SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 75:Telefon statt Stethoskop

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 75: Das Stethoskop bleibt derzeit häufig in der Tasche - zunächst müssen Ärzte und Ärztinnen auf der Intensivstation telefonieren.

Das Stethoskop bleibt derzeit häufig in der Tasche - zunächst müssen Ärzte und Ärztinnen auf der Intensivstation telefonieren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dieser Tage sieht man die Ärzte auf der Intensivstation von Pola Gülberg häufiger telefonieren als noch vor einigen Wochen. Das ist notwendig für die Patientenversorgung - zugleich aber auch hinderlich.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

"Das ist doch eigentlich ein Schmarrn." Das hat neulich einer unserer Ärzte am Telefon gesagt, als es darum ging, ob wir auf der Intensivstation eine Patientin mit hohem Blutverlust aufnehmen könnten. Denn während des Gesprächs befand sich die Frau in einem Rettungswagen vor einer Münchner Klinik, in der die Blutbank viel umfangreicher ist als bei uns in der Kreisklinik. Unter solchen Umständen wäre es also eigentlich logisch gewesen, die Frau in dieser Klinik zu behandeln. Das ging aber leider nicht: Es gab dort kein freies Intensivbett - Blutbank hin oder her.

Das Klinikum in Erding, das der Rettungsdienst als erstes angesteuert hatte, und die Münchner Klinik, vor der der Rettungswagen nun stand, sowie alle anderen Kliniken im Umfeld waren voll. Wir in Ebersberg waren die einzigen, die zu dem Zeitpunkt ein freies Intensivbett zu bieten hatten.

Es ist ein hoher logistischer Aufwand, ein geeignetes Intensivbett zu finden

Dass diese Umherfahrerei für Patienten alles andere als angenehm ist und obendrein Kapazitäten des Rettungsdienstes bindet, habe ich bereits in einer früheren Folge erzählt. Hinzu kommt aber auch, dass die Bettsuche für die beteiligten Ärztinnen und Ärzte einen immensen logistischen Aufwand bedeutet. Denn die Retter fahren nicht einfach die nächstgelegene Klinik an, sondern stellen ihren Patient den Ärzten auf der Intensivstation dort erst einmal telefonisch vor. Ein zeitraubendes Prozedere - wer telefoniert, kann nicht zur selben Zeit einen Patienten versorgen.

Seit Corona gehört das beinahe zum Klinikalltag. Die Erstversorgung der betroffenen Patienten hat bereits stattgefunden, entweder in der Notaufnahme einer anderen Klinik oder durch den Rettungsdienst. Im Sommer sind solche Fälle etwas seltener vorgekommen, aktuell erleben wir jedoch eine Spitze.

Telefonische Absprachen sind wichtig, um zu klären, ob die angefragte Klinik überhaupt die notwendigen Ressourcen hat, um den Patienten zu versorgen. Denn nicht immer reicht es aus, dass es ein freies Intensivbett gibt.

SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 75: Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

So war bei der Frau mit dem hohen Blutverlust ein relevanter Faktor, ob eine Gynäkologin zur Verfügung steht, um möglicherweise eine Notfall-Operation durchzuführen - die Frau hatte aufgrund einer Tumorerkrankung eine gynäkologische Blutung. Erfüllt die angefragte Klinik die benötigten Umstände nicht, geht das Spiel von vorne los: Es wird das nächste Krankenhaus mit freiem Intensivbett angerufen.

In diesem Fall war nur ein Telefonat nötig. Unsere diensthabende Gynäkologin befand sich im Moment des Anrufs zwar noch bei einer Geburt, aber es war absehbar, dass sie bald wieder frei sein würde. Als das Rettungsteam eintraf, war die Notärztin sichtlich erleichtert, endlich einen geeigneten Platz für die Patientin gefunden zu haben. Sie bedankte sich sogar für die Übernahme - also für etwas, das dieser Tage leider nicht mehr selbstverständlich ist.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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