaum eine langfristige gesundheitliche Gefahr darstellt. Für viele Personenkreise gilt das aber nach wie vor nicht – ebenso beispielsweise wie Grippe. Da in den Krankenhäusern nun genau eben jene Klientel liegt, die ohnehin körperlich geschwächt ist, vorerkrankt, schwanger oder alt, ist besondere Vorsicht geboten, damit sich das Virus im Haus nicht weiterverbreitet.
SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 63:Mit Post-Covid am Beatmungsgerät
Vor einigen Wochen hat Pola Gülberg ihren ersten Patienten mit überstandener Corona-Infektion versorgt. Sein Verlauf damals war mild, jetzt kam er mit starker Luftnot auf die Intensivstation.
Auf unserer Intensivstation haben wir zwei Isolationszimmer. Im vergangenen Jahr sind Patienten, die isoliert werden mussten, einfach zu uns gekommen – auch wenn ihr Zustand ansonsten nicht unbedingt einen Intensiv-Aufenthalt notwendig gemacht hätte. Nun hat das aber nicht mehr funktioniert, weil es zu viele isolationspflichtige Fälle waren.
Man muss sich vorstellen: Auf Normalstationen gibt es hauptsächlich Zwei- oder Drei-Bett-Zimmer. Wenn also ein Patient isoliert werden muss, dann können bis zu zwei andere Betten nicht belegt werden. Das senkt die Gesamtkapazität an Patienten, die die Klinik aufnehmen kann. Außerdem bedeutet jede Isolation mehr Aufwand – vor allem zeitlich: für Pflegekräfte und das Ärzteteam durch die Verkittelungsprozedur, für die Reinigungskräfte durch die intensive Zimmerreinigung nach Entlassung des Patienten. Und auch vor uns macht Corona natürlich nicht Halt. Zuletzt sind aus meinem Team deswegen vier bis fünf Leute ausgefallen – dass es noch andere Krankheiten gibt, wegen derer man nicht arbeiten kann, ist da noch gar nicht berücksichtigt. Da stellt sich dann auf einer Normalstation bei drei Corona-Fällen schon die Frage: Ist das überhaupt noch handelbar?
Deshalb gab es bald Kohorten-Isolationen, also beispielsweise ein Drei-Bett-Zimmer mit drei Patienten, die coronapositiv waren. Aber ein solches System gelangt auch irgendwann an seine Grenzen.
Auf Intensiv verging in den jüngsten Wochen keine einzige, in der wir nicht jemanden isoliert behandeln mussten. Teilweise waren es sechs Fälle. Nicht alles Corona, aber das kommt eben nun auch noch hinzu, meistens mittlerweile als zufällige Nebendiagnose. Aber am Isolationsprozedere ändert das nichts. Vor der Pandemie hatten wir definitiv weniger Isolationspatienten zu versorgen.
Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 40-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.