Süddeutsche Zeitung

Pascal aus Ebersberg bei Fußball-WM:An der Hand des Vorbilds

Einmal an der Seite eines Nationalspielers ins WM-Stadion einziehen - davon träumen viele Kinder. Pascal Kliese durfte: Als Eskortenkind begleitete er Torwart Manuel Neuer vor dem Australien-Spiel auf den Platz.

Martin Mühlfenzl

Aufgeregt waren wohl beide: Deutschlands neue Nummer eins angesichts seines ersten Auftritts bei einer Fußballweltmeisterschaft und der Stammtorhüter der Ebersberger E2-Junioren in Anbetracht des bevorstehenden Gangs auf den Rasen des Moses-Mabhida Stadions in Durban vor mehr als 60.000 Zuschauern. Fest schloss sich die Hand Manuel Neuers um die des neunjährigen Pascal Kliese. Kurz vor dem Verlassen des Kabinengangs blickte der Schalker Torhüter herab, schenkte seinem kleinen Begleiter ein Lächeln, ehe er sich zu seinen Mitspielern umwandte: "Aufpassen Jungs, das ist ein strenger Schiedsrichter."

An dieser Stelle enden gewöhnlich die Träume junger Nachwuchskicker und es droht am frühen Morgen der Gang in die Schule. Als Pascal vor einer Woche die Augen aufschlug, war die Grundschule, die er in Ebersberg besucht, allerdings rund 9000 Kilometer Luftlinie entfernt und es erwarteten den Ebersberger und seinen Vater Mike am Flughafen der südafrikanischen Provinzhauptstadt Durban strahlender Sonnenschein, angenehme sommerliche Temperaturen und das Erlebnis Fußballweltmeisterschaft 2010.

Doch die beiden Ebersberger traten die Reise nicht als normale WM-Touristen an, sondern - allen voran Pascal - mit der Erkenntnis, ein Teil der globalen Inszenierung zu sein. Zumindest für einen kleinen Moment an der Hand eines deutschen Nationalspielers. Im McDonalds-Lokal in Eglharting war Pascal auf Flyer aufmerksam geworden, die zur Teilnahme an einem Wettbewerb des WM-Sponsors aufriefen. "Da stand, dass man als Eskortenkind bei einem Spiel der Deutschen dabei sein darf - wenn man gewinnt." Zwei Tage nachdem der Ebersberger die Bewerbung für das Auswahlverfahren abgeschickt hatte, klingelte im Hause Kliese bereits das Telefon. "Es wurde mir einfach nur mitgeteilt, dass Pascal ausgewählt wurde", erinnert sich Mutter Antonia. "Und zwar als erstes Eskortenkind überhaupt."

Was folgte, war der ganz normale Medienwahnsinn, den ein Kind, das beim Einlauf einer nationalen Equipe teilnehmen darf, erwartet. "Natürlich wird man da ein wenig zum Werbeträger", sagt Vater Mike Kliese. "Aber es hat nicht Überhand genommen und Pascal hatte Spaß daran." Vor allem an einem ganz besonderen Treffen im Hotel Bayerischer Hof in München. Dort erwarteten den Neunjährigen drei Ikonen aus den erfolgreichsten Generationen deutscher Fußballer: die Weltmeister Horst Eckel (1954), Paul Breitner (1974) und Andreas Brehme (1990). "Gekannt habe ich alle nicht", sagt Pascal etwa verlegen. "Aber jetzt kenne ich sie und weiß, dass Andy Brehme 1990 furchtbar aufgeregt war."

Das eigentliche Abenteuer begann aber mit der Ankunft in der zweitgrößten Stadt Südafrikas. "Wir waren eine Woche in Durban und hatten viel Zeit und ein tolles Programm", berichtet Mike Kliese. "Vor allem die Safari", wirft Pascal prompt ein und überschlägt sich förmlich bei der Aufzählung der Attraktionen: "Giraffen, Gnus, Büffel, Springböcke, Zebras." Natürlich durfte im Naturreservat nahe Durbans auch die für Südafrika so typische Folklore nicht fehlen. "Wir haben sogar mit den Gruppen mitgetanzt und Halsketten bekommen", sagt Pascal und lacht.

Seinen persönlichen Höhepunkt erlebte der Ebersberger Torhüter aber auf dem Dach des größten Einkaufszentrum Südafrikas: Dort erwartete die deutschen Eskortenkinder und ihre Freunde aus Australien ein Fußballplatz und gewissermaßen das Vorspiel zur ersten Partie der deutschen Equipe gegen Australien. "Und wir haben gegen die australischen Eskortenkinder mit 8:1 gewonnen", blickt Pascal zurück. "Ein Gegentor - das ist okay."

Sein Vorbild Manuel Neuer blieb am Abend sogar ohne Gegentreffer. Das 4:0 des deutschen Teams verfolgte Pascal nach dem Abspielen der Nationalhymnen mit seinem Vater auf der Tribüne. Die Aufregung war zu diesem Zeitpunkt verflogen - doch der Traum hielt an.

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Quelle:
SZ vom 18.06.2010/tob
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