Perchten:Doktor Holzmandl

Markus Fichte, 18, ist Autist und besucht die Steinhöringer Korbinianschule. Mithilfe der Kirchseeoner Perchten und ihrer wilden Kostüme gelingt es ihm, Kontakt zu seiner Umwelt auf- und seinen Mitschülern die Angst vor den gruseligen Gestalten zu nehmen

Von Sandra Langmann, Steinhöring

Verpönt als Kinderschreck werden sie häufig als böse Begleiter des Heiligen Nikolaus abgetan. Viele Kinder haben Angst vor den gruseligen Gesellen - den Perchten. Dass dem nicht so ist, sondern dass die wilden Gestalten mit einer langen Tradition verbunden sind, zeigen nicht nur die Kirchseeoner Perchten, sondern auch Markus Fichte aus der Korbinianschule in Steinhöring.

"Ihr braucht keine Angst zu haben. Die Perchten haben ihre Masken noch nicht aufgesetzt", ertönt die Stimme von Markus Schmidt, der Schulleiter der Korbinianschule, aus den Lautsprechern. Er wendet sich an die Schüler in der Aula, die mit Bänken kurzerhand zum Veranstaltungsort umfunktioniert wurde. Die Kinder sind aufgeregt, ein Junge wird an der Hand einer Lehrerin geführt - etwas Angst hat er schon. Doch die fünf Kirchseeoner Perchten haben sich wie versprochen noch nicht verkleidet. Andreas Mecker, Meister der Vorstandschaft der Klauber-Perchten, führt die Kinder vorsichtig an das Thema heran und erklärt behutsam, was es mit den Masken und den Tänzen auf sich hat. Die gruseligen Masken werden geschnitzt, um die bösen Geister der langen Winternächte zu vertreiben. Dabei handelt es sich um Tiermasken und auch um Fabelwesen, mit denen die Perchten von Haus zu Haus ziehen, um Glück zu bringen und die Geister zu erschrecken.

Passend zum Ebersberger Forst, denn auch im Wald tummeln sich böse Geister, gibt es das "Holzmandl". Die Maske spiegelt mit ihren verspielten Schnitzereien den Wald und dessen Bewohner wider. Eine Schnecke sitzt auf der Nase, auf dem Kopf trohnt ein Schwammerl. So eine Maske trägt auch der 18 jährige Markus Fichte. Für ihn ist es etwas ganz Besonderes, bei den Kirchseeoner Perchten dabei zu sein. Der junge Mann aus Parsdorf wurde mit dem Asperger-Syndrom geboren, einer Variante des Autismus. Daher ist seine Mutter Andrea Fichte besonders stolz auf ihren Sohnemann, der mittlerweile die Berufsschulstufe in der Korbinianschule erreicht hat. Durch den Verein sei er richtig aufgeblüht und auch offener geworden, berichtet Frau Fichte. "Durch die Maske traut er sich, auf die Menschen zuzugehen." Und Markus scheint sich richtig wohl zu fühlen. Stolz präsentiert er seinen Mitschülern seine Maske und hilft ihnen dabei, diese auch aufzusetzen. Andrea Fichte verrät auch, dass Markus schon als kleines Kind von den Perchten fasziniert gewesen sei - Angst habe er nie gehabt. Nun laufe er bereits zum zweiten Mal bei den Kirchseeoner Perchten mit und hat sichtlich Spaß daran. Im Vorjahr sei er noch ein sogenannter "Schlenzer" gewesen. "Der klappert", grinst Markus. Heuer beteilige er sich als "Holzmandl" am Perchtenlauf und habe einen Stock dabei. Doch die Maske gefalle ihm besonders gut.

Mit den Stöcken, so der Vorpercht Andreas Mecker, werden dann Symbole, wie zum Beispiel der "Drudenhax", ein fünfzackiger Stern, gebildet. Auch dieser soll Glück bringen. Die Kinder zeigen sich fasziniert von den Perchten und die Angst scheint wie verflogen zu sein. Dennoch geht aufgeregtes Kreischen durch die Menge, wenn die nächste Maske gezeigt wird und die Kinder das geschnitzte Fabelwesen erraten sollen. Durch diese spielerische Art und Ungezwungenheit nimmt Mecker den Schülern die Angst vor den Perchten und erzählt von ihrer wahren Bedeutung. Dass die Perchten singen, tanzen und Sprüche aufsagen - dass also Perchten eigentlich richtige Glücksbringer sind, die man gerne zu sich nach Hause einlädt.

Die wichtigste Figur ist die "Frau Percht". Auf der Vorderseite ist der Teufel abgebildet, der das Böse widerspiegelt. Doch auf der Rückseite befindet sich die Sonne, das Gute, das sich in der "Frau Percht" verbirgt. Alle Perchten tanzen um diese Gestalt, rufen die länger werdenden Frühlingstage herbei und vertreiben das Böse. Auch diese Masken aus Lindenholz wurden selbst geschnitzt, erklärt Mecker. Angefangen habe alles 1954 mit dem "Perchtenvater" Hans Reupold, der in diesem Jahr den ersten Perchtenlauf ins Leben gerufen hatte. Das ganze Jahr über gebe es viel zu tun, und auch Markus Fichte sei tatkräftig dabei, so Mecker. Von den Vereinsmitgliedern wurde er sofort in die Gemeinschaft aufgenommen und wie jeder andere behandelt. "Er ist einer von uns", sagt Mecker und Markus bekomme die selben Aufgaben wie die anderen. Andreas Mecker kann nur bestätigen, dass sich Markus bei den Perchten geöffnet habe und volles Engagement zeige.

Markus Fichte ist es zudem zu verdanken, dass der Schulleiter Markus Schmidt auf die Kirchseeoner Perchten aufmerksam wurde. Sie seien ihm zwar bekannt, doch als er erfahren habe, dass Markus dort als Percht tätig ist, kam er auf die Idee, sie in die Schule zu holen. "Die ganz alten Bräuche aus der vorchristlichen Zeit faszinieren mich", schwärmt Schmidt. Diese wolle er den Schülern nun näher bringen und holte dafür das erste Mal Perchten in die Schule. Andreas Mecker sei es gelungen, das Eis rasch zu brechen und den Kindern das Brauchtum näher zu bringen. Von Markus' Mitwirken zeigt sich der Schulleiter begeistert und beschreibt ihn als wichtigen Teil der Gemeinschaft, der seine Kanten hat wie jeder andere auch.

Und wenn man sieht, mit welcher Begeisterung und welchem Engagement Markus bei der Sache ist, haben die Perchten definitiv ihren Schrecken verloren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: