Personalnot im Gastgewerbe:Der Hotelchef putzt jetzt wieder selbst

Personalnot im Gastgewerbe: Elisabeth Schwaiger im Wellness-Bereich des väterlichen Hotels. Wie lange die Gäste dort noch die ganze Woche Entspannung finden können, hängt von der Entwicklung der Energiepreise ab.

Elisabeth Schwaiger im Wellness-Bereich des väterlichen Hotels. Wie lange die Gäste dort noch die ganze Woche Entspannung finden können, hängt von der Entwicklung der Energiepreise ab.

(Foto: Christian Endt)

Allerorts fehlen im Hotel- und Gaststättengewerbe Mitarbeiter. Im Landkreis Ebersberg zeigt sich, wie die Betreiber versuchen, die Situation zu meistern.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Die Meldung der Gewerkschaft NGG klingt alarmierend: "Hotellerie am Limit". Beim Gespräch mit Hotelbesitzern im Landkreis Ebersberg zeigt sich: Die Personalsituation könnte definitiv besser sein. Mancherorts greift der Betreiber wieder selbst zum Putzeimer oder schränkt die Öffnungszeiten ein. Wie schon seit Jahren fehlt Nachwuchs und das trotz steigender Löhne. Gleichzeitig sorgt diese Mehrausgabe zusammen mit den explodierenden Energiekosten für einen Anstieg der Preise für die Endkunden. Das Fazit bei den Befragten: Die meisten kommen zurecht. Noch. Aber es gibt auch andere Beispiele.

Von denen weiß Anita Stocker zu berichten, seit kurzem neue Dehoga-Kreisvorsitzende. Manche Mitglieder hätten ihr erzählt, dass sie etwa Reisegruppen von 25 Personen, die nur eine Nacht bleiben wollen, an die großen Hotelketten verweisen. Andere loben Boni aus für Gäste, die sich auf einen Handtuchwechsel beschränken und auf die Reinigung verzichten. "Ganz oft müssen die Hoteliers wieder selbst die Gummihandschuhe zum Putzen anziehen oder beim Frühservice einspringen," erzählt die Chefin vom Gasthof Stocker und dem Landshamer Hof, die sie zusammen mit Ehemann Melchior betreibt.

Personalnot im Gastgewerbe: Um Personal und sich selbst zu schonen, sperren Melchior und Anita Stocker ihr Gasthaus am Wochenende zu und das Hotel wenn möglich ebenfalls.

Um Personal und sich selbst zu schonen, sperren Melchior und Anita Stocker ihr Gasthaus am Wochenende zu und das Hotel wenn möglich ebenfalls.

(Foto: Christian Endt)

Weil das aktuelle Arbeitsaufkommen mit dem vorhandenen Personal nicht zu stemmen ist - vor Corona inklusive der Aushilfe etwa 35 Personen, jetzt mindestens zehn weniger - hat sie die Reißleine gezogen: Am Wochenende bleibt das Gasthaus zu. Ebenso, wenn möglich, die 20 Zimmer des Hotels, das zu 95 Prozent von Geschäftsreisenden frequentiert wird. "Lieber mach ich Samstag, Sonntag zu, um mich und mein Personal für die Woche zu schonen", begründet sie die Maßnahme, für die sie von den Kollegen viel Respekt geerntet habe. Das Personal dankt es ihr. Alle im Betrieb sind schon jahrelang dabei - die Vermutung liegt nahe, dass das nicht an den Grillfesten, dem Personalessen, den ausgegebenen Jacken, ja nicht einmal an der Anhebung der Stundenlöhne liegt, sondern vor allem an der Wertschätzung, die Stocker ihren Leuten erkennbar entgegenbringt.

Personalnot im Gastgewerbe: Christopher Appler (links) und Erich Appler sind Geschäftsführer des Business Class Boutique Hotels in Ebersberg.

Christopher Appler (links) und Erich Appler sind Geschäftsführer des Business Class Boutique Hotels in Ebersberg.

(Foto: privat)

Die Haltung, dass sich die Arbeitnehmer wohlfühlen müssen, vertritt auch Christopher Appler, Geschäftsführer des Business Class Boutique Hotels in Ebersberg. Vor drei Jahren hat der 35-Jährige die Leitung des 33-Zimmer-Hauses übernommen, dessen Klientel ebenfalls überwiegend beruflich reist. Die Auslastung sei trotz Corona zufriedenstellend. Auch die Personalknappheit mache ihm nicht zu schaffen. "Wir haben ein super fleißiges und zuverlässiges Team und bringen unser Konzept auf einen einfachen Nenner: Wer gutes Personal haben will, muss auch faire Löhne zahlen!"

Ein Grund für die Misere ist die geringe Differenz zwischen Gehalt und Arbeitslosengeld

Das tue er schon immer, übertariflich. Dann allerdings findet der Ebersberger deutliche Worte und zwar für die Politik, der er eine Mitschuld gibt am akuten Personalmangel im Dienstleistungssektor, so Appler. "Meiner Meinung nach liegt das größte Problem beim Sozialstaat. Wenn ein Arbeitsloser 1200 Euro erhält, während unsere Berufsgruppen teilweise bei 1400 Euro anfangen, dann kann man gut verstehen, dass die Leute lieber zu Hause bleiben, anstatt sich 38 Stunden in der Woche zu mühen, um nur ein paar Euro mehr in der Tasche zu haben."

Angesichts dieser Voraussetzungen müsse man sich über den Personalmangel nicht wundern. Gleichzeitig ist klar, dass die für eine angemessene Entlohnung entstehenden Kosten irgendwie wieder hereingeholt werden müssten. "Eigentlich muss ich die Preise anpassen. Doch das gibt der Markt derzeit nicht her. Ein zweischneidiges Schwert."

Personalnot im Gastgewerbe: Franz Schwaiger ist nicht nur Hotelier, sondern auch Gastronom.

Franz Schwaiger ist nicht nur Hotelier, sondern auch Gastronom.

(Foto: Christian Endt)

Den Aspekt, die Kosten umzulegen, hebt auch Hotelier Franz Schwaiger aus Glonn hervor. Neben seinen 64 Zimmern und 23 Apartments betreibt er als Gastronom ein Restaurant sowie Cafés mit Bäckerei und Konditorei in Glonn und Ebersberg. Viele Kollegen hätten Angst, ihre Preise so zu gestalten, dass es auch für die Unternehmer passe. Das sei aber nötig, vor allem aktuell in Anbetracht der hohen Rohstoffkosten. Diese hätten sich nahezu verdreifacht.

Nicht ausgeschlossen, dass sich das im Herbst und Winter auf die Öffnungszeiten des Wellnessbereichs auswirken wird, der nicht nur den Hotelgästen zur Verfügung steht, sondern auch von Menschen aus der Umgebung gerne genutzt wird.

Diese Kunden sind offenbar durchaus bereit, die Arbeit der Servicekräfte am Abend und am Wochenende zu honorieren: "Das sieht man am Trinkgeld." Sieben, acht Euro pro Stunde kämen da im Sommer zusammen, im Jahresdurchschnitt seien es fünf Euro. Möglicherweise auch aufgrund dieses Zusatzverdiensts gibt es "beim Schwaiger" personell derzeit keine Probleme.

Ein großes Problem: die Quarantäneregeln

Aktuell kommt Schwaiger, Aushilfen eingerechnet, im gesamten Unternehmen auf 82 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu Coronazeiten sah das anders aus, da waren es teilweise nur 45 und die sechs Mitglieder der eigenen Familie "um die Löcher zu stopfen". Ein großes Problem der vergangenen beiden Jahre waren die Quarantäneregeln für ausländische Pendler. Statt wie früher nach einer Zweiwochenschicht ein paar Tage im Heimatland frei zu machen und dann wiederzukommen, hätten diese sich dann an beiden Orten jeweils zwei Wochen in Isolation begeben müssen. Weil dies nun nicht mehr vonnöten ist, kämen jetzt auch wieder Kräfte aus umliegenden Ländern.

Die brauche man auch angesichts der Nachfrage. In einer Ausflugsgegend wie Glonn seien von Freitag an jede Menge Leute unterwegs - mit dem Rad, zu Fuß, auf Wanderwegen. Von Montag bis Donnerstag kämen viele Geschäftsreisende und Tagungsteilnehmer. Ganz zu schweigen von all den Hochzeiten, Geburtstagen und weiteren Festivitäten, die derzeit nachgeholt werden - oft schon am Freitag und noch am Sonntag werde das gefeiert, was früher nur samstags stattgefunden habe.

Die Erhöhung der Mindestlöhne in dieser mitarbeiterintensiven Branche mit ihren vielen Teilzeitjobs und Aushilfen sieht Franz Schwaiger durchaus als Herausforderung, denn das müsse dann ja in die Preise eingerechnet werden. Sorgen mache er sich aber dennoch nicht: "Wir sind ein zukunftsorientierter Betrieb mit neuesten Maschinen und Technik, der Personalstamm ist seit Jahren derselbe. Für uns alle ist es einfach ein schönes Arbeiten, wenn man mit Kunden und Gästen umgehen darf."

Seit Jahren ist der Personalstamm derselbe

Diese Liebe zum Beruf spürt man auch bei Anita Stocker. "Unsere Azubis sind in allen anderen Branchen heiß begeht - sie sind Allrounder und haben den Adlerblick", schwärmt sie. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, würde sie es begrüßen, wenn die Kinder bereits in der Unterstufe, und zwar aller Schulformen, mittels Praktika an mögliche Berufe herangeführt würden. "Unsere Branche macht super Spaß und ist megainteressant, aber die jungen Leute müssten es halt wissen."

Personalnot im Gastgewerbe: Hotelchef Sascha Kurzawa und Rezeptionistin Dolores Fischer.

Hotelchef Sascha Kurzawa und Rezeptionistin Dolores Fischer.

(Foto: Christian Endt)

Einer, der genau das vermittelt, ist Sascha Kurzawa, Leiter des vom Berufsförderungswerk (BFW) betriebenen Hotels Bildungsblick in Kirchseeon. In dem Seminarhotel mit 61 Zimmern und vier Schulungsräumen hat das Geschäft Vor-Corona-Niveau erreicht. Weil man personell unterbesetzt ist, werden auch dort aktuell noch Kräfte gesucht. Freie Plätze gibt es außerdem im Zweijahreskurs "Kaufmann für Hotelmanagement", der im Januar 2023 startet.

Probleme, später auf dem Arbeitsmarkt etwas zu finden, gäbe es da sicher nicht. Der neue Tarifvertrag sei zudem ein guter und nötiger erster Schritt. "Wenn eine gelernte Restaurantfachkraft mit drei Jahren Berufserfahrung in einer WG leben muss, weil er sich in München keine Wohnung leisten kann, dann stimmt was nicht", findet Kurzawa, der selbst seit 30 Jahren in der Branche tätig ist. Dennoch sei es für ihn der schönste Beruf, darum möchte er gern mehr Menschen dafür begeistern. Am liebsten beim Infotag, alle 14 Tage dienstags.

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