Süddeutsche Zeitung

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 90:Viel mehr als nur ein Wohlgeruch

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Bei fast jedem Patienten von Pola Gülberg kommt als zusätzliche Maßnahme eine Aromatherapie zum Einsatz. Mit Räucherstäbchen oder Duftschalen hat das jedoch nichts zu tun.

Protkoll: Johanna Feckl, Ebersberg

Vor kurzem versorgte ich einen sedierten und beatmeten Patienten, der mit einer extrem starken Schuppenflechte zu kämpfen hatte. Das war nicht der Grund für seinen Aufenthalt auf der Intensivstation, aber dadurch hatten wir noch eine weitere Baustelle. Denn durch offene Hautstellen könnten Bakterien eintreten und eine Infektion auslösen. Normalerweise benutzen wir desinfizierende Einmalwaschlappen zum Waschen der Patienten. Das ist die hygienischste Variante, allerdings sind die Waschlappen auch recht hart - viel härter als ein Frottee-Waschlappen, den man von zu Hause kennt. Als ich nun aber vor dem Mann stand, seine kaputte und schuppige Haut sah, da dachte ich mir: Nein, ich kann da unmöglich mit dem harten Waschlappen drüber gehen. Da hatte ich eine Idee: eine Aromatherapie.

Bei Aromatherapie denken vermutlich die meisten im ersten Moment an Räucherstäbchen oder -schalen, deren Gerüche man mit ausschweifenden Bewegungen der Hände im Raum verteilt. In der Pflege meint das jedoch etwas anderes, nämlich wenn bestimmte Mischungen aus ätherischen Ölen in der Therapie zum Einsatz kommen.

Wir haben vier verschiedene Standardöle in Gebrauch, deren Rezeptur von Aromatherapeuten stammt, und die wir eigens in Apotheken mischen lassen. Zum Beispiel ein Liege-Öl, mit dem wir vor allem den Steißbereich oder Fersen der Patienten einreiben - man überlege nur, wie viel Gewicht die Haut an diesen Stellen im Liegen trotz regelmäßiger Entlastung aushalten muss. Das Öl hilft, die Haut in den entsprechenden Bereichen geschmeidig und elastisch zu halten. Es ist eine Präventionsmaßnahme.

Darüber hinaus haben wir noch reine Aromen, die wir nach Bedarf einsetzen können - ein solches habe ich für meinen Patienten mit der Schuppenflechte verwendet. Nach Rücksprache mit einer Kollegin, die sich in dem Metier besser auskennt als ich, habe ich für ihn eine Waschung mit Lavendel vorbereitet. Denn Lavendel hat eine sehr gute antiseptische, beruhigende und schmerzlindernde Wirkung und war damit genau das, was der Mann brauchte.

Zuerst gab ich etwas Lavendelöl in einen Becher Kaffeesahne, die als Trägersubstanz diente. Danach goss ich beides in eine Schüssel mit warmen Wasser. In das Gemisch tauchte ich dann einen weichen Handtuchwaschlappen und wusch meinen Patienten. Ein paar Tage später sah seine Haut viel besser aus, die trockenen Stellen waren geschmeidiger geworden und generell war nicht mehr alles so gerötet.

Immer wieder bin ich erstaunt, was wir durch den Einsatz von Aromatherapie und bestimmter Öle erreichen können. Vor allem auf der Palliativstation kommt diese Form der Therapie als unterstützende Maßnahme zum Einsatz, mehr noch als bei uns auf der Intensivstation. Aromatherapie ist definitiv viel mehr als eine angenehme Duftbesprühung.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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