SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 154:Nase zu und durch

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Bei weniger guten Gerüchen greift Pola Gülberg auf einen Trick mit Masken zurück. Doch ein Allheilmittel ist das leider nicht. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Pola Gülberg entdeckt am Bauchnabel eines Patienten eine dicke, feste Kruste. Es ist keine Verletzung, sondern ein Zeichen dafür, dass hier schon lange niemand mehr gewaschen wurde. Also holt das die Pflegerin nach - mit einem unangenehmen Nebeneffekt.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Es war im Frühdienst, als ich meinen älteren Patienten beim Zähneputzen unterstützte. Danach war der Mann schon recht erschöpft, also sagte ich kurzerhand: "Wissen Sie was, jetzt legen Sie sich ganz entspannt zurück und ich mache den Rest." Und so legte ich seinen Oberkörper frei und arbeitete mich mit einem Waschlappen von oben nach unten - bis ich am Bauchnabel des Herren angelangt war. Da war irgendwas drin. Kein Fussel von der Kleidung, wie es ja gerne mal passiert. Nein, es war eine feste Kruste, die ich mit dem Waschlappen nicht mal ansatzweise lösen konnte. Der Bauchnabel wurde offensichtlich schon sehr lange nicht mehr gewaschen.

In solchen Situationen ist Sensibilität von uns Pflegekräften gefragt. Den Nabelstein einfach lassen und so tun, als ob wir das beim Waschen nicht bemerkt hätten, ist nicht gut. Im schlimmsten Fall kann sich der Bauchnabel dann entzünden. Dem Patienten aber sagen "Puh, da haben Sie sich aber ganz schön schlecht gewaschen, das ist total verkrustet, da müssen wir jetzt schon schwerere Geschütze auffahren" - das geht natürlich nicht. Denn ja, ein Nabelstein entsteht in der Regel, weil man den Bauchnabel über lange Zeit hinweg nicht gewaschen hat. Aber das einem Patienten so direkt zu sagen, würde bei den meisten dazu führen, dass sie sich schämen und unwohl fühlen. Ich will meinen Patienten nicht als Schmutzfink darstellen. Dadurch wäre für niemanden etwas gewonnen.

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Und so wusch ich meinen Patienten erst einmal fertig und sagte dann: "Ich glaube, Sie haben da etwas in Ihrem Bauchnabel - ich hole dafür grad mal was." Da sagte der Mann schon, wie super das doch wäre, weil er da selbst immer so schlecht hinkäme. Es schien mir, als ob ihm durchaus bewusst war, dass seine Körperpflege nicht mehr die beste war. Aber mehr ging aufgrund seines fortgeschrittenen Alters eben nicht. Mit einer Art langem Q-Tip und Desinfektionsspray kehrte ich schließlich wieder zurück und machte mich daran, den Nabelstein zu lösen.

Als ich es geschafft hatte, fragte mein Patient: "Ja, Mensch, was hat da denn jetzt so komisch gerochen?" Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie genau ich ihm erklärte, dass das sein Bauchnabel war - es roch wirklich richtig unangenehm. Es war gar nicht so leicht, dass ich bei dem Geruch keine Miene verzog.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Man muss sich den Nabelstein wie einen Stöpsel aus abgestorbenen Hautzellen vorstellen, der den Nabel luftdicht verschließt: Wenn in einem sehr kleinen Raum eine lauschig hohe Temperatur herrscht und lange nicht gelüftet wird, dann fängt es dort auch irgendwann zu miefen an.

Wenn ich heute von vornherein weiß, dass ich mit starken Gerüchen konfrontiert werden könnte, träufle ich manchmal ein paar Tropfen Aroma-Öl auf eine Maske und setze sie dann auf. Das hilft ein bisschen, aber nicht viel. Letztlich heißt es also: Nase zu und durch - ich lasse mir nichts anmerken. Denn wichtiger ist, dass mein Patient sich nicht unwohl fühlt, weil es in seinem Zimmer gerade streng riecht.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 39-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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