Süddeutsche Zeitung

Petition wird im Kreistag behandelt:9492 Unterschriften gegen Umfahrung und Windräder

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Mehrere Initiativen übergeben dem Landrat eine Petition zur Erhaltung des Ebersberger Forsts. Sie wollen damit zwei Projekte verhindern.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg/Forstinning

Die Online-Petition ist jetzt ein analoges Trumm: Ein dicker Papierstoß, zusammengeheftet in einem schwarzen Ordner. Sie beginnt mit einer Erklärung an den Landrat. Insgesamt hat diese Unterschriftensammlung 712 Seiten, 456 davon bedruckt mit Namen. "9492 Unterschriften", so heißt es, 7000 davon "aus dem Landkreis Ebersberg". Eine kurze Rechnung ergibt, dass dieser Ordner samt Inhalt gut drei Kilo wiegen dürfte. Das macht ihn zu einem gewichtigen Dokument. Die Frage ist nur, wie sehr diese Liste tatsächlich ins Gewicht fällt.

Die Gegner der geplanten Umgehungsstraße bei Forstinning haben die Liste am Montagabend dem Ebersberger Landrat übergeben. Zu dem Termin im Büro von Robert Niedergesäß (CSU) kamen die Sprecher mehrerer Initiativen und Gruppen zusammen, die sich für den Erhalt des Ebersberger Forsts einsetzen. Ihre Petition richtet sich gegen zwei Vorhaben im Forst: Die Umfahrung durch ein 1080 Meter langes Waldstück bei Forstinning - und die Errichtung von Windrädern bei Purfing. Für beide Projekte müssten großflächig Bäume für Bauwerke gefällt werden, was im Forst seit 200 Jahren nicht mehr geschehen ist.

Die Sicht von Kreistag und Landratsamt ist hier relevant, wohl auch deshalb inszenierten die Waldschützer diesen Termin öffentlichkeitswirksam. Landrat Niedergesäß erklärte, "wir werden die Petition im Kreistag behandeln". Zur Windkraft positionierte er sich wie bisher deutlich: Er halte "maximal fünf Windräder im Forst" für angebracht. Gutachter prüfen derzeit, ob Windkraftanlagen im Ebersberger Forst generell möglich und sinnvoll wären, das Vorgutachten soll im Herbst erscheinen. Zur geplanten Umgehung nahe des Forstinninger Ortsteils Schwaberwegen äußerte sich der Landrat hingegen vorsichtig diplomatisch. "Man muss bis zum Schluss nach der besten Lösung suchen", sagte er, "das kostet Zeit, Geld und Nerven".

Andere Beispiele zeigen, wie sich ein Planfeststellungsverfahren hinziehen kann

Auslöser für all das ist ein Streit, der vor Jahren in Forstinning entstanden ist. Die Anwohner der Staatsstraße 2080 durch die Ortsteile Moos und Schwaberwegen klagen über den Verkehr. Der ist nachweislich mehr geworden auf dieser Straße, eine wichtige Verbindung zwischen der Kreisstadt Ebersberg und der Autobahn A 94 Richtung München. Die Anwohner der Straße haben eine Initiative pro Umgehungsstraße gegründet und nehmen aktuell Stellung: "Jeder, der mit Kfz, mit Rad oder zu Fuß schon auf der St2080 unterwegs war, oder als Anlieger dort wohnt, weiß, dass hier Sicherheit und Gesundheit extrem bedroht werden", heißt es darin.

In der Windrad-Frage wird im Herbst die erste wichtige Entscheidung fallen. Bei der Forstinninger Umgehung sind sie da schon weiter. Spätestens Anfang Februar will das staatliche Bauamt Rosenheim die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens bei der Regierung von Oberbayern beantragen. Dann ist die Regierung am Zug - sie muss das Verfahren starten.

Im weiteren Verlauf liegen die Unterlagen zum Bauvorhaben vier Wochen bei der Gemeinde - in dem Fall also im Forstinninger Rathaus - aus, und sind auf der Webseite der Regierung und des Rosenheimer Bauamts verlinkt. Bis vier Wochen nach Ende der Auslage können Behörden wie Privatleute Einwände äußern. Im Laufe des Verfahrens kommen die Beteiligten dann zu sogenannten Erörterungsterminen zusammen, die oft von Spannungen und Emotionen geprägt sind. Ist ein Verfahren abgeschlossen, kommt es in aller Regel zu Klagen.

Ist der Ebersberger Forst der größte zusammenhängende Wald?

So dürfte der Tag des Spatenstichs für die Forstinninger Umfahrung in weiter Ferne liegen. Beispiele aus Oberbayern zeigen, wie sich die Dinge vom Beginn des Planfeststellungsverfahrens bis zur Eröffnung einer Straße hinziehen können. Im unweit gelegenen Rosenheim dauerte das Verfahren für die Westtangente von 2000 bis 2006. Gerichtsprozesse verzögerten den Baubeginn bis zum Jahr 2010. Nach insgesamt 19 Jahren sind nun vier der insgesamt elf Kilometer langen Straße gebaut und für den Verkehr geöffnet, sieben Kilometer fehlen noch.

Weniger zäh verlief das Prozedere um die deutlich kürzere Ortsumfahrung der Gemeinde Vogtareuth (Kreis Rosenheim), dort startete das Verfahren im Jahr 2008, seit vier Jahren fahren dort bereits Autos. Sehr flott lief es in Frasdorf-Wildenwart im Chiemgau mit einer gut zwei Kilometer lange Staatsstraße (ähnlich lang wie die geplante Umfahrung in Forstinning): Ende 2013 startete das Verfahren, 2016 war Baubeginn, wenig später wurde die neue Straße eröffnet.

Geklagt wird in drei Vierteln aller Planfeststellungsverfahren. Aus Rosenheim heißt es jedoch, dass man sich an keinen Fall erinnere, wo ein Projekt zu diesem Zeitpunkt noch gänzlich verhindert wurde. Oft müssen aber, wie etwa jüngst bei der Grafinger Ostumfahrung, Änderungen vorgenommen werden.

Mit entscheidend für das Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens dürfte sein, wie gewichtig die ökologische Bedeutung des Ebersberger Forsts ausgelegt wird. Beim Termin mit dem Landrat bezeichneten die Umfahrungs-Gegner den Ebersberger Forst als "größten zusammenhängenden Wald im nichtalpinen Mitteleuropa". Ein Superlativ, den Forstbetriebsleiter Heinz Utschig auf Nachfrage für "nicht haltbar" hält. Die Größe ist vielleicht aber kein entscheidender Faktor. Eher der Effekt, so Utschig. Ein ausgefranster viel durchschnittener Wald habe "weniger Wirkung für den Klimaschutz als ein kompakter Wald wie der Ebersberger Forst".

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SZ vom 23.01.2019
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