Pflege von Demenzpatienten:Taten gefragt

Glückwunsch an den Reischlhof und die Innere Mission München als Träger des Pflegeheims: Hier scheint tatsächlich der Mensch im Mittelpunkt zu stehen.

Von Anja Blum

Stellen Sie sich vor, Sie werden aus Versehen irgendwo eingesperrt. Das ist kein schönes Gefühl. Jeder Mensch wird versuchen, sich aus einer solchen Lage zu befreien, das Bedürfnis nach Freiheit ist ein tiefsitzender Instinkt - und wird selbst von einer Demenzerkrankung nicht unterbunden.

Im Ebersberger Reischlhof lebt zum Beispiel eine Dame, die fast jeden Nachmittag mit ihrer Handtasche am Arm vor der Tür ihrer Station steht - in der Hoffnung, doch einmal hindurch schlüpfen zu können. Am Fuß trägt sie einen Transponder, der ihr den Durchgang eigentlich verwehrt. Doch letztens war es so weit: Zwei junge, höfliche Besucher hielten der Dame die Türe auf. Das alarmierte Personal konnte die desorientierte Bewohnerin gerade noch von einem Ausflug abhalten.

Draußen nämlich, und das ist die andere Seite der Medaille, sind ältere Menschen mit Orientierungsschwäche vielen Gefahren ausgesetzt. Schnell finden sie sich nicht mehr zurecht beziehungsweise zurück nach Hause - mit unabsehbaren Folgen. Deswegen ist in Heimen wie dem Reischlhof, in dem viele Demenzpatienten leben, freilich Vorsicht geboten.

Für die Pflege ist es eine Gratwanderung

Und so ist das Dilemma zwischen Freiheit und Sicherheit, die Gratwanderung zwischen Fürsorge und Bevormundung, in allen Einrichtungen für Senioren allgegenwärtig. Einsperren oder gar Festgurten darf keine schnelle Lösung sein - sondern höchstens ultima ratio, das beteuern alle Verantwortlichen. Doch hier sind nicht nur Worte gefragt, sondern vor allem Taten. Die Träger müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, den ihnen Anvertrauten so viel Bewegungsfreiheit und Raum für eigene Entscheidungen zu lassen wie irgend möglich - auch wenn dies viel Aufwand und Kosten verursacht.

Insofern kann man den Reischlhof und die Innere Mission München nur beglückwünschen zu diesem Pilotprojekt, das verwirrten Menschen mehr Freiheit und zugleich Sicherheit bietet. Zumal bereits drei weitere Häuser des Trägers auf der Warteliste für die neue Technik stehen. "Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt", sagt Pfarrer Günther Bauer, Vorstand der Inneren Mission. Das kann man ihm offenbar glauben.

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